Rezension: „Weiße Wolken“ von Yandé Seck

Der Debutroman der deutschen Autorin Yandé Seck hat mich gleich mit der Prämisse abgeholt: Ein Roman über zwei schwarze Frauen, der sich mit Rassismus und Feminismus auseinandersetzt und zwei starke Protagonistinnen in den Fokus stellt – und das auch noch aus Deutschland. Ich wurde nicht enttäuscht. „Weiße Wolken“ überzeugt vor allem durch interessante Charaktere und zwischenmenschliche Konflikte und einen erfrischenden, zeitgeistigen Schreibstil.

Aber erstmal ein paar Worte zum Inhalt

Die zwei Schwestern Zazie und Dieo stehen sich zwar sehr nah, pflegen aber einen sehr unterschiedlichen Lebensstil. Zazie bereitet sich auf ihre Promotion vor und beschäftigt sich sehr viel mit den sexistischen und rassistischen Strukturen der Gesellschaft. Dieo jongliert derweil ihr Leben als Mutter von drei Söhnen und ihrem Job als Therapeutin. Ihr Mann Simon arbeitet als weißer, mittelalter Mann in einem Start-Up in der Tech-Branche und symbolisiert damit vieles, was Zazie ablehnt. Der Vater der beiden ist vor über 40 Jahren aus Senegal nach Deutschland ausgewandert und beide Schwestern gehen mit diesem Teil ihrer Herkunft sehr unterschiedlich um.

Meine Meinung

Zu Beginn muss ich sagen: Den Klappentext des Buchs finde ich nicht sehr gelungen. Er verrät viel zu viel vom Inhalt, weshalb ich einige Aspekte dessen in meiner Zusammenfassung weggelassen habe. Falls ihr ihn also nicht schon gelesen habt, empfehle ich euch, das sein zu lassen und einfach das Buch zu lesen.

„Weiße Wolken“ legt den Fokus eher auf Vibes als auf Plot. Das meine ich gar nicht negativ, denn der Roman hat mich gut unterhalten, obwohl vor allem in den ersten zwei Dritteln des Buchs nicht viel passiert. Im Zentrum liegen eher die alltäglichen Probleme der beiden Schwestern und ihre Beziehung zueinander. Die Protagonistinnen tragen den Roman, sie sind sehr facettenreich und unglaublich interessant und vor allem nachvollziehbar. Besonders Zazies Wut auf alle Ungerechtigkeiten der rassistischen und sexistischen Gesellschaft konnte ich – auch als weiße Person – gut nachvollziehen. Sie beschäftigt sich sowohl auf akademischer als auch privater Ebene viel mit sozialen Ungerechtigkeiten und ist in mehrheitlich weißen oder männlichen Spaces oft die Person, die andere auf ihre problematischen Takes aufmerksam macht. Vor allem eine Situation, in der Zazies Chef ihr gegenüber eine zweideutige Bemerkung macht, hat mich wütend gemacht. Ihr ständiges Nachdenken darüber, wie sie die Gesellschaft verbessern kann, hat auch mich zum Nachdenken gebracht, wie ich mich engagieren könnte. Ihre ältere Schwester Dieo hat als berufstätige Mutter wenig Zeit und Geduld, sich so intensiv mit diesen Themen auseinander zu setzen. In ihrem Handlungsstrang hat mir besonders gut die Reflexion über den ungerecht verteilten Mental Load gefallen. Dieos Mann Simon wird eher als etwas unbeholfener, unwissender, aber nicht unsympathischer Ehemann dargestellt, dem diese ungerechte Verteilung oft gar nicht klar ist. Das lies mich schwanken zwischen positiven Gefühlen und Genervtheit für diese Figur.

Der Schreibstil der Autorin passt sehr gut zu den Vibes des Buchs. Vor allem Zazie spricht oft etwas flapsig, der Stil ist modern und orientiert sich an der Sprache der Generation Y. Es werden hin und wieder auch in die Zeit passende Banalitäten beschrieben, in denen sich eben diese Generation (und damit auch ich) gut wiederfindet. So passt der Stil sich sehr gut dem Inhalt an.

In „Weiße Wolken“ geht es sehr viel um gesellschaftliche Themen und Debatten, die in einem zeitgeistigen Stil aufbereitet werden. Mir hat das sehr gut gefallen, weil ich mich selbst gern mit diesen Themen auseinandersetze und der Stil sehr nah an meiner Lebensrealität ist. Leser:innen, bei denen das nicht der Fall ist, werden mit dem Buch vielleicht weniger anfangen können. Das Buch ist nicht unbedingt der optimale Einstieg in diese Themen, sondern setzt eine Gewisse Nähe zu den Themen und Diskursen der Generation Y und Z voraus. Natürlich können aber alle Leser:innen davon profitieren, sofern sie sich darauf einlassen.

Insgesamt würde der Roman in meinen Augen noch etwas mehr Handlung und einen klareren Spannungsbogen profitieren. Außerdem finde ich es schade, dass einige Situationen, die das Buch anreißt, nicht richtig auserzählt werden. Auf die Situationen wird allerdings immer wieder Bezug genommen. Das ist zum Beispiel der Fall, als Zazie an Weihnachten wegen rassistischer Kommentare mit ihren weißen Familienmitgliedern aneinandergerät. Ich persönlich hätte es hier spannend gefunden, zu wissen, wie die Figuren mit der Situation umgehen. Vermutlich war das aber eine bewusste Entscheidung der Autorin, eventuell auch in Hinblick darauf, dass BPOC oft immer wieder genötigt werden, von ihren traumatischen Erfahrungen zu erzählen.

Fazit

„Weiße Wolken“ ist ein Roman, der mehr vom Vibe und von den Charakteren lebt als vom Plot, was ich aber durchaus positiv sehe. Yandé Seck behandelt wichtige Themen auf eine interessante Art und Weise und wählt dafür genau den richtigen Schreibstil. Ich hätte mir zwar hin und wieder etwas mehr Handlung und Details gewünscht, habe den Roman aber alles in allem sehr gern gelesen.

Vielen Dank an den KiWi-Verlag für das Rezensionsexemplar!

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