Wer mich besser kennt, weiß, dass ich Gesellschaftsspiele liebe. In meiner langjährigen WG haben wir so viele Spiele gespielt, dass ich dazu sogar einen Artikel geschrieben habe. Und wie vermutlich viele Spiel-Enthusiast*innen habe ich mich gefragt, wer diese Spiele eigentlich erfindet. Nach einer Exit-Game-Einlage an Silvester fielen mir auf der Verpackung zwei Namen auf: Inka und Markus Brand. Ein Pärchen hat das Spiel erfunden? Das hat mich besonders fasziniert und deswegen habe ich die beiden mal interviewt.
Also ihr beiden, wie seid ihr dazu gekommen, Gesellschaftsspiele zu erfinden?
M&I: Für uns beide war, unabhängig voneinander, Spielen immer eine nette Freizeitbeschäftigung. Wir haben uns jedes Jahr Spiele zu Geburtstagen und zu Weihnachten gewünscht. Ja, und dann haben wir uns auch über die Spiele kennengelernt. Auf einer Hochzeit von gemeinsamen Freund*innen saßen wir zufällig nebeneinander und irgendwann im Laufe des Abends kam das Gespräch aufs Thema „Spiele“.
Da wurde Markus hellhörig, weil Inka 300 Spiele im Regal hatte, regelmäßig zur Spielemesse fuhr und Fachzeitschriften las. Das waren alles Dinge, von denen Markus noch nie was gehört hatte. Die beiden verabredeten sich zum Spieleabend. Aus einem Spieleabend wurde noch einer und noch einer. Eins kam zu anderen und bald waren die beiden ein Paar. Zum Geburtstag schenkte Inka Markus ein Spiele-Wochenende im Sauerland.
M&I: Das wurde vom Kosmos-Verlag organisiert und war in einem Hotel, in dem 24/7 Spiele gespielt wurden. Wir waren unter anderem bei einem Workshop, bei dem man Prototypen testen konnte, also unveröffentlichte Spiele. Wir haben uns das angeschaut und fanden es so spannend, dass wir noch im Hotel im Sauerland gesagt haben: „Das machen wir auch mal!“. Auf der Rückfahrt haben wir schon an den ersten Ideen rum gesponnen und direkt zuhause angefangen zu testen und zu basteln.
Der Kosmos-Redakteur, der auch diesen Workshop geleitet hatte, war im Prinzip unser einziger Kontakt in die Spiele-Szene. Deswegen haben wir ihm unsere ersten Prototypen geschickt und er hat uns bei der Stange gehalten. Er hat wohl ein bisschen Potenzial in dem gesehen, was wir gemacht haben. Er hat immer behauptet, es wäre kein Programmplatz frei, aber wir sollten auf jeden Fall weitermachen. So hat er uns sieben lange Jahre hingehalten. Bis wir dann unser erstes Spiel tatsächlich veröffentlicht haben. Das war 2006.
Mittlerweile haben Inka und Markus circa 150 Spiele veröffentlicht. Im Jahr läuft das auf etwa 14 Spiele hinaus. Die aktuell bekanntesten Spiele der beiden sind vermutlich die Exit-Games.
Alle Exit-Games sind ja von euch, wie ist es dazu gekommen?
M&I: Das war eine Auftragsarbeit. Der Kosmos-Verlag hat damals gesagt, sie hätten gern Spiele zum Thema Escape Room und hat uns gefragt, ob wir die entwerfen könnten. Sie haben uns ein ausführliches Briefing gegeben, was Material, Zielgruppe, etc. angeht. So wussten wir schon im Vornherein, in welche Richtung wir entwickeln sollen: Es soll ein kleines Spiel sein, weil es als eine Einmal-Geschichte gestaltet sein soll. Wenn man für 40 Euro ein Spiel kaufen muss, was man dann nur einmal spielen kann, das tut schon weh. Bei 12 Euro verkraftet man das schon eher.

Doch nicht nur Inka und Markus erfinden Spiele. Auch ihre Kinder sind schon veröffentlichte Spieleautor*innen.
Eure Kinder haben das Spiel Mogelmotte erfunden… Wie haben sie das gemacht? War das für sie einfacher, weil sie euch dabei zusehen und generell, wie erfindet man Spiele?
M&I: Na gut, es ist natürlich ein Vorteil, spielaffine Eltern zuhause zu haben. Es hatten sicherlich schon viele Kinder tolle Ideen im Kinderzimmer, aber das stößt bei manchen Eltern nicht so auf Gehör. Da bleibt eine Idee auch schon mal im Kinderzimmer.
Bei uns war es so, dass die Kinder sich in ihrem Zimmer schlapp gelacht haben. Unser Sohn hat eine sehr, sehr ansteckende Lache, sodass wir im Esszimmer saßen und mit gelacht haben, ohne zu wissen, warum. Irgendwann haben wir nachgeschaut und gesehen, dass die beiden ganz viele Zettel beschrieben hatten und mit denen spielen. Die haben sich quasi ihren eigenen Prototypen gebaut. Wir haben uns das Spiel erklären lassen und mit den Kindern gespielt. Wir haben ihn dann auch gesagt, dass das generell eine super Idee ist, die man tatsächlich auf den Markt bringen könnte. Aber nicht mit 500 Karten, weil die beiden hatten von einem Notizzettel-Blöckchen jeden einzelnen Zettel zur Spielkarte umgewandelt. Deswegen haben wir gesagt: „Da müsstet ihr überlegen, welche Karten man wirklich braucht und welche nicht.“ Die beiden haben nochmal ein bisschen an den Regeln gearbeitet, damit diese etwas eindeutiger werden. So haben wir sie ein bisschen in die richtige Richtung geschubst.
