Boob Books – der feministische Literaturblog für alle mit und ohne Brüste – stellt euch jede Woche ein neues Buch vor. Was? Noch ein Buchblog…? Keine Sorge: Boob Books ist erfrischend anders. Wir haben mit Jana und Carlotta, den Gründerinnen von Boob Books gesprochen.

Populärkollektiv (PK): Hallo Jana, hallo Carlotta. Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Stellt euch unseren Leser*innen doch einmal kurz vor.
Jana: Wir sind Carlotta Borges, 22 Jahre alt, und Jana Burnikel, 29 Jahre alt. Wir haben Boob Books als Corona-Projekt im März 2020 gestartet. Und zwar unter der Prämisse: Hey, alle Leute sind jetzt zu Hause und wir haben Bock, uns um ein privates Projekt zu kümmern. Wir wollten irgendwas mit Impact in die Welt da draußen bringen und haben uns für einen Buchblog zum Thema Female Empowerment entschieden. Unser Blog ist nun seit Juni 2020 auf www.boobbooks.de online.

Bildquelle: Boob Books
PK: Warum denn gerade Female Empowerment?
Carlotta: Meine intensive feministische Phase – man könnte es schon fast feministisches Erwachen nennen – kam mit meinem Studium der Europawissenschaften in Maastricht. Ich glaube, dass das Studium ein konstantes Hinterfragen getriggert hat. Zuerst las ich „Untenrum Frei“ von Margarete Stokowski und zweifelte quasi von heute auf morgen die sozialen Strukturen, in denen ich aufwuchs, an. Das hat mich erstmal ganz schön umgehauen. Wie man aber sieht, hat zu diesem Awakening ein Buch maßgeblich beigetragen. Deshalb Bücher und Female Empowerment!
Jana: Ich habe Anglistik studiert und promoviere jetzt auch in der Anglistik an der Uni Saarbrücken zu einem Thema, das auch in Richtung Feminismus geht. Vorher habe ich lange im Gleichstellungsbüro und in verschiedenen Initiativen gearbeitet, wo es auch um Female Empowerment ging. Da ich zusätzlich auch als Gründungsberaterin arbeite, liegt der Fokus bei mir vor allem auf der Gründer*innen-Szene, die in Deutschland sehr konventionell funktioniert und Männer-dominiert ist. Boob Books war daher Carlottas und mein Joint Outlet, um der geballten Energie Ausdruck zu verleihen.
Das Besondere an unserem Blog ist, dass wir ausschließlich Bücher von Autorinnen* rezensieren. Wir haben uns die Literaturkritiker-Szene angeschaut – und da kann man wirklich von Kritiker im Maskulinum sprechen. Es ist statistisch gesehen so, dass Männer hauptsächlich Männer rezensieren.
Jana von Boob Books
PK: Eure Rezensionen unterscheiden sich stark von klassischen Buchbesprechungen, die wir kennen. Was ist denn das Besondere an eurem Blog?
Jana: Das Besondere an unserem Blog ist einerseits, dass wir ausschließlich Bücher von Autorinnen* rezensieren. Wir haben uns die Literaturkritiker-Szene angeschaut – und da kann man wirklich von Kritiker im Maskulinum sprechen. Es ist statistisch gesehen so, dass Männer hauptsächlich Männer rezensieren und Frauen, wenn sie rezensieren, beide Geschlechter rezensieren, wenn wir von binären Geschlechtern ausgehen. Wir haben halt gesagt: Ok, wir drehen den Spieß um und rezensieren wirklich nur Bücher von Frauen.
Auf der anderen Seite wollten wir einen Mehrwert für Rezensionen schaffen und haben einen einheitlichen Fragenkatalog entwickelt, der immer gleich aussieht und anhand dessen unsere Rezensionen immer gleich aufgebaut sind. Da gehören so Sachen rein wie eine klassische Summary (Worum geht’s?), aber auch einige Fun-Kategorien wie Bestes Geburtstagsgeschenk für… oder Happy Hour. Hier berichten wir, zu welchem Getränk uns das Buch inspiriert hat.
Das Herzstück jeder Rezension ist der Boob Score. Wir schauen uns an, welchen Female-Empowerment-Gehalt das Buch hat. Hier fragen wir uns: Wie sind Frauen dargestellt? Spielen sie eine gesellschaftlich bedeutende Rolle? Werden Themen behandelt, die speziell Frauen beschäftigen wie Menstruation, Fehlgeburt oder Frauenkrankheiten?
PK: Fallen euch die Fun-Kategorien denn immer leicht?
