Über Queerness in der Popkultur
Ein Gemeinschaftsbeitrag von Mirko und Jenni
Warum ist queere Repräsentation in der Popkultur wichtig? Mirko und Jenni haben auf diese Frage ganz unterschiedliche Perspektiven, denn Mirko ist queer und Jenni ist hetero und cis. Ihre Meinung zu dem Thema ist trotzdem dieselbe: Wir brauchen mehr gute queere Repräsentation!
Mirko: Representation Matters
Könnt ihr euch noch an den allerersten Kuss erinnern, den ihr in einer Serie oder einem Film gesehen habt? Nein? Ich persönlich auch nicht. Zumindest nicht an den ersten heterosexuellen Kuss. Ich kann mich aber noch sehr genau an den ersten zwischen zwei Männern erinnern.
Wir drehen die Uhr ins Jahr 2004 zurück: Das ist nicht nur das Jahr, in dem die Band Green Day ihr Erfolgsalbum American Idiot rausbringt, oder Ruslana den Eurovision Song Contest gewinnt. In diesem Jahr bringt ein kleiner deutscher Film mein Blut in Wallungen– und das ziemlich wortwörtlich.
Sommersturm – ehrlicherweise kann ich mich nicht mehr daran erinnern, worüber der Film handelt.
(Ich habe es gerade gegoogelt, damit ihr es nicht machen müsst: ein offen schwuler Junge trifft auf einen jungen Mann, der noch nicht weiß, dass er auf Männer steht – im Laufe des Sommer-Rudercamps kommt er aber dahinter und hat sein Coming-Out.)
Und auch wenn ich mich an nichts aus dem Plot erinnern kann – eine Sache weiß ich noch sehr genau: Zwei Männer haben sich geküsst. Und das habe ich – offenbar – nie vergessen.
Jetzt könnte man sagen: ja und? What’s the deal?
Viele queere Menschen wachsen mit heteronormativen Erwartungen und Repräsentation auf. Das fängt im Kindergarten mit ‚Vater, Mutter, Kind‘ an und endet bei dem Schimpfwort ‚Schwuchtel!‘ auf dem Pausenhof. Queere Geschichten kommen nicht vor, schlimmer sogar: sie werden oftmals dämonisiert.
Wenn sich plötzlich zwei Männer auf der Leinwand küssen dürfen, einfach weil sie sich lieben – dann ist deine eigene Geschichte sichtbar. Sie fühlt sich nicht mehr wie ein Fehler an, sondern wie ein Feature. Und sie zeigt dir, dass du nicht allein bist. Und das gibt dir Selbstbewusstsein.
Inzwischen sind wir im Jahr 2021. Es hat sich viel getan. Der Eurovision Song Contest 2021 war der diverseste bisher, viele Serien setzen auf spannende queere Figuren und es gibt sehr viel queere Repräsentation auf Social Media. Allerdings ist das nur die eine Seite der Medaille: auf den Schulhöfen ist ‚schwul‘ immer noch eins der meistgenutzten Schimpfwörter. Insgesamt geht es queeren Menschen in Deutschland und auch in Europa graduell schlechter, vor allen Dingen, weil ein politischer Rechtsruck wieder zu alten heteronormativen Rollenbildern zurück möchte. Deshalb ist es jetzt – im Pride Month Juni – wichtiger denn je, unsere kleinen Filter Bubbles aufzureißen und den Leuten da draußen zu zeigen, wie bunt, vielfältig und somit reicher unsere Welt ist, wenn wir alle unentschuldbar zu uns selbst stehen. Damit der nächste kleine Mirko nicht erst mit 15 Jahren zum ersten Mal von einem Kuss zwischen zwei Männern erfährt.
Jenni: Allyship
Wie wichtig gute Repräsentation für queere Menschen ist, kann ich mir als hetero cis Frau natürlich nicht vorstellen. Darstellungen von heterosexueller Liebe gibt es wie Sand am Meer und ich habe meine Sexualität und meine Geschlechteridentität immer repräsentiert gesehen. Ich stand nie vor einem Coming Out.
Trotzdem ist Allyship mir ein großes Anliegen und das sollte es meiner Meinung nach für alle nicht-queeren Menschen sein. Ein Ally (deutsch Verbündete*r) ist eine Person, die nicht Teil einer marginalisierten Gruppe – in diesem Fall der queeren Community – ist, aber diese unterstützt und sich für deren Gleichstellung einsetzt. Tupoka Ogette hat das sehr anschaulich im Kontext von Antirassismus beschrieben:
In Bezug auf popkulturellen Konsum versuche ich als Ally, eben diesen zu hinterfragen: Wie viele der Bücher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe, handeln von queeren Charakteren? Habe ich vielleicht in letzter Zeit einen Film mit guter queerer Repräsentation gesehen, den ich anderen empfehlen könnte? Als Konsument*innen von Popkultur haben wir mehr Macht, als wir denken. Wir können queere Künstler*innen und Medienschaffende aktiv unterstützen und Studios und Produzent*innen zeigen, dass queere Geschichten kein Randthema sind. Wir haben auch die Macht, problematischen Personen unsere emotionale und finanzielle Unterstützung zu entziehen. Und natürlich können wir viel lernen, wenn wir mal über den Tellerrand schauen. Ich werde nie wissen, wie sich eine trans Person fühlt. Ich kann mich aber durch den Konsum von Büchern, Filmen und Serien zu dem Thema weiterbilden, emphatischer werden, queeren Menschen zuhören, mein eigenes Verhalten hinterfragen und dazu lernen.
Queere Geschichten sind in erster Linie wichtig, damit queere Menschen sich repräsentiert und gesehen fühlen. Doch auch an alle nicht-queeren Personen möchte ich appellieren: Unterstützt und konsumiert mehr queere Popkultur. Damit können wir die queere Community unterstützen und selbst ein besserer Ally werden. Um euch den queeren popkulturellen Konsum zu erleichtern, wird die Redaktion des Populärkollektivs diese Woche jeden Tag Empfehlungen auf Instagram und hier auf dem Blog veröffentlichen. Stay Tuned!
Mehr zu unserem Gastautoren Mirko gibt es hier.
Beitragsbild: Isi Parente (Unsplash)
Ein Gedanke zu “Ein Kuss, der dein Leben verändert”