November ist bekanntlich der dunkelste und traurigste Monat im Jahr. Es gefriert das erste Mal, die Sonne geht schon um halb fünf unter und es ist allgemein ungemütlich. In dieser Phase der Melancholie bringt Kishi Bashi mit seinem Konzert im Artheater vergangenen Samstag Licht in das kalte Köln.
Es ist dunkel im Artheater, nur ein paar rote Scheinwerfer klimmen, als ein Mann mit langem, braunen Haaren und buschigen Bart die Bühne betritt. Er nimmt sein Banjo in die Hand und beginnt zunächst ruhig und dann immer wilder zu spielen. Nach dem Song meint er erstmal, dass er voll in der „Zone“ war und stellt sich als Tall Tall Trees aus Nashville, Carolina und sein Banjo als selbstentwickeltes „Banjo 6500“ vor. Dann spielt er erstmal ein Lied über Facebook Stalking, wie er erklärt. Sein Banjo ist nicht umsonst „customized“ – es beinhaltet nämlich nicht nur ein Banjo, sondern auch eine Trommel und auch das daran befestigte Mikrofon wird für diverse, wohlklingende Effekte mit Rasseln oder Summen verwendet. Das Publikum ist sofort begeistert von dem Mann mit den langen Haaren, der alle zunächst alleine, dann mit Schlagzeuger Josiah Wolf als Vorband einheizt. Zwischendurch meint er, dass er seinen Job nicht gut macht, wenn sich jemand nicht zumindest einen Knöchel vom Tanzen verknackst. Und tatsächlich: Wer auf Kishi Bashi eingestellt ist, kann auch bei Tall Tall Trees gut mittanzen.

Dann kommt Kishi Bashi auf die Bühne. Ich kenne ihn wegen eines Videos, wo er mit einem klassischen Orchester seinen Song „Am I the Antichrist to You?“ aufgeführt hat. Damals habe ich mich sofort in das Lied verliebt und so war meine Hoffnung, dass er dieses Lied natürlich spielt und außerdem ein Lied von seinem 2016er Album „Sonderlust“ namens „Honeybody“. Kishi Bashi kommt also auf die Bühne und spielt zunächst alleine „Manchester“, ein klassisches, ruhiges Lied von seinem Debüt-Album 151a. Dann holt er Tall Tall Trees, Schlagzeuger Josiah Wolf und Bassist Quinn Humphreys auf die Bühne und erklärt, dass es das zehnjährige Jubiläum seines Debüt-Album sei und er daher alle Lieder des Albums von oben nach unten spielen würde. Jackpot denke ich mir, denn da ist auch eines meiner Top 2 dabei. Jackpot denken sich wohl auch einige andere Fans, wie sich aus dem Klatschen erschließen lässt. Nach und nach spielt Kishi Bashi und seine Band also „Bright Whites“ und „It All Began With a Burst“ und die anderen Lieder. Jedes Lied kündigt er in überraschend guten Deutsch mit „Das ist das zweite Lied“, „Das ist das dritte Lied“,… an.

Er habe drei Jahre Deutsch in der Schule gelernt, erklärt er. Gebürtig aus Seattle, Washington, ist Kishi Bashi in Norfolk, Virginia aufgewachsen. Er war bereits Sänger der Montrealer Band Jupiter One und wurde mit seinem Debüt-Album, dass er gerade komplett durchspielt, direkt bekannt. Während er dem Indie Pop zugerechnet werden könnte, bedient er sich einerseits den klassischen Klängen der Geige, beatboxt aber immer wieder oder greift auch mal zur E-Gitarre (die zu lernen, war sein Pandemie-Projekt meint er). Natürlich spielt er auch „Am I the Antichrist to you?“. Bei „Wonder Woman, Wonder Me“ gibt es einen Teil, der ein bisschen wie die Tür bei „Per Anhalter durch die Galaxy“ klingt, da bindet er das Publikum ein und lässt alle tief und erleichtert ausatmen. Generell sind alle gutgelaunt, die Lieder laden manchmal zum Springen ein und manchmal zum beschwingten Wiegen. Als er das letzte Lied der Platte gespielt hat, hält der Applaus ewig an. Doch Kishi Bashi beruhigt: Er spielt jetzt noch neuere Lieder. Es folgen „Q&A“, „Penny Rabbit and the Summer Bear“, und, nach einem bereits absolut euphorischen „The Ballad of Mr. Steak“, schließlich als Höhepunkt auch „Honeybody“. Die Stimmung ist beschwingt, das Publikum klatscht im Takt, springt zum Beat und singt laut mit. Zur Zugabe kommt Kishi Bashi nochmal alleine auf die Bühne und erklärt, dass die Welt ein verrückter Ort ist und das Einzige was war, ist und immer sein wird, Liebe ist. Darum geht es auch in seinem Song „Summer of ’42“, das er nun spielt. Zum Abschied stimmt er dann ein Cover von den Talking Heads „This Must Be the Place“ an und erklärt, dass für ihn Home die Bühne ist und das Publikum seine Familie.

Dann ist das Konzert zu Ende und alle verlassen beschwingt das Artheater. Die Samstagnacht fühlt sich auf einmal nicht mehr so kalt an. Irgendwie spürt man in der Melancholie auch einen kleinen Witz, einen Schalk, den man in jedem Moment von Kishi Bashi und seiner Band gefühlt hat. Das Konzert hat einen ruhig und melancholisch abgeholt und einen dann langsam und stetig zum Tanzen gebracht. Er hat sein absolut fantastisches Debüt-Album gehighlightet und gleichzeitig andere tolle Songs aus seinem Repertoire gespielt. Das Konzert war ein Fan-Service, aber gleichzeitig hat er mit leichtherzigen Witzeln jede:n gut unterhalten, der zum Konzert gekommen ist. Das letzte Mal, dass er in Köln war, ist zehn Jahre her – das nächste Mal wird hoffentlich schneller kommen.
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