Wer wie ich in den 90er-Jahren geboren wurde, wird es vielleicht noch aus der Kindheit kennen: Serien wie Pokémon, Digimon oder Sailor Moon liefen in den frühen 2000ern im Nachmittagsprogramm von RTL2 rauf und runter. Doch noch lange nicht alle 90s-Kids haben diese Serien so geprägt wie mich, denn ich bin auch heute noch ein großer Fan von Animes.
© Nintendo, Creatures, GAME FREAK, TV Tokyo, ShoPro, JR Kikaku © Akiyoshi Hongo, Toei Animation
Anime – Was war das nochmal genau?
Den Begriff Anime dürften die meisten kennen: Es handelt sich hierbei um Zeichentrickfilme oder -serien, die in Japan produziert wurden. Animes bilden das Pendant zu Mangas, den japanischen Comics. In Japan sind Anime und Manga ein riesiger Teil der Popkultur und werden von allen Altersgruppen konsumiert. Auch im Westen ist Anime längst keine Randerscheinung mehr, wird aber häufig immer noch belächelt. Aber warum sind es ausgerechnet die japanischen Zeichentrickproduktionen, die mich so für sich eingenommen haben?
Zuallererst spricht mich die Ästhetik von Animes an. Natürlich sehen nicht alle Animes gleich aus und es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Produktionen, aber der generelle Look gefällt mir sehr.
© Studio Ghibli © CoMix Wave Films
Animes werden in Japan produziert und kommen nicht, wie ein großer Teil der Popkultur, die ich sonst konsumiere, aus dem Westen bzw. speziell aus Amerika. Deshalb unterscheidet sich die Art der Produktion und des Storytellings von dem, was ich sonst schaue. Die kulturellen Codes, Mythen oder Konventionen, auf denen die Geschichten basieren, sind andere und deshalb empfinde ich Animes oft als originell und unkonventionell. Es gibt auch Animes, deren Grundideen komplett abgedreht sind. In One Punch Man geht es zum Beispiel um einen Superhelden, der alle seine Gegner mit einem einzigen Schlag besiegen kann. Klingt albern? Vielleicht. Man muss natürlich nicht alles mögen, was im Bereich Anime produziert wird, aber mir gefällt es einfach, wenn ich überrascht werde. Und da im Anime so viel möglich ist, ist die Chance hoch, auf etwas zu stoßen, was man noch nie gesehen hat. Natürlich lassen sich auch ernste, traurige und sehr tiefsinnige Geschichten finden. Anime-Charaktere sind außerdem meistens sehr gut ausgearbeitet und haben einzigartige oder manchmal auch überzeichnete Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und äußerliche Merkmale, was sie einprägsam und ikonisch macht.
© K. Horikoshi/ Shueisha
Problematiken im Anime
Natürlich kann man so gut wie nichts uneingeschränkt feiern. Animes haben in meinen Augen ein ganz gravierendes Problem: ihre Genderdarstellungen. Das fängt schon damit an, dass Anime-Gattungen explizit auf nur ein Geschlecht als Zielgruppe ausgerichtet sind. Hauptsächlich wird im Anime zwischen folgenden Gattungen unterschieden:
- Kodomo: Produktionen für jüngere Kinder.
- Shōnen: Produktionen für männliche Jugendliche, oft den Genres Action, Science-Fiction und Fantasy zuzuordnen.
- Shōjo: Sendungen für weibliche Jugendliche, oft Liebesgeschichten.
- Seinen: Primäre Zielgruppe sind Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, meist mit anspruchsvolleren, erotischeren oder gewalthaltigeren Inhalten.
- Josei: das weibliche Gegenstück zu Seinen. Behandelt oft den Alltag oder auch das Berufs- und Liebesleben von jungen Frauen.
