Rezension: „Kim Jiyoung, geboren 1982“ von Cho Nam-Joo

Der koreanische Beststeller Kim Jiyoung, geboren 1982 wurde von Kiepenheuer & Witsch nun endlich ins Deutsche übersetzt. Der Roman war in den Tagen rund um seine Veröffentlichung in aller Munde und was soll ich sagen? Ich kann den Hype nachvollziehen. Selten habe ich ein Buch gelesen, das so nüchtern und pointiert die universelle Benachteiligung von Frauen darstellt.

Ein paar Worte zum Inhalt

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte der fiktiven Kim Jiyoung, die jedoch gar nicht so fiktiv erscheint. Schon als Kind bekommt sie die in ihrem Geschlecht begründete Benachteiligung zu spüren. Ihr kleiner Bruder darf immer das bessere und größere Stück Fleisch essen und ihre Großmutter hat sich sowieso immer nur einen Jungen als Enkelkind gewünscht. Bereits in der Schule spürt sie eine Chancenungleichheit im Vergleich zu ihren männlichen Mitschülern, die auch an der Universität und im Job nicht weniger wird. Als sie Mutter wird, ist sie es, die alles aufgeben muss, um sich um das Kind zu kümmern. Kein Wunder, dass Jiyoung sich plötzlich seltsam benimmt und einen Psychiater aufsuchen muss.

Bild: Jenni, Populärkollektiv

Meine Meinung

Kim Jiyoung ist wie jede Frau. Jede Frau, die diesen Roman liest, wird sich mit einer oder mehreren Situationen, die beschrieben werden, identifizieren können. Während ich im Gegensatz zu Jiyoung die Diskriminierung von Frauen während meiner Zeit an der Universität weniger gespürt habe, war sie besonders während der Schulzeit und auch teilweise im Berufsleben präsent. Die Beschreibung von dem aufdringlichen Kunden, der während eines Geschäftsessens seine Grenzen nicht kennt, ist mir im Gedächtnis geblieben. Besonders getroffen haben mich die treffenden Beschreibungen von der Unvereinbarkeit zwischen Mutterschaft und Beruf. Die Autorin schafft es, diesen Konflikt, der meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft noch mehr als präsent ist, nüchtern und sachlich darzulegen. Generell kommt das Buch ohne dramatische Emotionen und Wertung aus, was die ganzen komprimiert dargelegten Geschlechterungerechtigkeiten nur noch echter macht. Als Jiyoung allerdings gemeinsam mit ihrem Mann entscheidet, dass sie zum Wohle der Kindererziehung ihren Job aufgeben würde und sie ihn daraufhin fragt, was er denn für das aufgeben würde, musste ich dann doch einmal laut und trocken auflachen:

„Ich werde ja früh nach Hause kommen, sodass ich selten Freunde treffen kann. Ich werde mich beim Feierabendbier oder wenn ich lange arbeite schlecht fühlen. Wenn ich nach der nach der Arbeit noch daheim im Haushalt helfen muss, bin ich bestimmt müde.“

S. 161

Wisst ihr noch, als der Mann einer Astronautin einen Preis gewann, weil er sich um die Kinder kümmerte, während seine Frau im Weltall war? Es ist schon seltsam, wie es als selbstverständlich betrachtet wird, dass die Frau ihren Job sowie ihr Privatleben aufgibt, um Mutter zu werden, während der Mann dafür gleich einen Preis verdient hat, oder er es schon als Opfer betrachtet, für sein Kind früher von der Arbeit kommen zu müssen. Oft arbeiten Frauen auch Teilzeit und übernehmen trotzdem Kindererziehung und Haushalt in Vollzeit, während der Mann mit seinem Vollzeitjob dann vollkommen ausgelastet ist.

Dieses ist nur eins von vielen Beispielen, an denen Cho Nam-Joo solche Ungerechtigkeiten treffend beschreibt. Wer sich allerdings schon tiefer ins Thema Feminismus eingelesen hat, wird vielleicht hin und wieder das Gefühl haben, dass das doch alles gar nichts Neues mehr ist. Wir wissen um die Probleme der sexualisierten Gewalt, wir wissen um die Chancenungleichheiten in fast allen Bereichen des Lebens. Das hat mich an der ein oder anderen Stelle gestört. Allerdings habe ich zuvor noch keinen Roman gelesen, der so kurzweilig und gebündelt die Erfahrungen einer jeden Frau beschreibt und das ist es, was den Roman so besonders macht. Dazu kommt, dass das Buch zeitweise gar nicht wirklich wie ein Roman, sondern eher wie ein Sachbuch anmutet, denn alle Beschreibungen aus Jiyoungs Leben werden von statistischen Fakten gestützt. Vor allem dadurch habe ich viel gelernt.

Fazit

Kim Jiyoung, geboren 1982 bringt die Erfahrungen, die jede Frau so oder so ähnlich in ihrem Leben macht, wahnsinnig gut auf den Punkt. Das führt allerdings dazu, dass belesene Feministinnen den Roman als eine bloße Wiederholung dessen wahrnehmen könnten, womit sie sich schon länger beschäftigen. Ich spreche allerdings eine klare Empfehlung für Kim Jiyoung, geboren 1982 aus, denn so pointiert liest man sonst nirgends von der kollektiven und universellen Unterdrückung der Frau. Das macht das Buch besonders auch für Männer und Feminismus-Einsteiger*innen empfehlenswert.

Beitragsbild: Jenni, Populärkollektiv

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