Der Fall „Trump-Rally und K-Pop-Aktivismus“

Vor zwei Wochen hat die TikTok- und K-Pop-Community Schlagzeilen mit einer Aktion gegen Donald Trump und seinen Wahlkampf gemacht. Vor allem junge Menschen beanspruchten Tickets für eine Wahlveranstaltung in Tulsa, ohne tatsächlich zu kommen. Ziel war, dass die Zuschauerränge der Wahlkampfarena so leer wie möglich bleiben. Das koordinierte Engagement der K-Pop-Stans wurde von vielen großen Medienhäusern wie zum Beispiel The Guardian, NTV oder den New York Times aufgegriffen. Im Netz freuen sich viele Trumpgegner und sind begeistert von dem Einsatz der K-Pop-Community. Das Narrativ ist klar: K-Pop-Fans sind die Held:innen des Tages. Ich habe mich auch gefreut, dass das politische Engagement der K-Poppies zunehmend Aufmerksamkeit bekommt. Aber ich bin zwiegespalten. Die Aktion ist cool, keine Frage. Aber es gibt da doch auch ein paar Probleme mit dem ausschließlich positiven Narrativ, dass sich im Moment entspinnt.

Was ist genau passiert?

Am 12. Juni 2020 postet die TikTok-Userin Mary Jo Laupp ein Video, in dem sie erklärt, dass Trumps Tulsa Rally absichtlich provokant auf den 19. Juni, dem Feiertag der Beendigung schwarzer Sklaverei, gelegt wurde. Dann fordert sie die Zuschauer:innen auf, sich per Smartphone einfach für die Tulsa Rally von Trump registrieren zu lassen und dann aber nicht aufzutauchen.

@maryjolaupp

Did you know you can make sure there are empty seats at Trump’s rally? BLM.

♬ original sound – maryjolaupp

Das Video geht über Nacht viral und wird unter anderem auch von vielen K-Pop-Fan-Accounts mit großer Reichweite geteilt. Die meisten greifen die Aktion humorvoll auf und gaben zum Beispiel an, nicht an der Rally teilnehmen zu können, weil die Beerdigung des „Goldfisch ihres Hundes“ anstehe.

@t0run

it’s even worse that u only need a phone number to get two tickets #greenscreen

♬ tExAs GUYSSS – meganbos_

Viele der ursprünglichen TikTok-Videos und anderen Social-Media-Posts sind laut dem YouTuber Elijah Daniel inzwischen nicht mehr verfügbar, da die Teilnehmer:innen der Aktion die Posts innerhalb kurzer Zeit wieder löschten. Sie wollten nicht, dass Trumps Wahlkampfteam etwas davon mitbekommt.

Am Tag der Rally bleiben tatsächlich viele Plätze in der Wahlkampfarena leer. Es ist nicht nachprüfbar, ob das Publikum vor allem wegen Corona zu Hause geblieben ist oder ob das gezielte Vorgehen der TikTok- und K-Pop-Community tatsächlich Erfolg hatte. Fest steht, dass die leeren Sitzränge kein gutes Bild für Trump abgeben und die K-Pop-Fans zunehmend positiv in der öffentlichen Wahrnehmung auftauchen.

Das politische Engagement der K-Pop-Community ist keine Anomalie

Freund:innen, die wissen, dass ich K-Pop-Fan bin, schicken mir Links zu den Meldungen mit Daumen hoch oder schreiben mir: „Schon ganz cool. Hätte nicht gedacht dass die K-Pop Fans so drauf sind.“ Ich freue mich, aber überrascht bin ich nicht. Der Stereotyp des oberflächlichen und nervigen K-Pop-Fans entspricht nicht wirklich der Realität. Auch in der K-Pop-Community gibt es eine Menge komplexer, sozial sensibilisierter und politischer Menschen. Meine K-Pop-Blase ist nicht erst seit der Aktion voll mit entsprechenden Hinweisen. Wenn ich durch K-Pop-Tweets oder Posts auf Instagram scrolle, sehe ich viele Statements, die sich im Großen und Ganzen als links, LGBTQ-unterstützend und Rassismus-kritisch einstufen lassen. Diese grobe politische Orientierung und Positionierung ist für Leute aus der Community also nichts Neues. Und sie ist ganz nebenbei sicher auch ein Grund, warum ich mich in dieser globalen Gemeinschaft nicht fehl am Platz fühle.

K-Pop-Fans sind auch absolute Pros, was Online-Aktivismus angeht. Jahrelange koordinierte Streaming-Aktionen und Kampagnen für die jeweiligen Lieblingsstars zahlen sich aus. Es werden Streaming-Partys für bessere Chartpositionierungen und Klickzahlen geschmissen, Hashtags für die Stars gezielt getrendet oder Informationen über neue Entwicklungen innerhalb kürzester Zeit durch die digitalen Netzwerke weiterverbreitet. Die Fans wissen genau, wie Algorithmen funktionieren und wie sie Themen auf die digitale Agenda setzen können. Dahinter steht auch eine starke emotionale Bindung zu den Lieblingsstars und der Fangemeinde, welche die Fans motiviert, sich für ein gemeinsames Ziel einzusetzen.

