„Treating Music like a Star“

„That’s one of the things Baz has a reputation for: Treating the music like another star“ sagt Jay-Z über Regisseur Baz Luhrmann. Musik spielt in Luhrmanns Filmen eine große Rolle. So auch in The Great Gatsby. Eigentlich wollte ich diesen Artikel zum zehnten Jubiläum des Films schreiben. Leider hat sich ziemlich schnell herausgestellt, dass der Film nicht, wie ich mir sicher war, 2012 erschienen ist, sondern 2013. Das fühlt sich für mich allerdings nicht so an und da seit zwei Jahren die Jahreszahlen sowieso verschwimmen und nicht mehr nennenswert sind, kommt auch der Artikel schon jetzt. Gute Musik ist außerdem immer relevant, egal wie alt sie ist.

Ich habe meine Bachelorarbeit über die, wie ich finde, brillante Verwendung von Musik in Baz Luhrmanns The Great Gatsby geschrieben. Nicht nur der Einsatz der Musik ist formidabel, sondern auch die Musik an sich. Ich meine Florence + The Machines „Over the Love“ ist ein einfach literally ganz großes Kino und beschert mir nach wie vor Gänsehaut. „I can see the green light, I can see it in your eyes.“ Einfach epic! So viel Gefühl, Drama und Seele in einem Song.

Die Grundlage meiner Analyse beruht größtenteils auf der Theorie von Larry M. Timm. Er hat in der Branche tatsächlich als Musiker gearbeitet. Das hört man bei Wissenschaftlern und Theoretikern ja doch eher selten. Ich habe ein Auslandssemester in Kalifornien gemacht und durfte so sein Seminar besuchen. Am I cool or what? Fun fact: Er mochte die Musik in Luhrmanns The Great Gatsby nicht. Well, well, well. Let’s start. Shall we, old sport?

Was den meisten wahrscheinlich aufgefallen ist, ist die Verwendung von Hip-Hop Musik. Obwohl die Geschichte in den 1920er Jahren spielt. Ich vermute, dass das der Punkt ist, der die Ansichten polarisiert. Die einen lieben es, die anderen nicht so ganz. Tatsächlich ist es spannend, dass Jazz in den 20ern verpönt war und nun zur „Hochkultur“ zählt. Aus diesem Grund vermittelt Jazz heutzutage nicht mehr die gleiche Stimmung wie noch in den 20ern. Regisseur Luhrmann erklärte, dass Hip-Hop in der heutigen Zeit den Stellenwert und die Stimmung von Jazz in den 20ern habe. Beide seien nicht nur ein Musikgenre, sondern ein Lebensgefühl. Beide seien wie Produzent des Soundtracks Jay Z sagt, im Untergrund entstanden. Die Jugend wollte sich von der älteren Generation abgrenzen. Vielleicht verstehen vor allem ältere Generationen deswegen die Verwendung von aktueller Popmusik nicht. Hip-Hop wird in den Filmszenen gespielt, in denen der Alkohol fließt und gefeiert wird. So werden die Zuschauenden in den Bann der Roaring Twenties gezogen. Es sollte dazu gesagt werden, dass auch wenn Hip-Hop hier sehr stark mit Partys und Drogen verbunden wird, es weit mehr als nur Partymusik ist.

Filmmusikdozent Timm sagt, dass Filmmusik zum einen Emotionen verstärke und verdeutliche. Anderseits könne Musik die Zuschauenden in andere Zeiten – in historische Zeiten versetzen. Aus diesem Grund wird in dem Film zusätzlich Jazz Musik verwendet. Die Authentizität der 20er Jahre soll so im Film verstärkt werden.  Auffällig ist das Hip-Hop-Lieder oft in Jazz Songs eingebettet werden. Zum Beispiel in der Szene, in der Nick im Hotelzimmer Drogen nimmt und mit den Anwesenden feiert (00:19:50). Zunächst erklingt Bryan Ferrys Cover „Love is a drug“, was der Szene mehr Tiefe verleiht. Der Text der Musik kommentiert nicht nur in dieser Szene die Handlung und verleiht dem Film das ein oder andere Augenzwinkern. Das Jazzcover wird smooth in Kanye Wests und Jay-Zs „Who gon stop me“ übergeleitet. Jazzmusik wird oft als diegetische Musik verwendet. Ein Beispiel für diegetische Musik ist, wenn wie in der beschriebenen Szene ein Trompetenspieler zu sehen ist und seine gespielte Musik zu hören ist. Es ist sozusagen in der Filmwelt zu hören und die Charaktere reagieren dazu.