Ich finde es problematisch, Geschichten so explizit an nur ein Geschlecht zu richten. Die meisten Animes, die mir gefallen, lassen sich der Gattung Shonen zuordnen, die Zielgruppe wurde bei mir also schon mal verfehlt. Auch die Darstellung von Frauenrollen sind oft problematisch, vor allem in Shonen- und Seinen-Animes, da Frauen wie so oft passiv dargestellt und auf ihre Körper reduziert werden. Aber natürlich kann man das nicht verallgemeinern, es gibt auch einige Animes, die ungezwungen mit Sexualität und Geschlecht umgehen und sich nicht so einfach einer der Gattungen zuordnen lassen. Die Darstellung von Frauen hat mich allerdings schon bei ein paar Animes gestört, zum Beispiel bei Misa aus der beliebten Serie Death Note, die immer halb-nackt und ihrem Freund Light definitiv zu treu ergeben ist.
©Tsugumi Ohba, Takeshi Obata © VAP • NTV • Madhouse / Shueisha
Meine Anime-Empfehlungen
Alle Hardcore-Anime-Fans muss ich an dieser Stelle enttäuschen: Meine Tipps sind eher die bekannteren Serien und Filme, die erfahrene Anime-Fans wahrscheinlich schon kennen. Doch für die unter euch, die einen Einstieg in das Thema suchen, ist eine meiner Empfehlungen bestimmt passend. Da zum Glück auch Netflix das Potenzial von Anime erkannt hat, sind alle meine Empfehlungen bei dem Streaming-Anbieter zu finden.
Anime-Serien
Haikyuu!!
Sportanimes sind bei Sportmuffeln sowie Sportfans gleichermaßen beliebt. Mein Favorit Haikyuu!! dreht sich um das Volleyball-Team einer Oberschule, das als typische Gruppe von Underdogs startet und durch hartes Training immer besser wird und in immer anspruchsvolleren Turnieren antreten kann. Ich bin insgesamt kein großer Fan von Sport und erst Recht nicht von Volleyball und trotzdem macht Haikyuu!! mir einfach großen Spaß. Wer genaueres darüber wissen will, kann sich auf meinen Beitrag in zwei Wochen freuen, in dem ich dieses Thema nochmal intensiver untersuchen werde.
Assassination Classroom
Hier haben wir direkt eine Serie, die in die oben genannte Kategorie „Absurdität“ fällt. Assassination Classroom ist eine Action/Comedy-Serie, die sich um eine Schulklasse dreht, die die Aufgabe hat, ihren Octuptus-ähnlichen Lehrer Koro-sensei zu töten, weil dieser mit der Zerstörung der Erde droht. Den Humor muss man mögen, aber ich fand die Serie unglaublich lustig, unkonventionell und die Charaktere sehr stark. Wer sich drauf einlässt, kann eine Menge Spaß mit Koro-sensei und seinen Schülern haben!
Erased
Der Seinen-Anime Erased kommt mit weniger Action aus und überzeugt dafür mit einer interessanten, berührenden und gut erzählten Geschichte. Der 29-jährige Autor Satoru kann in die Vergangenheit reisen, um kritische Ereignisse zu verändern oder rückgängig zu machen. Diese Fähigkeit kann er allerdings nicht bewusst einsetzen. Als er 18 Jahre zurück reist, wird er mit Ereignissen aus seiner Kindheit konfrontiert. Die Serie ist hauptsächlich Thriller mit kleinen Fantasy-Elementen. Die Zeitreise-Trope ist wirklich gut umgesetzt und die Story hat einige Überraschungen auf Lager.
Fullmetal Alchemist: Brotherhood
Kommen wir zu meiner absoluten Lieblingsserie im Bereich Anime. Fullmetal Alchemist: Brotherhood erzählt die Geschichte von Edward und Alphons, zwei Brüdern, die als kleine Kinder bei dem Versuch, ihre tote Mutter durch Alchemie wieder zum Leben zu erwecken, ihre Körper bzw. Teile davon verloren haben. Jetzt sind sie auf der Suche nach dem Stein der Weisen, um ihre ursprünglichen Körper zurückzubekommen. Dieser Anime hat wirklich alles: Eine durchgehend spannende und phantastische Geschichte, Action, tolle Charaktere und jede Menge Emotionen. Wer Fantasy auch nur ein kleines bisschen abgewinnen kann, sollte sich Fullmetal Alchemist: Brotherhood nicht entgehen lassen.
