Machiavelli und die Lieblingsspiele meiner WG

Schon mal überlegt, wo man praktische Kriegstipps von zweifelhaften Politikgenies aus dem 16. Jahrhundert so im Alltag anwenden kann? Ich auch. Vor kurzem, bei einem sehr intensiven Spiel von Exploding Kittens, bei dem es ein hartes Kopf and Kopf-Rennen zwischen zwei meiner Mitbewohner gab, kam mir dann die Idee. Während es bei den beiden nur noch darum ging, glaubhaft zu bluffen, dass er/sie die besseren Karten habe und damit den anderen in Panik zu versetzen, überlegte ich, was Machiavelli wohl gemacht hätte.

Tja, und darüber bin ich dann darauf gekommen, wie sich Machiavelli wohl in den Lieblingsspielen meiner WG generell geschlagen hätte. Deswegen sind wir jetzt hier. Vielleicht nehmt ihr ja auch den ein oder anderen Tipp für effektives Spielen mit… Wenn ihr bessere und/oder weitere Ideen habt, lasst sie in den Kommentare da!

Aber erstmal: Was hat Machiavelli so grob gesagt?

Niccolo Machiavelli war ein italienischer Politiker, Philosoph, Diplomat und Schriftsteller im 16. Jahrhundert. Die zwei bekanntesten Werke von ihm sind „Der Fürst“ (1513) und „Discorsi“ (1513-1519), in denen er sich mit politischer Kriegsführung befasste. Dabei erklärt er gewisse Strategien, wie man erfolgreich eigene und andere Länder und Städte erobert und beherrscht.

In seinen Bücher schreibt er, dass es fast unmöglich sei ein guter Politiker und ein guter Mensch zur gleichen Zeit zu sein. Die Aufgabe eines Fürsten sei es, den Staat von internen und externen Gefahren zu schützen. Deswegen muss er Kämpfen können, über Ansehen verfügen, Bescheid wissen und Menschen anleiten müssen. Dabei müsse er die Waage zwischen Diktator und Lachfigur halten. Streng, aber gerecht; vielmehr ein gefürchteter, als ein geliebter Anführer – wenn auch beides zusammen natürlich das Optimale wäre. So bleibe das Volk unter Kontrolle. Vielleicht muss man manchmal gewisse Regeln brechen, um andere Systeme am Laufen zu halten. Dafür gibt es gewisse Tipps. Machiavelli empfiehlt etwa nächtliche Übergriffe mit Reitern, wenn jemand aufgebährt; Rädelsführer müssten schnell und effektiv vernichtet werden; Gewalt müsse aber auch einen guten Grund haben.

Im Grunde genommen geht es immer wieder darum, seine eigenen Interessen als Machthabender durchzuführen, während man parallel das Beste für den Staat tut. Ein Fürst soll dabei barmherzig (nie grausam oder verachtenswert), charismatisch, ehrlich (auch wenn es nicht so ist) und stark wirken. Um diese Interessen durchzudrücken, ist Machiavelli damit jedes Mittel zum Zweck recht. Soll heißen, man kann auch mal zweifelhafte, unethnische Dinge durchführen, wie nächtliche Attacken, wenn es einem größeren Ziel zu Gute kommt.

Doch wie hätte dieser Mann in unseren Gesellschaftsspielen abgeschnitten? Vermutlich gut – zugegeben, es gehört auch immer etwas Glück dazu, aber wie verwandelt man ein ordentliches Blatt zum Gewinnerblatt? In der WG spielen wir sehr of Exploding Kitten, Mogelmotte und Werwolf. Zugegeben, Mogelmotte kommt in letzter Zeit nicht mehr so häufig vor, nachdem es mehrmals zu starken Anfeindungen kam… Ich glaube, das liegt an den wackligen Regeln, was ich später noch erklären werde. Trotzdem wäre es sicher ein spaßiges Spiel für Machiavelli.

