„Frauen weinen nicht mehr, Frauen rechnen ab“

Gemeinschaftsbeitrag von Valeska & Béla

Dieser Song wurde heiß erwartet, doch seinen enormen Erfolg konnte trotzdem niemand vorhersehen. In ihrem neuen Hit mit dem argentinischen DJ und Produzenten Bizarrap rechnet Shakira mit ihrem Ex-Freund, dem spanischen Fußballspieler Gerard Piqué, ab. Mit dem wohl meistbeachteten Diss-Track der jüngeren Vergangenheit wurde die kolumbianische Sängerin umgehend zum Trending Topic auf praktisch allen Social-Media-Plattformen.

Was den Erfolgssong – anders lassen sich die Zahlen bereits in den ersten Tagen nach Release kaum lesen – so besonders macht: Shakira setzte an gleich drei Fronten Ausrufezeichen und schuf damit eine selten dagewesene eierlegende Wollmilchsau unter den musikalischen Abrechnungen.

1) Shakira-Song als PR-Coup

Für den nominell noch völlig unverdächtig klingenden Song „Music Sessions #53“ arbeitete die Kolumbianerin mit Bizarrap zusammen, der im spanischsprachigen Raum aktuell zu den am meisten gehypten Artists gehört. Seit Monaten warteten Fans sehnsüchtig auf sein neuestes Projekt. Er benennt seine Music Sessions mit verschiedenen Künstler*innen immer nur fortlaufend nach ihrer jeweiligen Erscheinungsnummer, Hinweise auf den Inhalt gab es daher nicht. Als Bizarrap und Shakira wenige Tage vor Veröffentlichung die Zusammenarbeit bekannt machten, war die Erwartungshaltung dennoch riesig.

Weil Gerüchte über eine Abrechnung mit Piqué gestreut worden waren, wurde schon im Vorfeld intensiv diskutiert. Millionen-Fans sehnten den Song herbei – so sehr, dass die Zahl der Aufrufe bei YouTube dank der Erinnerungsfunktion bei 2,8 Millionen innerhalb der ersten 30 Sekunden lag. Die 50-Millionen-Marke fiel noch innerhalb der ersten 24 Stunden, das machte Session 53 zum erfolgreichsten spanischsprachigen Neustart der Plattform-Geschichte. Auf Spotify war das Lied über das Wochenende der weltweit meistgehörte Song.

Auf Spotify am meisten gehört, auf Twitter am meisten diskutiert: Der neue Song von Bizzarap und Shakira

Gigantisch auch das Echo bei Social Media: Die Debatte um den Song dominierte die spanischsprachigen Twitter-Trends und schuf etliche Memes, die auch kommerziell ausgeschlachtet wurden. Eine (unvollständige) Auswahl der Marken und Unternehmen, die das Thema aufgriffen: Ikea, Netflix, Disney+, Amazon Prime Video, Lidl, Sixt, Renault, Hyundai, Casio, Nesquik, Chupa Chups und Carglass. Viel Spaß bei der Suche nach Firmen, die sich die Chance auf schnelle Publicity entgehen ließen. Bei TikTok war ein Ausschnitt auf Shakiras Account bereits nach 36 Stunden 18,3 Millionen Mal gestreamt und in 116.000 Clips anderer Nutzer*innen verwendet worden.

Und das Rad drehte sich rasend schnell weiter. Der prominenteste spanische Twitch-Streamer Ibai Llanos etwa, ein guter Freund und Geschäftspartner von Piqué, begleitete den Release in einem live gestreamten Reaction-Video. Gemeinsam mit dem Zusammenschnitt auf seinem YouTube-Account überschritt der Clip binnen 24 Stunden die 10 Millionen Views. Etliche Prominente reagierten auf den Song, der in den spanischsprachigen, schnell auch weltweiten, Medien breite Beachtung fand. Schon am Ende des ersten Erscheinungstages war der Shakira-Song damit bereits ein Musterbeispiel für eine perfekte Inszenierung.

2) Shakira-Song als gnadenlose Abrechnung

Die Reaktion von Twitch-Star Ibai sprach Bände. „Ruhe in Frieden, Gerard Piqué“, beendete er seinen ersten Durchlauf der Song-Analyse mit offenstehendem Mund. In dreieinhalb Minuten feuerte Shakira eine Text-Salve nach der anderen in Richtung ihres langjährigen Partners. Ein Überblick über die eindeutigsten Abschnitte der Abrechnung:

  • „Sorry, ich habe schon einen anderen Flug genommen. Hierher komme ich nicht mehr zurück, weil ich keine weitere Enttäuschung will.“
  • „Als ich dich gebraucht habe, hast du dich von deiner schlechtesten Seite gezeigt.“
  • „Eine Wölfin wie ich ist nichts für Typen wie dich.“
  • „Zu dir komme ich nicht mal zurück, wenn du weinst oder mich anflehst.“
  • „Es ist ein schmaler Grat zwischen Liebe und Hass. Hier gibt es kein Zurück mehr, glaub mir.“
  • „Ich war eine Nummer zu groß für dich, deshalb bist du jetzt mit einer auf deinem Niveau zusammen.“

Dass Shakira außerdem gleich mehrere Wortspiele mit Piqués Namen und dem seiner neuen Partnerin Clara Chia Martí einbaute, erhob den Song von einer stumpfen Wut-Tirade zu einem auch künstlerisch hörenswerten Track. Über den Fußballer heißt es: “Yo solo hago música, perdón que te sal-pique (Deutsch: „Ich mache nur Musik, sorry, dass ich dich beschmutzt habe.“). Über dessen neue Partnerin singt sie: Tiene nombre de persona buena. Clara-mente no es como suena.“ (Deutsch: „Sie trägt den Namen eines guten Menschen. Aber es ist ganz klar nicht so, wie es klingt.“)

3) Shakira-Song als Feminismus-Botschaft

Shakiras Song ist eine Hymne für Frauen, die nach einer Trennung stärker sind als davor. Trauer, Wut, aber auch Stärke spiegeln sich in ihren Lyrics wider. Ihr wohl stärkster Satz ist das Ende der zweiten Strophe:

Las mujeres ya no lloran, las mujeres facturan“ („Frauen weinen nicht mehr, Frauen rechnen ab“).

Der ganze Song und auch das Video mit ihrem knallbunten Outfit und ihren Gesten strahlt ein enormes Selbstbewusstsein aus. Sie selbst bezeichnet sich als loba (Wölfin) und betont: „Du dachtest, du würdest mich verletzen, aber du hast mich stärker gemacht“. Ihre Abrechnung mit Piqué verdeutlicht, dass sich Frauen respektloses Verhalten nicht gefallen lassen müssen und, dass sie darüber wütend sein dürfen und diese Wut, Trauer, Enttäuschung aber auch Verletzlichkeit auch nach außen kommunizieren dürfen. Bei Social Media wird Shakira für ihre klaren Worte gefeiert und erhält viel Zuspruch.

Übersetzung des Tweets: Gut für Shakira und Frauen, die getäuscht und mit Füßen getreten wurden und weit davon entfernt sind, sich zu Opfern zu machen, dass sie sich empowern und Respektlosigkeiten in Monetarisierung oder Kunst umwandeln.

Gerade in einer Zeit, in der sich der Trend etabliert hat, bei dem Frauen ihr Leben als traditionelle und perfekte Hausfrauen unter dem Hashtag tradewife zur Schau stellen, ist Shakiras Song eine Demonstration weiblicher Stärke. Kein Frauenbild der 1950er Jahre und das Gegenteil der absoluten Anpassung an ein klassisches Gesellschaftsbild, in dem Frauen immer lächeln müssen, wie es immer häufiger auf Social Media gelebt wird. Shakiras neuer Song ist eine Hymne für Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, sondern selbstbewusst und stark sind – auch nach dem Bruch mit dem*der Partner*in an der Seite.

Kritische Gedanken zum Shakira-Song

Allerdings hat Shakira sich und ihr Werk mit einigen Textzeilen angreifbar gemacht. An dieser Stelle ist daher zu kritisieren, wie Shakira sich zur neuen Frau an der Seite des Fußballspielers äußert. In der dritten Strophe stellt die kolumbianische Sängerin folgende Vergleiche an: „Du hast einen Ferrari gegen einen Twingo getauscht. Du hast eine Rolex gegen eine Casio getauscht“. Kurz darauf spielt sie auf den Namen von Piqués neuer Freundin Clara Chia (Bedeutung: „die Strahlende“ oder „die Glänzende“) an: „Sie trägt den Namen eines guten Menschen. Aber es ist ganz klar nicht so, wie es klingt.“

In einem so starken Lied, in dem Shakira mit ihrem Ex-Partner abrechnet, sollte sie die andere Frau nicht der Öffentlichkeit zum Fraß vorwerfen – auch wenn sie Grund zur Wut hat, da Piqué sie bereits während der damals noch laufenden Beziehung mit ihr betrogen haben soll. Verständlicherweise ist Shakira nicht nur auf ihren Ex-Freund sauer, sondern auch auf die neue Frau. Als versöhnliches Fazit sei allerdings angemerkt: Dass der Song dadurch nicht einfach gedanklich abgehakt werden kann, sondern auch Raum für (feministische) Diskussionen liefert, ist mit Blick auf die Halbwertszeit des Themas womöglich gar nicht von Nachteil.

Beitragsbild: Screenshot aus dem offiziellen Musikvideo Music Sessions #53

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