Früher hat sich der Aktivismus vor allem in Engagement für NGOs oder Spendenaktionen im Namen der Stars kanalisiert (1). Spätestens seit den jüngeren Entwicklungen der BlackLivesMatter-Proteste nutzen flächendeckend große K-Pop-Stan-Accounts ihre Reichweite, um politisch zu sensibilisieren, auf Petitionen aufmerksam zu machen oder anti-Schwarze (2) Hashtags zu spammen. Und wer jetzt einwenden will, dass dieser Online-Aktivismus doch eh nichts bringt: Colorado hat jüngst eine Neu-Untersuchung des Todes von Elijah McClain in Polizeigewahrsam angeordnet, nachdem über zwei Millionen Menschen eine Petition unterschrieben hatten. Diese Petition wurde auch von vielen K-Pop-Accounts geteilt.

Können wir uns auf K-Pop-Fans verlassen, wenn es um politisches Engagement geht?

So gerne ich diese Frage bejahen würde; es ist ein „Jein“. Die politische Positionierung der globalen K-Pop-Gemeinschaft ist mit Vorsicht zu genießen. Manche K-Pop-Fans haben Bedenken, dass das positive Narrativ die ganz eigenen Probleme der Community mit Rassismus und anti-Schwarzer Schikane überdeckt. Da ich weiß bin, will ich in diesem Zusammenhang Schwarze und BIPoC Fans selbst sprechen lassen. Keidra Chaney, die zu den Gründungsmitglieder:innen und Hauptautor:innen der Online-Plattform „The Learned Fangirl“ gehört, sagt:

For a lot of black fans, including myself, to see white K-pop fans get praised and credited in the media for anti-racist activism, while black fans have faced (and will continue to face) anti-black harassment online for spearheading these conversations, feels like a punch in the gut—that we are being used for our social currency and then discarded.

Keidra Chaney in einem Artikel des MIT Technology Review

K-Pop hat eine unschöne Geschichte kultureller Aneignung (Cornrows, Grillz, you name it) und Blackfacing. Wie ich durch die Recherchen für diesen Artikel erfahren musste, ist auch Mamamoo, eine meiner Lieblingsgruppen, in der Vergangenheit mit einer entsprechenden Aktion aufgefallen (3). In solchen Fällen waren es vor allem Schwarze K-Pop-Fans, die auf die rassistischen Praktiken aufmerksam machen und die Stars zur Verantwortung ziehen. Der Schwarze K-Pop-Fan und K-Pop-YouTuber Michael Smith-Grant merkt an, dass die Ignoranz der Stars gegenüber der politischen und rassistischen Geschichte US-Amerikas angesichts der homogenen ethnischen Zusammensetzung Südkoreas nicht überraschend ist.

A lot of these artists have international dreams with their companies but no proper global representative to coach or prepare them for the different cultures of the world.

Michael Smith-Grant in einem Artikel der NYLON

Nicht alle K-Pop-Künstler:innen beteiligen sich an solchen problematischen Aktivitäten. Aber es gibt noch eine Menge Arbeit zu tun. Dabei wird Schwarzen Journalist:innen und Fans viel zu selten eine Stimme gegeben. Keidra Chaney verlangt völlig zu Recht, dass Redaktionen und Medienhäuser mehr Schwarze Journalist*innen für Popkultur einstellen müssen. Nur so kann bei Vorfällen wie dem K-Pop-Aktivismus gegen die Trump-Rally garantiert werden, dass wichtige Nuancen des Themas abgedeckt werden. Ich schließe mich dieser Forderung an und versuche, meine Energie auch in Zukunft für anti-rassistische Arbeit im K-Pop einzusetzen und Schwarzen Stimmen mehr Plattform zu geben.

Die weitere politische Entwicklung der K-Pop-Community bleibt auf jeden Fall spannend. Die aktuelle politische Sensibilisierung bietet auch K-Pop-Gruppen die Chance, sich deutlicher zu positionieren. Das hat sich unter anderem daran gezeigt, dass populäre Gruppen wie BTS, Monsta X oder Ateez sich vor Kurzem mit der BlackLivesMatter-Bewegung solidarisierten.

Bisher sind solche Positionierungen von K-Pop-Gruppen eine Seltenheit. Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, ob die Statements in einer Dynamik des performativen Aktivismus geäußert wurden oder ob die Gruppen und ihre Talentagenturen echte anti-rassistische Anstrengungen leisten. Aber es bleibt auch die Hoffnung, dass die aktuellen Entwicklungen langfristig gegen rassistische Strukturen und Praktiken im K-Pop wirken. Wenn Fans und Stars an einem Strang ziehen und sich ehrlich bemühen, kann das nachhaltige Wirkung haben.


(1) Wer mehr über K-Pop-Aktivismus erfahren möchte, liest am Besten die Paper von Jung Sun oder Timothy Gitzen.

(2) Schwarz wird hier als Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen groß geschrieben. Werft am Besten einen Blick in „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ von Alice Hasters. Generell ein wichtiges Buch und auf Seite 29 erklärt sie diese Selbstbezeichnung.

(3) Die Gruppe hat sich einen Tag später mit einem Statement geäußert, dass die eigene Ignoranz gegenüber der Problematik von Blackfacing anerkennt und Besserung verspricht: „[…] There is no excuse for what we did and there are not enough words to explain how regretful we are. […] We were extremely ignorant of blackface and did not understand the implications of our actions. We will be taking time to understand more about our international fans to ensure this never happens again. We hope that you will help to educate us on these and other issues so that we can become better people and better artists.


Titelbild: Donald Teel/Unsplash

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