In letzter Zeit hat sich auf diesem Blog einiges um Musik gedreht, darum bleiben wir auch jetzt beim Thema. Denn es ist das erste Jahr seit C, in dem wieder richtig Konzerte und Festivals stattfinden, und ich finde, man merkt, wie ausgehungert Künstler:innen und Publikum danach sind. Allerdings geht es mir und vielen anderen, mit denen ich gesprochen habe, so, dass es auch ganz schön überfordernd ist. Und leider ist die Pandemie eben auch immer noch nicht vorbei. Aber das Thema ignorieren wir mal gerade, denn heute soll es um etwas anderes gehen.
Ich war tatsächlich vor Kurzem auf einem Festival. Es ging einen Tag und fand im Kölner Tanzbrunnen statt und aufmerksame Leser:innen dieses Blogs können sich vermutlich denken, welches es war und was darum auch das Thema dieses Blogbeitrags sein wird. Ich war beim DCKS Festival, dem von Carolin Kebekus und Team aufgezogenen Event, bei dem weibliche Acts im Fokus standen. In einem Beitrag der Carolin Kebekus Show (kurz: DCKS) ging es nämlich vor einem Jahr um Sexismus in der Musikindustrie. Aufhänger war, dass Rock am Ring mal wieder kaum Frauen im Line-Up hatte und es auch bei anderen Festivals nicht anders aussah. Daraus ergab sich die Idee, ein Festival mit komplett weiblichem Line Up zu machen, damals noch unter dem Titel „Ring am Rock“. Was eigentlich nur ein Witz gewesen war, wurde also am 06.06.2022 Wirklichkeit. Auch wenn es kurz vor Einlass nochmal richtig regnete, am Ende konnten Tausende bei Sonnenschein und guter Laune wirklich tolle Künstlerinnen genießen.
Als erstes will ich sagen: ich finde, dieses Festival war eine super Sache! Und zum Glück sind sehr viele Menschen meiner Meinung. Aber natürlich gibt es auch die, die von vornerein mit Ablehnung und Hass auf die Idee eines Festivals mit nur weiblichen Acts reagieren. Wobei so ein Tag eigentlich niemandem wehtun sollte, denn es wird ja niemand gezwungen hinzugehen und es sich anzuschauen und anzuhören. Aber natürlich geht es dabei um etwas Anderes. Das DCKS Festival ist nun mal eine ganz explizite Kritik an der männlich dominierten Festivalkultur und dem Musikbusiness als ganzes. Und wie immer, wenn Sexismus und Feminismus betroffen sind, erhitzen sich schnell die Gemüter.
Neben den Musikauftritten gab es auf dem Festival, während der Umbaupausen, verschiedene Talkunden, die sich mit unterschiedlichen Themen rund um Frauen in der Musikindustrie befassten. Da ging es dann natürlich auch um so Dinge wie Frauenquoten oder politische Einmischung. Ich weiß ehrlich gesagt selbst nie, was ich von Quoten halten soll. Brauchen wir sie als sinnvolles Instrument oder gibt es nicht andere Wege? Aber ich weiß, dass wir es auch im Musikbusiness mit einem strukturellen Problem zu tun haben und nicht damit, „dass es eben keine gute Frauenbands und Sängerinnen gibt“. Ehrlich, ich könnte schon wieder ausrasten, wenn ich in Kommentarspalten oder auf Social Media ständig lesen muss, dass Frauen dann doch eben einfach in die Musikbranche gehen und berühmt genug werden sollen. Glaubt mir, wenn es so einfach wäre, wären wir doch alle reich und berühmt! Dass es eben viel mehr Männerbands gibt, die unglaubliche Erfolge feiern und deswegen dann auch mehr gebucht werden, hat doch nichts damit zu tun, dass Frauen keine Lust hatten! Allein, dass euch beim Lesen gerade der Begriff „Männerband“ wahrscheinlich komisch vorkam, während „Frauenband“ gar nicht mal so unüblich ist, sollte vielleicht schon mal ein Fingerzeig sein.
