Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Dezember ist stets der spendenreichste Monat im Jahr, Fest der Liebe und so. Auch aktuell sind daher vermutlich viele Menschen bereit, ein paar oder auch sehr viele Euros für den guten Zweck lockerzumachen. Daher können spendenfinanzierte Organisationen gerade mit viel Zuwendung rechnen und auch Events, die Spenden sammeln, sind erfolgreich. Dazu gehört etwa das Friendly Fire 8 am ersten Dezemberwochenende. Wenn ihr jetzt denkt „was?“, dann lasst mich euch mit diesem Beitrag erleuchten. Denn heute geht es um Charity-Livestreams auf Twitch.
Bevor wir in die Beispiele und Details gehen, nochmal kurz etwas zu den Basics. Twitch ist eine Videostreaming-Plattform (leider gehörend zu Amazon), auf der Menschen live Spiele spielen, auf Videos reagieren, Dinge kommentieren, mit ihren Zuschauer:innen interagieren und vieles mehr. Und vor allem im letzten Jahr werden dort immer mehr Events veranstaltet und gestreamt. Zuschauende müssen hierbei kein Geld bezahlen, sie können Kanäle aber mit einem monatlichen Betrag abonnieren oder einmalig über Bits Geld an die streamenden Personen geben. Dafür erhalten sie im Gegenzug natürlich bestimmte Boni wie Werbefreiheit oder spezielle Emotes für den Chat. Die (para-)soziale Dynamik dahinter ist gerade für Medienmenschen wie uns natürlich sehr faszinierend. Es ist daher kein Geheimnis, dass ich eindeutig immer noch zu viel meiner Lebenszeit auf Twitch verbringe. Aber außer es als abendliche Hintergrundbeschallung zu nutzen, habe ich mir eben in den letzten Monaten den ein oder anderen Charity Stream (auch Spendenevent o.ä. genannt) angeschaut.
Es gibt verschiedene Ausprägungen von Charity Streams und ihr Spendenerfolg ist natürlich auch immer an die Bekanntheit der streamenden Person oder Gruppe gekoppelt. Manchmal sammeln Streamende einfach während ihrer regulären Livestreams Geld für einen guten Zweck, sprich sie haben einen festen Link oder Konto, auf das Zuschauende Geld überweisen können. Oder sie spenden ihre Einnahmen aus den Abos auf Twitch. Als eine „nächste“ Stufe gibt es Spendenstreams, die für diese Zeit ein spezielles Programm haben. Also Streamende sitzen zwar in ihrem gewohnten Set-up vor den Computern, aber sie planen im Vorhinein eine Agenda und spielen mit immer wechselnden anderen Streamenden. Solche Spendenstreams können von ein paar Stunden bis zu einigen Tagen dauern und haben schon einen gewissen Eventcharakter. Beispielsweise hat der Streamer Vlesk am letzten Wochenende einen 60h-Stream gemacht, in dem er für das Tierheim Berlin sammelte (in der Zeit, in der er geschlafen hat, liefen dann einfach Videos).
Neben diesen eher als Einzelevents zu sehenden Spendenstreams, gibt es auch Charity Events, die regelmäßig stattfinden. Dazu gehört beispielsweise das österreichische Charity Royale, bei dem deutschsprachige Streamende für explizite Herzenswünsche von schwerkranken Kindern der Make-A-Wish Foundation sammeln. Diese und ähnliche Aktionen gibt es jedes Jahr aufs Neue und sind daher bei Zuschauenden auch schon bekannt.
Kommen wir aber endlich zum angeteaserten Friendly Fire. Dabei handelt es sich um ein großes Charity Event, und zwar in dem Sinne, dass es einen expliziten Veranstaltungsort gibt, an dem sich alle Beteiligten treffen und von dem aus live übertragen wird. Da sind wir also schon bei einem ganz anderen Produktionsniveau. Daher werden hier dann auch nicht nur Videospiele mit anderen gespielt, sondern auch verschiedene „offline“ Spiele, beispielsweise Brett- oder Partypsiele, und Aktionen gemacht. Andere Events dieser Art sind etwa Loot für die Welt oder Fragging for Charity. Friendly Fire wird veranstaltet von Gronkh, Team PietSmiet, Pandorya, FisHC0p, DerHeider, MrMoregame und PhunkRoyal. Wer sich im Streamingbereich nicht so auskennt, dem sei gesagt, dass es sich dabei um einige der bekanntesten deutschen Streamenden handelt. Außerdem kommen bei diesen großen Charity Events stets noch andere Gäste aus der Streamingszene vorbei, sodass die Reichweite nochmal vergrößert wird. Daher ist zum Glück auch das Spendenevent ziemlich erfolgreich, beim jetzigen Friendly Fire 8 (sprich dem 8. Mal, dass das Event stattfand) kamen allein durch Spenden innerhalb der 12 Stunden über 1 Million Euro zusammen. Hinzu kommen dann noch die Erlöse aus Merchandise, das über einen Onlineshop gekauft werden konnte. Die Spenden empfangen nun verschiedene, vorher kommunizierte Organisationen, unter anderem auch der zugehörige Friendly Fire Notfallfonds, womit wir beim nächsten Thema wären.