Here is why:

Exploding Kitten | Bild: TheTalies

Exploding Kitten

In Exploding Kitten geht es darum, am längsten im Spiel zu bleiben. Man zieht reihum am Ende seines Zuges eine Karte und wenn diese Karte ein Exploding Kitten ist, stirbt man – außer man kann sie unscharf machen (Defuse). Danach packt man die Karte wieder versteckt in den Aufnahmestapel. Es gibt diverse Karten, die andere Spieler beispielsweise attackieren (Attack, Targeted Attack), erblinden lassen (Curse the Cat) oder einem erlauben, ein Exploding Kitten auf der Hand zu behalten (Streaking Kitten). All das macht es schwieriger für die anderen, lange im Spiel zu bleiben. In meiner WG spielen wir dieses Spiel regelmäßig seit etwa 1 1/2 Jahren und da es meistens die gleichen Leute miteinander spielen, haben alle so ihre Strategie entwickelt.

Beispielsweise kann man mit zwei gleichen Karten sich eine Karte von der Hand eines Mitspielers nehmen. Natürlich möchte man dabei eine sehr effektive Karte bekommen (bspw. Attack oder Defuse). Gleichzeitig möchte der Mitspieler eine möglichst wertlose Karte verlieren. Da geht es nun mehr darum, schnell und intuitiv zu erraten, welche Karte wertvoll sein könnte oder eine uninteressante Karte relevant erscheinen zu lassen, ohne auffällig zu wirken. Dafür braucht es bereits einen gewissen Grad an Manipulation. Außerdem kann man andere Mitspieler verunsichern, wenn man weiß, wo sich ein Exploding Kitten befindet. Auch viele Karten auf der Hand zu haben kann von Vorteil sein, weil auch ein schwaches Blatt eine höhere Aktionsfähigkeit suggeriert.

Machiavelli hat davon gesprochen, dass Fortuna (Glück/Schicksal) einen erheblichen Einfluss auf das Werk des Fürsten hat. Gleichzeitig muss der Fürst mit seinem virtù (etwa Tugend) als Machthaber diesem Fortuna zu trotzen. Das schafft man mit Manipulation und bewussten Einsetzen von Karten. Bei Exploding Kitten hat es (zumindest in unserer Runde) am meisten etwas damit zu tun, wie viele Karten man am Ende hat, wenn nur noch Exploding Kitten im Stapel sind. Dann kann man nur noch springen (Skip), umdrehen (Reverse), attackieren (Attack, Targeted Attack) und unscharf machen (Defuse) (Außer man hat Expansions und kann noch die streaking kitten, atomic bomb, garbage collection, etc. spielen).

Der wahre Spaß kommt in die Sache, wenn sich zwei Leute bekriegen und langsam töten, während man selber sicher und unauffällig in einer Ecke sitzt und sich aus der Sache hält. Oder man attackiert effektiv eine Person, sodass sich diese nicht mehr retten kann und explodiert. Klingt aggressiv, darauf beruht jedoch das gesamte Spiel. Man kann auch (mehr oder weniger heimlich) Allianzen mit anderen bilden, die anderen Personen im Spiel fertig machen und dann die „Herrschaft“ nur noch zwischen sich und der anderen Person auskämpfen. Generell würde ich so etwas nur empfehlen, wenn man mit erfahrenen Leuten spielt, die man gut kennt und die einem das nicht zu lange übel nehmen.

Mogelmotte | Bild: TheTalies

Mogelmotte

Etwas anders sieht es bei Mogelmotte aus. Bei diesem Spiel ist Schummeln erlaubt, das heißt, man kann immer wieder Karten verschwinden lassen. Parallel findet offiziell auf dem Tisch ein einfaches Spiel statt, bei dem man immer eine Karte höher oder tiefer legen kann, bzw. Sonderkarten bespielen kann. Ich persönlich finde das Spiel etwas paradox, weil man nur auf gewisse Weisen schummeln darf (zum Beispiel darf man die letzte Karte auf der Hand nicht weg schummeln oder nicht mehrere Karten auf einmal weg schummeln). Weil die Regeln in diesem Bereich sehr schwammig und kompliziert sind (Wann wurde man wirklich beim Schummeln erwischt, etc.), spielen wir dieses Spiel nicht mehr so oft. Abgesehen davon geht es hier darum, den Blick der Wächtermotte von dem Schummeln abzulenken. Man gewinnt einfacher und schnell, wenn man gekonnt schummelt.