Ich habe letztes Jahr unter anderem die Autobiographie von Viv Albertine, Gitarristin bei der britischen Punkband The Slits, gelesen (Clothes, Clothes, Clothes. Music, Music, Music. Boys, Boys, Boys, Deutsch: A Typical Girl). In dieser berichtet sie, dass sie am Anfang nie auf die Idee gekommen war, dass sie Musikerin sein könnte, weil sie nie eine Frau Gitarre in einer Band hatte spielen sehen. Und da beißt sich die Katze dann eben in den Schwanz. Weniger Frauen auf Festivalbühnen, auf Covern von Musikzeitschriften und als Headlinerinnen in ausgebuchten Arenen bedeutet weniger präsente Idole, die eine neue Generation an Musikerinnen inspirieren können. Natürlich ist das stark vereinfacht, aber Sichtbarkeit und Frauen im wahrsten Sinne des Wortes eine Bühne bieten ist so wichtig!
Das ist natürlich nicht nur in der Musik ein Problem. Natürlich bestimmt die patriarchale Vergangenheit, dass als wichtige Künstler eben Männer angesehen werden. Und es bedarf sicher einer langen Entwicklung, um da rauszukommen. Aber bloß, weil etwas „schon immer so war“, heißt es nicht, dass es so bleiben muss. Ich würde mir so wünschen, dass in den Köpfen der Menschen ankommen würde, dass es nicht daran liegt, dass es eben nicht genug Frauen gab oder gibt, die gut genug sind, sondern dass sie einfach nicht dieselben Chancen haben. Leider. Und ich weiß, wir wiederholen uns, aber es ist auch wirklich nicht schön, immer die feministische Spaßverderberin zu sein. Denn Konzerte und Festivals sollen Spaß machen! Und ich würde auch viel lieber alles einfach genießen können, aber mein auf Feminismus gepoltes Gehirn lässt sich meistens eben auch nicht so leicht abschalten.
Eigentlich wollte ich gar keine Beschwerde oder gar Wutrede schreiben. Denn eigentlich habe ich vom DCKS Festival vor allem mitgenommen, wie viele Leute es gibt, die Frauen in der Musik feiern. Es war so eine tolle Energie beim Festival, denn die ganzen Idioten – na gut Idiot:innen, auch wenn ich eine sehr klare Tendenz sehe – aus den Kommentarspalten hatten sich natürlich keine Karte gekauft. Sicher waren auch ein paar Leute da, die eigentlich nicht da sein wollten oder das Konzept doof fanden, aber grundsätzlich hatte sich das Publikum ja die Tickets gekauft, um genau das Anliegen zu unterstützen. Ich nehme insofern einfach sehr viel Positives von dem Festival mit. Hier ein paar Snapshots: Annie Chops, die auf der Bühne völlig überfordert, aber breit grinsend die Hände über dem Kopf zusammenschlägt, weil sie nicht glauben kann, wie sehr das Publikum sie abfeiert. Die zwei Typen, die während des Auftritts der No Angels hinter mir standen und inbrünstig sämtlich Songs inklusive aller Strophen mitsangen. Sowieso das Publikum, das völlig ausrastet für die No Angels, sodass man kein Wort von dem, was sie zwischen Songs sagen, versteht. Dosenwerfen, bei dem unter anderem dabei und daneben Soft-Tampons, Pflegetücher und Gleitgel aus einer riesigen Kiste verschenkt werden. Ewiglange Schlangen an Essen- und Getränkeständen, denn – oh Wunder – Frauen wollen auch was essen. Hazel Brugger, die Stage Diving macht. „Ich finde, es sind erstaunlich wenig Schwänze für etwas, das DCKS Festival heißt [Anm.: denn gesprochen wird es natürlich Dicks Festival]“, sagt sie, doch zum Glück ist der Anteil an männlichen Zuschauern nicht verschwindend gering. Und schließlich LEA als Abschluss und Headlinerin, die das ganze Publikum dank ihrer radiobekannten Songs singen lässt, während der Himmel sich im Abendlicht verändert.
Angesichts dessen, wie erfolgreich das DCKS Festival war, kann ich mir gut vorstellen, dass es im nächsten Jahr eine ähnliche und wahrscheinlich (nicht nur in der Anzahl Essensstände) optimierte Veranstaltung geben wird. Aber noch schöner wäre es natürlich, wenn auch auf anderen Festivals einfach mehr Frauen (von Menschen mit anderen Geschlechteridentitäten, auf die ich hier gar nicht eingegangen bin, mal ganz abgesehen) auf der Bühne wären. Denn es gibt doch so viele tolle Musikerinnen!
Die Dokumentation der bilduntonfabrik im Auftrag des WDR über das DCKS Festival findet ihr ab heute in der ARD-Mediathek.
Beitragsbild: Populärkollektiv