Jana: Ich saß auch schon öfter schon mal da und dachte mir: Was soll ich denn dazu schreiben? Ein gutes Beispiel ist unsere Kategorie „Happy Hour“. Einerseits habe ich erst kürzlich ein Buch gelesen, das so schlimme Zustände in der Welt sichtbar gemacht hat, dass ich dazu nichts trinken wollte, weil mir sonst schlecht geworden wäre. Das Buch heißt „Das weibliche Kapital“ von Linda Scott und beschäftigt sich mit der wirtschaftlichen Benachteiligung von Frauen. Aber es gab auch Gelegenheiten, da habe ich ein Buch gelesen, bei dem danach ich voll Bock auf Süßkartoffelsuppe hatte.
Carlotta: Ach das kommt ganz drauf an. Es gibt Bücher, da fällt mir schon beim Lesen ein, was ich in eine Kategorie einschließen muss und manchmal fällt das etwas schwerer. Das ist aber auch nicht schlimm, denn im Notfall passt zu allen Büchern ein Aperol Spritz!
Jana: Leider können wir gerade nicht zusammen darauf anstoßen.
PK: Vielleicht kann ich direkt daran anknüpfen: Wie gelingt eure Zusammenarbeit mit Corona und der räumlichen Distanz Saarbrücken (Jana) – Berlin (Carlotta)?
Jana: Wir haben konkrete Strukturen und treffen uns ein bis zwei Mal in der Woche zum virtuellen Team-Meeting per Videokonferenz. Außerdem haben wir einen Redaktionsplan, der uns die Arbeit total erleichtert und eine klare Aufteilung zuweist: Eine Woche hat Carlotta die Verantwortung für Rezension und Social Media, die andere Woche bin ich dran. Das entlastet sehr. Das klappt ziemlich gut.
Der herausfordernde Teil ist eher, die Freundschaft gleichzeitig aufrecht zu erhalten. Denn wenn Carlotta und ich quatschen, ist das Hauptthema immer der Blog. Sich extra die Zeit zu nehmen, über andere Dinge zu reden, ist echt schwierig. Wir müssen uns wirklich die Zeit beim Telefonieren nehmen und da dürfen dann die Wörter „Boob Books“ oder „Blog“ nicht fallen.
PK: Ihr veröffentlich ja jede Woche eine neue Rezension. Wie schafft ihr es, so viel zu lesen?
Carlotta: Wir veröffentlichen einmal pro Woche eine Rezension. Dafür müssen wir natürlich viel lesen. Ich blocke mir am Wochenende ein Zeitfenster und versuche auch unter der Woche, wenn ich unterwegs bin oder so, zu lesen. Dann heißt es: Heute bleiben die Kopfhörer zuhause und stattdessen wird ein Buch eingepackt.
Jana: Bei mir ist es umgekehrt. Ich promoviere in einem literaturwissenschaftlichen Fach und lese unglaublich viel Zeug für die Uni. Für mich ist das absolute Entspannung und „Me Time“, wenn ich abends für den Blog Bücher lese.
Ich würde mich wahnsinnig gerne mit J. K. Rowling treffen. Sie ist in den letzten Monaten ja vermehrt in die Schlagzeilen gelangt, aufgrund ihrer kritischen Statements zum Thema Transsexualität. Ich muss sagen, dass ich sehr enttäuscht von ihr bin und Harry Potter für mich ein Stück weit ruiniert ist.
Carlotta von Boob Books
PK: Mit welcher Autorin wollt ihr mal einen Kaffee oder ein Bier trinken gehen?
Jana: Ich würde super gerne mal mit Katja Lewina sprechen, die „Sie hat Bock“ geschrieben hat. Die Frau ist einfach nur sehr cool und mich würde interessieren: Wie kann man so mutig werden, über so Themen zu sprechen? Und ich würde sehr gerne meine Herzensautorin Jeanette Winterson treffen, über die ich auch meine Masterarbeit geschrieben habe.
Carlotta: Ganz ehrlich: Ich würde mich wahnsinnig gerne mit J. K. Rowling treffen. Sie ist in den letzten Monaten ja vermehrt in die Schlagzeilen gelangt, aufgrund ihrer kritischen Statements zum Thema Transsexualität. Ich muss sagen, dass ich sehr enttäuscht von ihr bin und Harry Potter für mich ein Stück weit ruiniert ist. Trotzdem würde ich gerne mit ihr schnacken und sie mit ihren eigenen Statements konfrontieren. Ob das was bringen würde, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Jana: Wir hatten aber auch durch den Blog schon die Chance, mit ein paar Autorinnen zu sprechen, deren Bücher wir auch rezensiert haben. Das ist eigentlich ganz schön. Mit Naomi Ryland und Lisa Jaspers, die „Starting a Revolution“ geschrieben haben, kamen wir beispielsweise über den Verlag in Kontakt. Die haben uns ein Interview angeboten und wir waren natürlich sofort dabei. Inzwischen machen wir das immer so, dass wir über den Verlag anfragen. Oder wir machen es ganz unkonventionell und etwas dreist wie bei Eva Sichelschmidt. Wir sind einfach in ihr Geschäft für Zigarren und Whiskey in Berlin gegangen. Sie hat natürlich sofort gemerkt, dass wir weder Zigarren noch Whiskey kaufen wollten. Dann haben wir etwas rumgeeiert und sie meinte: „Ja kommt: Warum seid ihr hier?“. So kamen wir zu einem Interviewtermin…
PK: Wir vom Populärkollektiv sind absolute Leseratten. Habt ihr einen Buchtipp, den jede*r gelesen haben sollte?
