***Triggerwarnung: Dieser Beitrag behandelt die Themen sexueller Missbrauch und sexualisierte Gewalt.***
Susanna ist eine junge Frau, die etwas erlebt, was niemand erleben möchte: Als sie im Garten ein Bad nehmen will, zwingen sie zwei alte Männer zum Sex. Susanna sagt „nein“, woraufhin die Männer sie unter einem Vorwand vor Gericht ziehen. Die Geschichte klingt so aktuell, als sei sie gestern erst passiert. Sie ist jedoch schon viel älter – um genauer zu sein stammt sie aus dem Alten Testament und erzählt die Geschichte von Susanna im Bade, die „nein“ zum Sex sagt und dafür von den beiden Männern dem Ehebruch mit einem anderen jungen Mann bezichtigt wird. Doch ein Prophet hilft ihr dabei, den Männern der Lüge zu überführen.
Sexuelle Gewalt und Machtmissbrauch sind heute wie damals ein Thema, das nicht tabuisiert werden darf. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum nimmt sich der künstlerischen Darstellung der Susanna-Erzählung an und zeigt verschiedene Darstellungsweisen vom Mittelalter bis MeToo.
Biblische Geschichten und die Kunst
Es gibt eine Sache, die zwar komisch klingt, mich aber schon zu Schulzeiten fasziniert hat: Die visuelle Darstellung biblischer Geschichten. Euch allen fallen wahrscheinlich die bekanntesten Gemälde wie Das letzte Abendmahl von Leonardo DaVinci, Die Erschaffung Adams von Michelangelo oder Das Paradies von Marc Chagall ein. Es gibt zahlreiche Darstellungen biblischer Geschichten in der Kunst. Gerade in den Anfängen der klassischen Malerei waren biblische Geschichten oft Vorlagen für die Werke. Die Susanna-Erzählung kannte ich bisher noch nicht.
Susanne im Wallraf-Richartz-Museum
Das Wallraf-Richartz-Museum widmet sich weltweit als erstes Museum einer Ausstellung zur biblischen Erzählung der Susanna in der Kunst und versucht den Bogen zwischen Renaissance und zeitgenössischer Kunst zu schaffen. Die Ausstellung gliedert die Kunstwerke in den Räumen thematisch. So finden wir dort beispielsweise die Themenblöcke Sexualiserte Gewalt, Appell ans Publikum oder Gegenwehr.

Leinwand, The Burghley House Collection, Stamford
Je nach historischem Kontext, werden den Besucher*innen unterschiedliche Deutungen und Darstellungsformen der Geschichte gezeigt. Es gibt Darstellungsweisen, die ausdrücklich Mitleid mit Susanna bei den Betrachter*innen auslösen soll. Manchmal wird sie als keusche Heldin dargestellt, ein anderes Mal wehrt sie sich, windet sich und schreit. Die meisten Darstellungen der Erzählung zeigen Susanna meist nackt oder nur spärlich bekleidet. Die Werke aus den 20er Jahren laden das Bildmotiv antisemitisch auf und stellen die alten Herren mit Hakennasen dar.
Mich beeindruckten vor allem die Werke, in denen Susanne ihren Blick direkt an das Publikum richtet. Dieser wirkt wie ein stummer Schrei, der die Betrachter*innen in seinen Bann zieht. Der direkte Blickkontakt macht aber auch das eigene Schauen bewusst und lässt einen voyeuristisch wirken, fast wie ein*e Mittäter*in.

Gallery, Leihgabe aus Privatbesitz, London
Susanna in Hitchcocks Psycho
Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist der Raum Hitchcocks Susanna: Wer kennt ihn nicht? Alfred Hitchcocks Film Psycho aus dem Jahr 1960 ist einer der Klassiker und die wohl bekannteste Mordszene hinter dem Duschvorhang ist auch denjenigen ein Begriff, die den Film nicht gesehen haben. Was ich bisher nicht wusste: Im Motel, in dem in Handlung größtenteils spielt, ist wie ein kleines Museum mit zahlreichen Kunstwerken an den Wänden, die der Regisseur selbst ausgesucht hat. Auch hier spielt Susanna eine zentrale Rolle: Das Gemälde Susanna und die Alten von Willem van Mieris aus dem Jahr 1713 verdeckt im Film das Guckloch des Voyeurs und späteren Mörders Norman Bates. Eine weitere Parallele findet sich in der Geste, die die Protagonistin Marion Crane einnimmt, kurz bevor sie stirbt. Wie Susanna im Gemälde, durch das Bates sie beobachtete, streckt auch sie ihren rechten Arm hilfesuchend aus.

Momentaufnahme aus: Alfred Hitchcock, Psyco, 1960. Fotografiert im Wallraf-Richartz-Museum, Köln, 2022

Momentaufnahme aus: Alfred Hitchcock, Psyco, 1960. Fotografiert im Wallraf-Richartz-Museum, Köln, 2022
Susanna und MeToo
Das jüngste Werk der Ausstellung ist das Cover des New Yorker von 2018. Dieses erschien kurz nach MeToo-Skandal. Die abgebildete Schauspielerin verschließt sich, wie Susanna, vollkommen und wehrt sich gegen den sexuellen Übergriff – ihre Arme sind verschränkt, der Kopf nach hinten gedreht und die Beine übereinander geschlagen.

© Condé Nast
Susanne: Bilder einer Frau vom Mittelalter bis MeToo – sehenswert?
Mir persönlich ging der Sprung zwischen den klassischen Susanna-Darstellungen und den zeitgenössischen Werken etwas schnell. Die Ausstellung legt den Fokus auf die traditionellen Darstellungsformen und zeigt nur wenige Werke in einem zeitgenössischen Stil. Was nicht schlecht ist, jedoch im Titel der Ausstellung anders vermittelt wird. Das ist allerdings auch mein einziger Kritikpunkt. Die Ausstellung ist absolut sehenswert – wenn auch keine leichte Kost. Die Zusammenstellung der Werke zeigt sehr gut, wie die Kunst sexuelle Gewalt darstellt – kuratiert ist die Ausstellung dabei mit einem feministischen Blick auf die Werke. Es ist beeindruckend, zu sehen, wie unterschiedlich die Geschichte von den Künstler*innen dargestellt wird. Mal sehen wir Verletzlichkeit, mal Stärke, mal Gegenwehr. Mal soll unsere Empathie geweckt werden, mal werden wir selbst als Mittäter*innen beschuldigt. Die Ausstellung macht deutlich, dass Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt schon seit Jahrhunderten auch in der Malerei thematisiert werden und eben nicht erst seit MeToo in der Gesellschaft thematisiert werden.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 26. Februar 2023 im Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Weitere Informationen findet ihr hier.