Luhrmann hat für den Soundtrack des Films nicht nur mit Jay-Z zusammengearbeitet, sondern auch mit Bryan Ferry. Bryan Ferrys Orchestra hatte zuvor in dem Album „The Jazz Age“ ältere Songs von Ferry in neuem Gewand aufgenommen. Auch in The Great Gatsby geben sie Liedern wie „Crazy in Love“ von Beyoncé einen jazzigen Sound. Das Cover wird durch den Gesang von Emeli Sandé begleitet und Beyoncé covert für den Soundtrack Amy Winehouse „Back to Black“. Das sind doch alles schon Infos und Verbindungen, die Herzen höherschlagen lassen.

Ein weiterer Herr, der für die Musik zuständig war, ist Craig Armstrong. Er hat schon in mehreren Filmen mit Luhrmann zusammengearbeitet und ist für den Orchestral Score zuständig. Er hat übrigens auch den Filmscore zu Tatsächlich Liebe geschrieben. Der Score wird speziell für den Film komponiert. Armstrong verwendet hierfür Leitmotive. Diese sorgten für die Stimmigkeit und Einheit des Films, erklärt Timm. Leitmotive hätten in der klassischen Hollywood Ära (1930-1950) ihren großen Durchbruch. Die Filmmusik von damals sei stark von europäischen Sinfonieorchestern beeinflusst gewesen. Richard Wagner erschuf Leitmotive zwar nicht, prägte diese aber deutlich. Wie Timm möchte ich hier erwähnen, dass auch wenn er vermutlich einer der besten Filmkomponisten gewesen wäre, er trotzdem ein Antisemit war. Zurück zu den Leitmotiven.

Bei The Great Gatsby hat Armstrong den einzelnen Charakteren ebenfalls ein Leitmotiv gegeben. So haben Daisy sowie auch Gatsby ein Theme. Direkt am Anfang, als Nick zum ersten Mal Gatsbys Namen erwähnt, erklingt das Theme in einfachen Klaviertönen (00:02:20). Daisys Theme erklingt als sie zum ersten Mal gezeigt wird (00:07:09). So erhalten die Zuschauenden über die Musik ein Gefühl für die Charaktere. Hört es euch an. Was würdet ihr sagen, welcher Eindruck entsteht?

Der Fokus meiner Arbeit lag jedoch auf den von Timm genannten Song Driven Score. Wie der Name sagt, ist hier der Score aus Popsongs entstanden. Lana Del Rays „Young and Beautiful“ diente als Grundlage für das Love Theme, sowie The XXs „Together“ für das, wie ich es nenne, Mystery Theme. Das Erste, was die Zuschauenden nach dem Vorspann sehen, ist das Grüne Licht im Nebel. Die Stimmung ist voller Spannung und mysteriös. Das Licht dreht sich und im selben Rhythmus erklingt mit dem Grünen Licht ein schrilles Geräusch. Das Mystery Theme baut sich auf. Eine Verbindung zwischen dem Licht und dem Theme wird hergestellt. Beide dienen als roter Faden im Film und tragen eine hohe Bedeutung. Das Theme wird oft gespielt, wenn der Erzähler spricht und die Handlung von der Situation des Erzählers in die Vergangenheit zu der Zeit mit Gatsby springt und andersherum. Dadurch entsteht oft eine Distanz zwischen Zuschauenden und der Story, weil die Zuschauenden sich durch die Stimme des Erzähler mehr wie Beobachter:innen fühlen und sich fragen: „Wer ist dieser Gatsby?“ Tatsächlich haben The XX die Gitarrenmelodie auf den Score gespielt. Zunächst sollte ein Lied von The XXs neuem Album auf den Soundtrack. Nachdem The XX die Szene jedoch gesehen haben, schrieben sie ein neues Lied.