Jana: Ich würde „Sie hat Bock“ empfehlen, weil es so viele feministische Themen behandelt.
Carlotta: „Girl, Woman, Other“ von Bernadine Evaristo. Ein absolutes Träumchen! Rezension kommt auch bald raus!
PK: Gibt es aus eurer Sicht ein Thema, das zu wenig behandelt wird in der Literatur – vor allem im Hinblick auf Female Empowerment?
Jana: Ich würde gerne mal ein richtig aufklärendes Buch im Stil von Katja Lewina zum Thema Abtreibung lesen wollen. Das Buch sollte klar zeigen, wie Frauen damit zu kämpfen habe. Ihr Stil ist besonders, da sie wirklich kein Blatt vor den Mund nimmt. Das wäre wichtig und kann man auf so viele Themengebiete ausweiten. Das Thema Transfrauen ist auch noch sehr unsichtbar.
Carlotta: Das Thema Female Empowerment wird immer sichtbarer. Woran wir glaube ich noch arbeiten können, ist die Intersektionalität der Thematik. Intersektionalität bedeutet, dass verschiedene Diskriminierungskategorien überschneiden. Das bedeutet, dass eine Woman of Colour immer noch andere Diskriminierungserfahrungen sammelt, als eine weiße Frau*. Für mich ist das literarisch immer noch zu wenig erfasst.
Es wird einfach nicht so viel von Frauen* rezensiert. Man(n) gibt ihnen keine Stimme.
Jana von Boob Books
PK: Gibt es aus eurer Sicht Leerstellen bei der Besprechung von Autorinnen*?
Jana: Generell gibt es eine Leerstelle in Bezug auf Buchbesprechungen von Autorinnen*. Es wird einfach nicht so viel von Frauen* rezensiert. Man(n) gibt ihnen keine Stimme. Was mir insgesamt auch so ein bisschen bei Rezensionen fehlt, ist die Beschreibung, unter welchen Umständen die Autorin das Buch geschrieben hat. Vielleicht hatte sie gerade eine Geburt oder eine Fehlgeburt hinter sich. Mich würde interessieren: Was war ihr Mental State beim Schreiben? Das könnte man natürlich auch umgekehrt für die Männer* sagen.
Carlotta: Ich glaube, dass ich nicht unbedingt jedes Buch immer in den Kontext der Lebensumstände eines Autors oder einer Autorin setzen möchte. Mich interessiert das bei männlichen Autoren auch nicht so wahnsinnig doll. Frauen* sollen auch immer noch Kunst erschaffen können ohne, dass alles in Bezug auf ihre Weiblichkeit ausgelegt wird. Nichtsdestotrotz finde ich, dass Autorinnen* als Vorbild für viele junge Frauen* gelten können und dass das ein oder andere Porträt einer Autorin im Feuilleton sicher nicht fehl am Platz wäre.
PK: Was sind eure Pläne für die Zukunft?
Jana: Das ist eine spannende, aber auch schwierige Frage. Wir haben Boob Books als Fun-Projekt gestartet und haben unterschätzt, wie viel Potenzial dahintersteckt. Für mich ist Boob Books etwas, das was ich sehr gerne weiterentwickeln möchte in Richtung einer Plattform für Female-Empowerment-Themen.
Carlotta: Ich muss momentan schauen wie ich Boob Books mit meinem Studium vereinbaren kann. Jura ist bekanntlich ja nicht so ein easy-going Studium und darauf liegt momentan erstmal mein Fokus. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass mir Zeit zum Lesen und Schreiben erhalten bleibt.
PK: Vielen Dank für das Interview. Ihr habt auch eine Rezension für unseren Blog geschrieben.
Jana: Ja genau. Wir haben für euch „Sie hat Bock“ von Katja Lewina ausgesucht. Sie ist Kolumnistin und Journalistin. Ich fand das Buch klasse, unter anderem, weil es mir aufgezeigt hat, wie verklemmt ich eigentlich bin – obwohl ich mich als unverklemmt bezeichnen würde. Sie ist komplett schonungslos. Viel Spaß beim Lesen.
Das Interview führte Valeska am 17. November 2020
Beitragsbild: Unsplash @itfeelslikefilm
Die Rezension von Jana zu „Sie hat Bock“ von Katja Lewina findet ihr hier.
2 Gedanken zu “Dürfen wir vorstellen: Boob Books”