„Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“

Corona-Pandemie, Klimakrise, Ukraine-Krieg… die Krisen und Konflikte stapeln sich und gefühlt kommen täglich neue schlechte Nachrichten auf uns zu. Während sich draußen in der Welt die ganzen negativen Dinge zu einem gewaltigen Sturm zusammenbrauen, sitze ich acht Stunden im Homeoffice und arbeite. Ganz ehrlich: Im Herbst/Winter 2021/22 habe ich nur gearbeitet, gegessen und geschlafen – und war am Ende. Ich konnte nicht mehr. Genau zu dieser Zeit begann die Journalistin Sarah Weber ihr neues Buch zu schreiben, das Anfang 2023 erschienen ist. Der Titel spricht für sich: „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ Ich hab dieses Buch verschlungen, mir zahlreiche Sätze markiert und bin absolut begeistert. Ich würde dieses Buch allen sofort empfehlen – egal, ob meiner kleinen Schwester, die noch studiert, meinen guten Freund:innen, die gerade im Berufsleben eingestiegen sind oder meiner Mutter, die in ein paar Jahren in die Rente geht.

Wir vom Populärkollektiv haben zum 1. Mai unsere Gedanken zum Thema Arbeit geteilt. Hier könnt ihr unseren Gemeinschaftsbeitrag lesen. Nun aber zum Buch von Sara Weber:

Um was geht es?

Sara Weber wirft in ihrem Buch die grundlegenden Fragen zur Zukunft der Arbeit auf. Sie fragt sich beispielsweise: Was wäre, wenn wir alle weniger arbeiten? Was wäre, wenn Arbeit wirklich gleichberechtigt wäre? Was wäre, wenn wir uns mal nicht für den Traumjob kaputt arbeiten? Können wir aus dem kollektiven Burnout entfliehen? Wie wird unsere Arbeitswelt besser? Anhand verschiedener Fragen strukturiert sie ihr Buch. Eins wird sofort deutlich: Wir schaffen es nicht aus dem Hamsterrad durch Achtsamkeit und Self-Care. Die Autorin verlangt große gemeinsame Anstrengungen und systemische Veränderungen, um das kollektive Burnout zu verhindern.

Neben Leistungsdruck kommen existenzielle Ängste. Generation Praktikum, befristete Verträge und ein Gehalt, das gerade so zum Leben reicht – vor allem dank gestiegenen Kosten in allen Lebensbereichen.

Früher war das Versprechen von Arbeit klar: Wer hart arbeitet, wird es mal besser haben. (…) Dieses Versprechen funktioniert nicht mehr. Junge Menschen arbeiten und arbeiten, aber können sich trotzdem nicht leisten, eine Immobilie zu kaufen, weil alles viel zu teuer geworden ist. Wir wissen nicht, ob wir irgendwann eine Rente bekommen, von der wir leben können.

Sara Weber

Und haben wir dank Klimakrise dann überhaupt einen lebenswerten Planeten? Was können konkrete Lösungen sein? Die Autorin sieht die Lösung nicht darin, dass wir mehr Arbeiten (42-Stunden-Woche oder späteres Renteneintrittsalter). Das würde nach Sara Weber weder den Fachkräftemangel lösen, noch gesund sein. Ihre Idee: Wir sollten alle (viel) weniger arbeiten! (Stichwort Vier-Tage-Woche). Dies steigere nicht nur die Produktivität und Motivation, sondern bringe auch mehr Entlastung in unseren Alltag. Der zusätzliche freie Tag lasse uns mehr Spielraum und Zeit für Dinge, die wir wirklich gerne machen.

Für mich sind ihre Ausführungen zum Thema Homeoffice und Remote Work sehr spannend. Sara Weber macht deutlich, dass es keinen Sinn ergibt, das Büro im Homeoffice nachzuahmen. Viele kennen es wahrscheinlich selbst: Im Homeoffice fällt es schwerer, abzuschalten und Ruhezeiten einzuhalten. Es brauche laut Autorin Leitplanken für Unternehmen und Belegschaft, mehr Gerechtigkeit und Möglichkeiten für Teilhabe.

Indem es klare Regelungen dafür gibt, wie gute Arbeit bewehrt wird, und indem Unternehmen die Leitplanken schaffen, damit ihre Mitarbeiter*innen nicht immer die eigenen Grenzen verteidigen müssen.

Sara Weber

Durch Homeoffice gewinnen viele Arbeitnehmer*innen mehr Flexibilität, doch nicht alle Personen können von zu Hause aus arbeiten. Sara Weber hat auch dafür eine Idee: Für Berufe beispielsweise in der Pflege, im Bauwesen oder im (Lebensmittel-)Einzelhandel solle es einen zeitlichen Ausgleich für alle geben, die nicht ins Homeoffice gehen können. So haben auch sie freie Tage für Vorsorgetermine oder Termine beim Amt.

Als grundlegendes Fazit schließt Sara Weber, dass sich die Arbeit um unser Leben herum arrangieren muss und nicht andersherum. Wir könnten nicht so weitermachen wie bisher. Für viele von uns funktioniere die Arbeitswelt nicht mehr so. Das betrifft vor allem die jüngeren Generationen und Frauen, die ein Großteil der Care Arbeit übernehmen. Unsere jetzige Welt funktioniere nur bei denen, die sie geschaffen haben. Wir haben wohl alle ein Bild vor Augen, wer das sein könnte…

Arbeit muss nicht so sein, wie sie heute ist. Sie muss uns nicht kaputtmachen. Also lasst und verändern, wie wir arbeiten. (…) Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Klimaschutz müssen in unserer neuen Arbeitswelt im Vordergrund stehen.

Sara Weber

Mein Fazit

Ich kann dieses Buch von ganzem Herzen allen empfehlen. Sara Weber schreibt ihr Sachbuch in einem unglaublich fesselnden Sprachstil. Ihre Ausführungen sind wissenschaftlich, werden aber auch durch persönliche Erfahrungen anderer ergänzt.

Ich habe schon lange kein Sachbuch mehr gelesen, wo ich bei fast jedem Satz zustimmend mit dem Kopf genickt habe. Auch wenn der Titel doch etwas effekthascherisch ist, bin ich vom Innenleben des Buches absolut begeistert. Ich habe mich selbst an vielen Stellen wiedererkannt und viele neue Impulse mitgenommen. Hoffentlich lesen viele Menschen dieses Buch und lassen sich von den Ideen inspirieren. Wir brauchen Veränderungen in unserer Arbeitswelt, Sara Webers Buch zu lesen, ist ein erster wichtiger Schritt.

Ihr könnt euch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ auch auf Spotify anhören.

Beitragsbild: KiWi Verlag

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