Anime-Filme
Der Junge und das Biest
Der Junge und das Biest war für mich eine Überraschung, denn von der Story an sich habe ich gar nicht allzu viel erwartet: Ein Weisenjunge Kyuta wird von dem bärenartigen Kumatetsu adoptiert. Kumatetsu lebt im magischen Königreich der Biester und macht Kyuta fortan zu seinem Lehrling. Die Charaktere sind interessant und ambivalent geschrieben und vor allem die Beziehung von Kyuta und Kumatetsu fand ich auf Grund der ruppigen und grantigen Art von Kumatetsu abwechslungsreich und ungewöhnlich. Die Geschichte erstreckt sich bis in das Erwachsenenalter von Kyuta hinein, sodass Platz für interessante Entwicklungen der Charaktere und der Beziehungen zwischen ihnen gelassen wird.
Bescheidene Helden
Der zweite Spielfilm vom Studio Ponoc, das als Nachfolger von Studio Ghibli gilt, ist eine Anthologie, in der drei unterschiedliche Regisseure in drei Kurzfilmen von verschiedenen Arten von Alltagshelden erzählen. Kanini & Kanino ist ein eher fantastischer Film und erzählt von einer Familie von winzigen Menschen, die im Wasser leben. In Life Ain’t Gonna Lose ist der Protagonist ein kleiner Junge, der an einer gefährlichen Eier-Allergie leidet. In Invisible geht es um einen unsichtbaren Büroangestellten. Drei sehr innovative Ideen, von denen ich gar nicht sagen kann, welche mir am besten gefallen hat.
Your Name
Für mich glänzt Your Name vor allem auf Grund seines wunderschönen Animationsstils. Und auch die grandios erzählte Coming-of-Age-Geschichte um Mitsuha, eine Oberschülerin vom Land und Taki, ein Oberschüler aus Tokio, die in unregelmäßigen Abständen im Körper der jeweils anderen Person aufwachen, ohne einander je begegnet zu sein, ist etwas ganz besonderes. Die Geschichte ist gleichzeitig lustig, traurig und wunderschön. Mit Your Name hat der Regisseur Makoto Shinkai einen unglaublichen Erfolg hingelegt. Der Film war eine weltweite Sensation und ist nach Einspielergebnissen an den Kinokassen inzwischen der erfolgreichste Anime aller Zeiten.
Chihiros Reise ins Zauberland
Natürlich kann und will ich keinen Text über Anime beenden, ohne nochmal explizit Studio Ghibli erwähnt zu haben. Das Studio ist wahrscheinlich selbst denen ein Begriff, die kaum Interesse an Anime haben, denn es produziert seit den 80er-Jahren international gefeierte und erfolgreiche Filme. Ich könnte jeden der 23 Filme empfehlen, habe mich jedoch hier – sozusagen als Stellvertreter – für meinen Lieblingsfilm Chihiros Reise ins Zauberland entschieden. Die Geschichte um die kleine Chihiro, deren Eltern in Schweine verwandelt werden und die sich daraufhin allein in einer ihr fremden Welt zurechtfinden muss, verzaubert mich schon seit meiner Kindheit. Und übrigens: Studio Ghibli schreibt die besten weiblichen Figuren und das schon seit den 80ern, don’t @ me!
Vielleicht hat euch ja die ein oder andere Empfehlung von mir angesprochen. Hinter Animes verbergen sich oft tolle Geschichten, die – entgegen einem großen Teil der öffentlichen Meinung – nicht nur etwas für Kinder sind. An die Anime-Fans unter euch: Habt ihr noch Empfehlungen für mich?
3 Gedanken zu “Anime: Einführung & meine Empfehlungen”