Als der Prototyp ausgereift war, setzte sich Inka mit den Kindern an den Computer und entwarf einen Prototypen, den sie auf der nächsten Messe dem Verlag zeigten. Mittlerweile hat das Spiel mehrere Preise gewonnen, unter anderem den deutschen Kinderpreis 2012.
Und wie erfindet ihr eure Spiele? Genauso?
M&I: Wir fangen immer mit einem leeren Blatt Papier an, wenn wir eine Idee haben. Dann sitzen wir am Küchentisch, ein leeres Blatt zwischen uns, und kritzeln darauf herum. Erste Ideen und Spielzüge entstehen so auf dem Papier. Irgendwann holt jemand ein paar Spielfiguren, Würfel, was auch immer gerade benötigt wird, und wir probieren wild aus. Wenn wir merken, dass es sich lohnt, daran zu arbeiten, gehen wir mehr ins Detail und Inka bastelt (dafür ist immer Inka zuständig) einen spielbaren Prototypen. Wir verfeinern alles stetig weiter, bis wir irgendwann das Gefühl haben: „Ja, so kann man das irgendwem zeigen“. Da kommt unsere Tochter auf den Plan, die ist immer unsere Ersttesterin.
Wenn es ihr gefällt, dann zeigen wir es unseren Testgruppen, die wir normalerweise (wenn nicht gerade Corona ist) einmal die Woche hier im Haus haben. Schließlich werden die Spielregeln geschrieben und das Ganze an den Verlag geschickt. Danach muss man abwarten und Daumen drücken, dass es angenommen wird. Das ist ähnlich wie bei Buchautor*innen, auch bei Spielen schaut ein/e Redakteur*in drüber. Und wenn der/die Redakteur*in es für geeignet hält, testen sie intern in der Redaktion weiter an den Spielen. Irgendwann entscheiden sie sich für ein paar Titel, die in einer Programmkonferenz vorgestellt werden, wo auch der Vertrieb und das Marketing dabei ist, weil hier alle mitzureden haben. Die entscheiden dann letzten Endes, welche Titel veröffentlicht werden und welche nicht.
Also muss man auch viel Geduld haben, wenn man so ein Spiel macht. Man muss auch mit Enttäuschung zurecht zurechtkommen. Wir haben sieben Jahre lang ganz erfolglos entwickelt.
Habt ihr beide Lieblingsspiele, die ihr am liebsten entwickelt?
Markus: Also ich hab Lieblingsspiele tatsächlich, weil ich gerne auch diese deduktiven Elemente mag, wo man eben eher so ein bisschen Detektiv*in spielt und Täter*innen herausfinden muss. Deswegen hab ich „Der Tote im Orient-Express“, „Raub auf dem Mississippi“ und unser neues Exit Game (was jetzt im Frühjahr kommt): Die „Entführung in Fortune City“. Das sind so meine Liebsten, weil man da noch ein übergeordnetes Gesamträtsel hat, bei dem man den Täter ausfindig machen muss.
Inka: Ich mag „Der verwunschene Wald“ sehr gerne, weil es eine schöne Thematik hat. Das ist tatsächlich auch etwas, was beim Erfinden dann sehr beflügelt.
Welche Spiele empfehlt ihr für Leute, die keine Spiele mögen?
M&I: Also generell, wenn Leute Spiele nicht mögen, dann sind wir der Meinung, haben sie nur noch nie das richtige Spiel gespielt. Ganz viele werden groß mit Monopoly und Mensch ärgere dich nicht und glauben, das ist alles, was es gibt. Und dass es zum guten Ton gehört, Monopoly gespielt zu haben. Wenn einem das nicht gefällt, dann ist man mit Spielen manchmal dann auch schon durch. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass ganz viele einfach nur noch nicht das richtige Spiel gespielt haben. Sonst wüssten sie, wie schön Spielen eigentlich sein kann.
Für Leute, die gar nicht gerne spielen, würden wir immer eher ein wirklich leicht zugängliches, aber nicht banales Spiel empfehlen. Da ist tatsächlich auch immer die Empfehlung des „Spiel des Jahres“, also das Spiel mit der Auszeichnung, geeignet. Da kann man eigentlich nie viel verkehrt machen. Das ist immer ein Titel, der eben auch den wenig-Spielenden durchaus anspricht.
Und von euren Spielen?
M&I: Für jemanden, der nicht so gerne spielt, ist mit Sicherheit „Nochmal“ ein schönes Würfelspiel mit ganz einfachen Regeln. Oder „La Boca“, das ist aber gerade nicht im Handel.
Als leidenschaftliche Spielende: Wie geht man mit Streiten während des Spieles um?
M&I: Also wir streiten nicht, wenn dann zickeln wir. Drücken uns irgendwelche Sprüche rein, nach dem Motto „War ja klar, dass du keine Chance gegen mich hast“, oder so. Aber streiten tun wir nie. Man soll das als sportlichen Wettkampf sehen und wenn man das so ehrgeizig nimmt, dass man danach oder dabei streitet, dann ist Spielen vielleicht doch nicht das Richtige?
Schön gesagt! Gibt es etwas, dass ihr den Leuten noch für die nächste Zeit mitgeben wollt?
M&I: Wir hoffen natürlich, dass ganz viele jetzt, während Corona, auf den Trichter kommen, dass Spielen eine ganz tolle Sache ist und dann auch am Ball bleiben.
Vielen Dank an Markus und Inka für das Interview! Wenn ihr mehr über die beiden erfahren wollt, schaut doch mal auf ihrer Webseite vorbei: https://www.inka-und-markus-brand.de/
Titelbild: Theresa Koehnsen
Ein Gedanke zu “Wie man Spiele erfindet – mit den Erfinder*innen der Exit-Games”