Trash für die Seele

Türkisblauer Pool, strahlende Sonne, kühle Drinks, rauschende Partys. Und währenddessen findet man vielleicht sogar die Liebe des Lebens. Ach, klingt das romantisch. Wie im Märchen, oder? Sehr doof, wenn unter den vermeintlichen Singles aber auch Paare sind, denen es eher um das große Geld geht als um die Liebe. Klingt zu skurril, um wahr zu sein? Willkommen in der Welt von „Love Fool“ – meiner Trash-Liebe des Jahres 2024.

Die Mischung aus „Love Island“, „Temptation Island“ und „Make Love, Fake Love“ hat mich so richtig gepackt. Warum? Weil ich Trash-TV liebe und diese Sendung das ziemlich trashigste Format ist, was ich bisher gesehen habe – und ich verspreche nicht zu viel, wenn ich sage, dass ich schon vieles gesehen habe und schon lange im Trash-Game bin. Während sich manche vielleicht fragen, „warum schaut sie so einen Mist?“, bin ich selbst immer wieder überrascht, wie viele meiner Freundinnen (und hier stimmt wirklich die weibliche Schreibweise, weil es vor allem Frauen sind), selbst gerne und viel Trash-TV schauen – alle davon gut ausgebildet bzw. studiert. Das Trash-TV ist schon lange nicht mehr in einer Nische, ganz im Gegenteil: Es ist mitten in der Gesellschaft angekommen, selbst im Feuilleton. So berichten auch Die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung seit einigen Jahren selbstverständlich über Formate wie „Ich bin ein Star“ (Dschungelcamp) oder „Der Bachelor“.

Egal ob Liebesinseln, Dschungel oder die Jagd nach Rosen, Trash-TV-Formate sind immer ziemlich ähnlich aufgebaut. Ein bunt gemischter Haufen aus verschiedenen Persönlichkeiten kommt an meist wunderschönen Orten zusammen (hier nehmen wir das Dschungelcamp oder das Sommerhaus der Stars vielleicht eher raus) und erlebt fernab vom Alltag so einiges – vor allem Partys und Dates oder verrückte Spiele stehen im Vordergrund. Es gibt keine Handys, es gibt keine Uhren und es gibt keinen Kontakt zur Außenwelt. Die Formate lassen die Kandidat*innen in einer Art Parallelwelt zusammentreffen. Und was passiert, wenn ganz unterschiedliche Menschen auf meist doch sehr engem Raum mit viel Alkohol und ohne große Beschäftigung aufeinandertreffen? Richtig: Es knallt! Streit, Tränen und Drama sind wohl die wichtigsten Zutaten für eine gelungene Sendung. Und lieben wir das nicht alle ein bisschen?

Warum schauen viele Menschen Trash-TV?

Für mich ist Trash-TV viel mehr als seichte Unterhaltung. Zuallererst möchte ich deshalb den schon etwas abwertenden Begriff Trash-TV, also übersetzt Müll-TV, durch den ursprünglichen und wahrscheinlich in der Medienbranche öfter benutzten Begriff Reality-TV ergänzen. Hier passt für mich die Übersetzung besser: Diese Sendungen rücken – zumindest auf den ersten Blick – echte Menschen in den Fokus. Es ist allerdings nicht immer alles ganz real, sondern durch Schnitt, Kommentare und sicherlich auch die Redakteur*innen im Hintergrund oftmals in eine Richtung gelenkt. Auch die Kandidat*innen nehmen meist bewusst eine stereotypische Rolle ein, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese vertiefen sie dann gerne in weiteren Formaten. Vielleicht gefällt mir Love Fool deshalb so gut, da es nicht nur ein neues Format ist, sondern auch unbekannte Personen Teil davon sind, die im Reality-Business noch nicht ihre Rollen haben.

Wir Zuschauer*innen können uns mit diesen Personen identifizieren oder uns auch davon abgrenzen. Erleichtert wird uns dies durch die stereotypische Darstellung der gezeigten Personen. Durch den Schnitt oder zusätzlich nachträglich hinzugefügte Kommentare aus dem Off, werden den Protagonist*innen der Sendungen Rollen zugeschrieben – da gibt es beispielsweise die Naive, die Zicke, den Proleten, den Macho und so weiter.

Zudem können wir Emotionen zum Gezeigten aufbauen. Denn nur, wenn wir mit Emotionen dabei sind, kann auch das Drama, das in den meisten Formaten im Vordergrund steht, auf uns wirken und uns in den Bann ziehen. Im Laufe der Sendungen entwickeln die meisten von uns Sympathie und/oder Antipathie zu den gezeigten Protagonist*innen. Wir gehen mit unseren Lieblingscharakteren in eine parasoziale Interaktion. Wir bauen eine Beziehung zu ihnen auf, da wir viel über sie, ihre Gedanken und Gefühle während so einer Show kennenlernen. Gerade die Interviews, die in die verschiedenen Szenen hineingeschnitten werden, rücken dies in den Vordergrund, da die Kandidat*innen ihre Gefühle und Eindrücke reflektieren und uns direkt schildern.

Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum wir Trash-TV lieben, der vor allem bei mir sehr stark ausgeprägt ist: Eskapismus. Ich entfliehe durch das Schauen der Formate aus meinem doch manchmal sehr trüben und langweiligen Alltag. Die Sendung wird zu einem Schaukasten, in dem sich heile Welt und Drama, an dem man aber nicht beteiligt ist, abwechseln. Ich lenke mich ab, rezipiere die Inhalte, ohne mich groß reindenken zu müssen und kann durch die emotionale Bindung zum Gezeigten sogar Dinge ausleben, die ich so nicht erlebe.

