Männer müssen hart sein. Frauen müssen Gefühle zeigen. Oder? Mit diesem Klischee hat sich die französische, romantische Komödie „Fragil“ auseinandergesetzt. Der Film wurde auch bei der Französischen Filmwoche in Köln zwei Tage vor der Premiere gezeigt und von einem anschließenden Filmgespräch mit Regisseurin Emma Benestan und Hauptdarsteller Yasin Houicha abgerundet. Der kleine, süße Sommerflirt von einem Film dreht sich um Az, der, anders als seine Kumpels, sensibel ist und seine Gefühle offen zeigt. Das kommt besonders zum Vorschein, als er Liebeskummer hat. Doch vielleicht kann er trotzdem noch alles zum Guten wenden?
„Fragil“ handelt von Az (Yasin Houicha), der auf einer Austernfarm in Südfrankreich arbeitet. Er ist jung, gutaussehend und verliebt. Doch als er seiner Freundin Jess (Tiphaine Daviot), eine aufstrebende Schauspielerin, einen Heiratsantrag macht, lehnt diese ab und wünscht sich erstmal eine Beziehungspause. Az ist am Boden zerstört. Er schaut sich nur noch heulend und Schokolade essend Liebesfilme an und sehnt sich in sein altes Leben zurück. Seine Freund:innen können sich das nicht länger ansehen. Ein neuer Look muss her! Es braucht Ablenkung und eine Strategie, Jess zurück zu gewinnen. Schließlich liebt Jess das Tanzen – vielleicht kann Kumpeline Lila (Oulaya Amamra) ihm also ein paar nice Moves beibringen, damit Az bald wieder bei Jess punkten kann?
Emma Benestan ist französisch-algerische Drehbuchautorin, Regisseurin und Cutterin. „Fragil“ ist ihr erster Feature-Film, sie hat vorher aber bereits einige eigene Kurzfilme gedreht und an großen Produktionen mitgewirkt. Sie beschreibt diesen Film als ihren Weg, einen positiven, feministischen Blick auf das Genre RomCom und zeitgenössische Männlichkeit zu werfen. Besondere Symbolik haben dabei für sie die Austern, die immer wieder Thema sind: „Der Liebeskummer trifft im Gegensatz zu den meisten romantischen Komödien einen Mann und nicht eine Frau. Austern, die sowohl männlich, als auch weiblich sind, ermöglichen eine Symbolik, die sich letztlich auch an Männer richten kann. Die Auster ist somit zu einem roten Faden in meiner Geschichte geworden. Sie ist im Beruf des Helden in einer Austernfarm zu finden, aber auch in einigen Dialogen. Die Auster ist ein ironisches und poetisches Augenzwinkern, um zu sagen, dass Liebeskummer kein Geschlecht und keine Gattung hat.“

Zentrales Thema des Films ist es, verletzlich zu sein. Az ist sensibel. Er ist vollkommen fertig, als Jess mit ihm Schluss macht und lebt seine Emotionen voll aus. Gerade seine männlichen Freunde können das nicht verstehen. Er sei zu „fragil“. Damit steht er auch im starken Kontrast zu Lila, die taff und unnachgiebig ist. Sie erfüllt weitaus mehr die Stereotype, die von Az erwartet werden. Doch nach und nach zeigt er auch seinen männlichen Freunden, dass er mit dem Tanzen, das für diese zuerst Ausdruck seiner weiblichen Seite zu sein scheint, auch verdammt gut bei den Frauen ankommt…
Eingebettet wird die Geschichte rund um die Fragilität des verletzten, jungen Mannes in verträumte, warme Bilder der französischen Südküste. Die Gegend, aus der die Regisseurin selbst kommt, lädt direkt zum Mitfühlen ein. So lange kann man ja nicht traurig sein, wenn man die Sonne im Meer versinken sehen kann und jedes Bild ein Gemälde sein könnte. Unterhaltsam sind auch die Switches zu den stark stilisierten Einstellungen der Kriminalserie, bei der Jess die Hauptrolle spielt. Untermalt wird der Film immer wieder von nordafrikanischen Klängen, die das Gefühl von warmen Wetter verstärken und zum Feel des Films beitragen.
Generell wird, ganz wie für die RomCom typisch, viel mit Humor und Situationskomik gearbeitet, was den Film sehr kurzweilig macht. Die Schauspieler:innen machen einen fantastischen Job, die verschiedenen Dynamiken darzustellen und die kleinen Scheinheiligkeiten des Alltags zu offenbaren. Besonders toll ist dabei auch Az‘ Oma Kheira (Tassadit Mandi), die als überraschend feministische und feinfühlige Oma Az‘ engste Bezugsperson in seiner Familie ist. Sie lebt selbstbestimmt und ohne sich zu entschuldigen und bringt gleichzeitig ihrem Enkel bei, ein rechtschaffener Mensch zu sein.
Der Gedanke, eine feministische RomCom zu drehen, fand ich am Anfang sehr spannend, am Ende ist meiner Meinung nach davon nicht viel übrig geblieben. Außer Az bleiben die Figuren sehr flach. Das Ende folgt den klassischen Tropen und auch Az‘ Sensibilität ändert nichts am Verlauf. Generell haben seine einzigartigen Eigenschaften keinen nennenswerten Einfluss auf die Entwicklung. Obwohl er so „in tune“ mit seinen Emotionen ist, braucht er lange, um festzustellen, wie er andere verletzt und handelt letztlich wie jede:r RomCom-Protagonist:in ziemlich egoistisch. Da hätte ich mir noch etwas Unerwartetes gewünscht, das den Einfluss von Az‘ Verletzlichkeit auf seinen Alltag und seine Freund:innen zeigt.
Trotzdem kann ich den Film wärmstens empfehlen. Es ist eine schöne, erfrischende RomCom in einem wundervollen Setting mit charismatischen Schauspieler:innen. Der Film ist seit dem 01. Dezember 2022 in den deutschen Kinos und in ganz Deutschland zu sehen.
Titelbild: Unité