Neben Spendenstreams, die ohne direkten Anlass Geld sammeln, gibt es auch solche, die ein klares politisches Anliegen haben. Dazu können natürlich auch solche zählen, die spezifisch auf ein Ereignis – etwa den Angriff Russlands auf die Ukraine oder die Flut im Ahrtal – reagieren. Zu dieser Reaktion auf humanitäre Katastrophen wurde etwa der Friendly Fire Notfallfonds gegründet. An dieser Stelle möchte ich aber noch ein anderes Beispiel kurz beleuchten. Am 20.11. fing offiziell die völlig irrsinnige Fußballweltmeisterschaft der Männer in Katar an. Das Thema möchte ich gar nicht so vertiefen, aber um auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen und eine kleine Alternative zu bieten, veranstaltete die Streamerin Freiraumreh parallel zum Eröffnungsspiel ein Benefizturnier („28 Influencer*innen 1 Ball – DAS Fußballevent des Jahres #anstoss), das live auf Twitch gestreamt wurde. Neben vielen anderen Streamenden, die hier teilnahmen, und mehr Spaß als Ernst, gab es dabei auch einen Talk mit einer der begünstigten Organisationen, die sich gegen moderne Sklaverei einsetzen. Die gesellschaftspolitische Ebene von diesen Charity Streams sollte also nie vergessen werden.
Ein letztes Beispiel möchte ich noch bringen zum Einsatz der Spendenden. Vor ein paar Wochen schaute sich der Meeresbiologe und Umweltschützer Robert Marc Lehmann in seinem Stream ein Video an, bei dem unter anderem das Thema Haifisch-Fang aufkam, gegen den er sich seit Jahren engagiert. Sehr spontan startete daraufhin sein Chat eine Aktion, dass jede:r Zuschauende 1 Euro (oder mehr) spenden solle, und diese Aktion eskalierte in einer Einzigartigkeit, dass am Ende mehr als 100.000€ innerhalb weniger Stunden zusammenkamen. Das zeigt doch ganz schön, wie viel bewirkt werden kann, wenn jede:r auch nur ein ganz bisschen gibt. Spendenbereitschaft in den großen Charity Streams wird teilweise etwa aber auch darüber angeheizt, dass es Spendenziele gibt, bei denen etwas passiert. Beispielsweise schmeißen sich Streamende in Kostüme, werden aufwendig geschminkt oder färben sich die Haare. Vielleicht wird ein bestimmtes beliebtes Spiel gespielt oder andere Aktionen finden statt. Zuschauende haben also im Vergleich zu anderen Livestreams eine sehr viel aktivere Rolle bei Spendenevents.
Zum Schluss noch ein paar Worte, warum ich Spendenstreams neben dem offensichtlichen guten Zweck außerdem toll finde. Heutzutage sind Influencer:innen/Content-Creater:innen/Streamer:innen/welche-schicke-englische-Bezeichnung-auch-immer:innen für so viele – inbesondere junge – Menschen Vorbilder. Wie schön ist es, wenn also mal die Reichweite für Wohltätigkeit und Aufklärung genutzt wird. Die Zielgruppe auf Twitch ist häufig auch sehr jung, daher gibt es hier sehr viel Potenzial für guten Einfluss. Spendenstreams zeigen, dass sich Gaming, Spaß und gesellschaftliches Engagement gut verbinden lassen. Oder weitergedacht, sie zeigen, dass alle gesellschaftliche Verantwortung übernehmen können und das auf verschiedene Weise. Ob man als Zuschauende 1 Euro spendet oder als Streamende auch mal Geld für den guten Zweck sammelt und diesen propagiert, alle können einen Beitrag leisten. Und wenn es nur ist, auf bestimmte Themen und Missstände der Welt aufmerksam zu machen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Also denkt dran, Weihnachtszeit ist Spendenzeit!
Beitragsbild: Gratisography
Schöner Blogpost, danke für die Erwähnung 😊
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Danke dir für den Kommentar und sowieso für die großartigen Streams!
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