Die medienpsychologische Sicht

Auch viele Wissenschaftler*innen befassen sich genauer mit den Reality-TV-Formaten. Medienpsychologe Richard Lemke beschreibt in einem Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (rnd), warum Formate wie „Temptation Island“ oder „Make Love, Fake Love“ – und dazu zähle ich auch „Love Fool“, wo es darum geht, seine*n Partner*in sogar in Sichtweite zu betrügen – so spannend für viele sind. Laut Lemke können die Zuschauer*innen ihre eigene Sehnsucht, etwa die nach dem Ausleben der eigenen Sexualität, nach dem Beginn einer Affäre, dem Nachgeben der Lust, durch die TV-Sendung legitimieren oder sogar über die Sendung intensivieren.

„Die eigene Lust auf sexuelle Vielfalt muss irgendwo hin. […] Je höher der eigene moralische Wertekompass, desto stärker sind die Reaktionen“, betont der Medienpsychologe. Doch verkommt dadurch unsere Gesellschaft nicht? Sind wir überhaupt noch beziehungsfähig oder suchen wir immer nur noch nach dem nächsten Kick oder die nächste Versuchung? Felix Dietrich, ebenfalls Medienpsychologe, berichtet im gleichen rnd-Beitrag zwar von der häufigen Befürchtung einer Normalisierung und Akzeptanz des gezeigten Verhaltens, betont aber, dass dies nicht der Realität entspreche. Ganz im Gegenteil sogar: Die Zuschauer*innen würden durch diese Formate ihre eigenen Werde reflektieren und Wertestandards etablieren. Vieles dreht sich hierbei um die Frage: Wo fängt Betrug eigentlich an?

Darum bleiben wir dran

Und ganz zum Schluss einer jeden Folge kommt das Spannungselement: Der Cliffhanger – was passiert beim nächsten Mal? Bekommt sie eine Rose? Wir er mit der Verführerin noch weitergehen? Wer wird als Faker enttarnt? Bricht sie die Sendung ab?

Gerade der spannende Aufbau der jeweiligen Folgen und eine auftretende Entscheidung zum Ende hin setzen bei uns Zuschauer*innen einen zusätzlichen Kick und wir wollen wissen, wie es weitergeht. Den Cliffhanger kennen wir natürlich auch aus fiktionalen Inhalten. Das Schöne am Reality-TV ist zumindest für mich, dass die Inhalte auch nach dem Ende der Show verlängert werden – und zwar in die Welt auf Social Media. Die Kandidat*innen berichten, wie es nach der Show weiterging. War es die große Liebe oder nur ein enttäuschender Flop? Bleiben sie für immer zusammen oder trennt das gewonnene Geld die Turteltauben? Auf viele Trash-TV-Formate folgen Wiedersehenssendungen, die das Drama im Alltag in den Vordergrund rücken und die Kandidat*innen noch näher an die Zuschauer*innen binden. Fernab von Sonne, Strand und Pool können wir uns nämlich noch mehr mit ihnen identifizieren. Wir können die Geschichten auch noch nach den Shows verfolgen oder die einzelnen Kandidat*innen auch in weiteren Formaten auf ihrer Suche nach Ruhm und Liebe begleiten. Wie gute Freund*innen bleiben sie in unserer Aufmerksamkeit.

Selbstverständlich gibt es an vielen Formaten auch Kritik, die absolut berechtigt ist. Es geht in den meisten Formaten um heteronormative Beziehungen. Viele männliche Kandidaten sind absolute red flags und über den Umgang mit Frauen müssen wir gar nicht anfangen. Viel Drama kommt vor allem durch den nachträglichen Schnitt und das Stereotypisieren der Kandidat*innen. Wahrscheinlich lässt sich ein weiterer Beitrag darüber schreiben, was in diesen Shows nicht wirklich rund läuft. Mein Fokus lag in diesem Beitrag aber zunächst einmal darauf, mir genauer anzuschauen, warum mich – und viele andere – diese TV-Formate doch so faszinieren.

Und damit uns die guten Dinge niemals ausgehen, folgen hier ein paar meiner Trash-Tipps für euch. Keine Werbung, sondern Herzensempfehlungen:

  • Wer es noch nicht gesehen hat: „Love Fool“ ist eine 10/10, läuft bei RTL+ und wird euer Trash-Herz nicht enttäuschen.
  • „Make Love, Fake Love“ geht mit einer neuen Kandidatin, die vielleicht manche von euch von „Bauer sucht Frau“ kennen, im Februar in die zweite Runde.
  • „Kampf der Realitystars“ trumpft in diesem Jahr mit einem tollen Line-Up auf: The one and only Calvin Kleinen – ich glaube, wer bis hierhin gelesen hat, braucht keine Erklärung, wer er ist –kämpft um den Sieg. Voraussichtlich laufen die ersten Folgen im Frühjahr.
  • Bei „Prominent getrennt“ soll es dieses Mal sogar handgreiflich werden. Was hat Kim Virginia angestellt? Wir erfahren es sicherlich in diesem Frühjahr.
  • Im Sommer wird es zum 20-jährigen Dschungel-Jubiläum eine All-Star-Ausgabe in Südafrika geben.
  • Selbstverständlich wird auch „Temptation Island“ in eine weitere Staffel gehen – mal schauen, wer der Versuchung widerstehen kann.

Beitragsbild: unsplash / marekokon

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