Schummeln ist an und für sich ein verpönter Akt, der in anderen Spielen zu Sanktionen oder Disqualifizierung führen kann. Auch in diesem Spiel führt es zur Sanktion: Wird man erwischt, wird man selbst zur Wächtermotte und darf nicht mehr Karten wegmogeln. Aber hier wird suggeriert: Der Zweck heiligt die Mittel (ganz nach Machiavellis Verständnis). Es ist erlaubt zu schummeln, so lange man nicht erwischt wird. Das Spiel bestraft nur schlechter Schummler. Das könnte auch auf Machiavellis Meinung zu nächtlichen Gewaltverbrechen von Machthabern zurück geführt werden. Er meinte stets, dass man diese wenn notwendig machen sollte, allerdings nicht zu oft tätigen sollte, weil man sonst als grausam (oder in unserem Fall nicht vertrauensvoll) abgestempelt wird. Denkt daran beim nächsten Mogelmotte-Spiel!

Werwolf | Bild: TheTalies

Werwölfe

Von diesen Spielen ist Werwölfe definitiv das Spiel bei dem es am meisten auf Machiavellische Führung ankommt. In diesem Spiel gibt es Werwölfe und Dorfbewohner, welche von den Werwölfen Nacht für Nacht getötet werden. Am Tag entschließen alle Mitspieler wen sie für einen der verantwortlichen Werwölfe halten. In unserer Version erfährt man immer erst am Ende, wer Werwolf und wer Dorfbewohner war, wenn bekannt gegeben wird, welche Gruppe gewonnen hat. Dadurch können sich die Dorfbewohner bis zum Ende nicht sicher sein, ob man gerade einen Werwolf oder einen Dorfbewohner getötet hat. Noch interessanter ist es, wenn Amor ins Spiel kommt und zwei Menschen sich ineinander verlieben.

In den Diskussionen kommt es also allein darauf an, unschuldig zu wirken, ehrlich engagiert dafür zu sein, die Werwölfe zu finden und systematisch auf die Unwahrheiten in den Aussagen anderer zu aufmerksam zu werden. Besonders viel Spaß macht das natürlich als Werwolf, aber als Dorfbewohner oder Sonderperson (Hexe, Seher, Mädchen…). Es geht darum, Leute gegeneinander aufzubringen, kalkuliert Leute zu ermorden/hinzurichten und gleichzeitig unschuldig zu wirken.

Tendenziell fällt bei unseren Runden etwa auf, dass zu viel, aber auch zu wenig zu sagen, sehr verdächtig ist. Jemand direkt zu verdächtigen macht einen fast immer zur Angriffsscheibe (entweder für die Dorfbewohner oder für die Werwölfe, wenn man auf einen Werwolf tippt). Zu lange nichts zu sagen, macht einen verdächtig still… Am besten finden man schnell einen Verbündeten oder verweist auf die Spielweise in vorherigen Spielen. Man kann immer davon ausgehen, dass jemand, den man angreift, einen auch zurück angreift und potentiell mehr Verbündete hat. Verbündete bekommt man meistens nicht durch Schleimereien, sondern eher, indem man für diese Person einsteht, das Argument dieser Person unterstützt (nicht zu offensichtlich) oder am besten natürlich mit dieser Person zu einem Paar erwählt wurde (Diese Information sollte wohlgemerkt niemals an eine andere lebende Person im Spiel weitergegeben werden, vor allem nicht an andere Werwölfe). Wenn man nach Machiavelli geht, sollte man Dorfbewohner, die aufmucken, möglichst schnell beseitigen, um die eigenen Herrschaft zu beseitigen.

Machiavelli wäre in diesem Spiel wohl aufgegangen. Leute anzuführen (optimal, wenn man mit Bürgermeister spielt), im Interesse der Dorfbewohner, sein eigenes Interesse daran zu überleben, zu vertreten und durch manipulatives, kalkuliertes Interagieren das Geschehen im Spiel zu meistern, macht dieses Spiel in meinem Augen zu einer optimalen Spielplatz, um Machiavellis Strategien anzuwenden…

Das waren jetzt nur ein paar Anhaltspunkte, wie man Machiavelli in Gesellschaftsspiele einbinden kann – was denkt ihr?

Ein Gedanke zu “Machiavelli und die Lieblingsspiele meiner WG

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