Im Kontrast dazu steht das Love Theme. Zum ersten Mal klingt es nur kurz an, als Gatsbys Name im Dasein von Daisy genannt wird. Sie dreht den Kopf und fragt „Gatsby? Which Gatsby“ (00:08:30). Es wird sofort klar, dass sie ihn kennt. Der kurze Musikeinsatz verdeutlicht eine stärkere Beziehung. Die Melodie hat etwas Trauriges und Weiches. Sie spiegelt die Gefühle von Daisy wider. Als Nick mehr über die Lovestory von Daisy und Gatsby erfährt, wird das Theme erneut gespielt. Dieses Mal erklingt der Refrain gesungen von Lana Del Ray. Die Worte passen zu Daisys Verzweiflung. In der Rückblende sieht man, wie sie eine Perlenkette von ihrem zukünftigen Ehemann umgehängt bekommt. Hello Metapher? (Kette = eingesperrt). Sie erhält jedoch auch einen Brief von Gatsby und will die Hochzeit absagen. „Will you still love me, when I am no longer young and beautiful?“ Das Theme reißt die Zuschauenden mit in die Verzweiflung von Daisy. Einerseits ist es ein wirklich schönes Liebeslied, andererseits klingt es nach Tragik und Herzschmerz.

Das Love Theme zieht die Zuschauenden in den Bann. Als Daisy und Gatsby sich zum ersten Mal nach fünf Jahren wieder sehen, bekommt man Gänsehaut (00:54:29). Das kann auch wegen dem starken Regen sein, der auf dem Bildschirm zu sehen ist. Aufgrund dieses Effekts beschreibt Vivian Sobchack die Zuschauenden übrigens als cinesthetic subjects. Der Körper der Zuschauenden reagiert auf das Gesehene, bevor das Bewusstsein eine Bedeutung herstellt. Die sensorischen Erfahrungen seien miteinander verbunden. So reagiert auch unser Puls auf bestimmte Lieder (oder meiner auf jeden Fall).

Zu dem Love Theme erklingt in der Szene jedoch auch das Schrillen des Grünen Lichts. Wenn ich mich richtig informiert habe, steht das Grüne Licht für den American Dream. Gatsby kommt aus ärmlichen Verhältnissen und will Reichtum wie Anerkennung erlangen. Das Grüne Licht steht aber auch für Daisy, die das alles hat. Das kommt so auch in der Musik zusammen. Er hat sie, also vermeintlich auch das Grüne Licht beziehungsweise The American Dream erreicht.

Nach dem Gänsehautmoment folgt eine Szene mit Stille, cause we have an awkward situation there. Die Stille der Filmmusik unterstützt die unangenehme Situation in dem doch stark musikuntermalten Film. Man kann nicht Nicht-Kommunizieren und das gilt auch für die Funktion von Musik.

Schließlich verbringen Gatsby und Daisy (und Nick) einen wundervollen Tag miteinander. Del Rays Song wird gespielt. Es wirkt wie ein Musikvideo, was unteranderem am Schnitt liegt. Der ist dem Takt des Songs angepasst. Alles scheint perfekt. Der Chor macht dem Euphemismus alle Ehre und weckt den Gedanken that it’s too good to be true. Daisy fängt an zu weinen. Der Song endet.

Wie ihr seht, ist die Filmwissenschaft, vor allem in Bezug auf Musik, ein sehr spannendes Feld und man könnte noch viel mehr aus dem Film analysieren. Musik hat viele weitere Funktionen, wie bei dem Einsatz von Crazy in Love zu sehen ist – wieder ein schöner textlicher Kommentar. Zudem bringt das Lied Komik in den Film.

Was lernen wir daraus? Filme immer mit angemessenem Sound hören! Und natürlich: The music is the star – always.

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