Counter Strike (kurz „CS“) ist ein Online-Taktik-Shooter-Spiel und eines der einflussreichsten Spiele, auch im E-Sport-Bereich. 15.000 Zuschauer füllten bei der ESL Köln (ein Counter Strike Championship) 2019 die ausverkaufte Lanxess-Arena. Es wurde um 300.000€ gespielt. Fans aus der ganzen Welt kamen vor Ort zusammen, um anderen beim Spielen zuzuschauen. 30 Millionen Fans schalteten sich online dazu. Gleichzeitig schauten andere mit Unverständnis von außen zu. Was ist so spannend daran, anderen beim Videospiele spielen zu zu schauen?
Das Aktionshaus Sotheby’s hatte 2018 einen Umsatz von 6,4 Mrd. Dollar. Es ist eines der bekanntesten Aktionshäuser für klassische Kunst. Als das teuerste Gemälde der Welt wurde 2017 „Salvator Mundi“ von (vermutlich) Leonardo Da Vinci bei Christie’s (einem konkurrierenden Aktionshaus) versteigert. Allein Sotheby’s veranstaltet mehr als 300 Auktionen jährlich. Käufer kaufen und verkaufen Kunstwerke immer wieder selektiv und bieten auf Werke, die sie gar nicht kaufen wollen, um den Preis ihrer eigenen Sammlerstücke hochzutreiben. Außenstehende schauen manchmal mit Unverständnis zu. Was ist so wertvoll an Bildern von einfachen Farbspritzern oder monochromen Bildern?
Mein Punkt ist, – bare with me – Counter Strike Championships und High Brow Kunstaktionen und ihre jeweiligen Anhänger sind gar nicht mal so ungleich.
Subkulturen und ihre Währungen
Unsere Gesellschaft (so vage, wie man diesen Begriff nur verwenden kann) setzt sich aus vielen kleineren Communitys und Subkulturen zusammen. Häufig haben diese Communitys unterschiedliche Währungen und Gegenstände, Glaubenssätze und Normen, die für sie wichtig sind. Was Wert hat, wird willkürlich festgelegt. Das sieht man auch heute noch generell in der Gesellschaft. Für eine lange Zeit war Gold der beste Sh*t, den jede:r haben wollte. Jetzt investieren alle in Kryptowährung, während der Wert von Gold kaum noch steigt. Genauso gibt es in diesen Subkulturen Dinge, deren Wert für Außenstehende nicht ersichtlich ist.
So ist es eben auch bei CS und der Kunstwelt. Innerhalb der Gruppe machen die Systeme und Wertzuschreibungen (normalerweise) Sinn. Natürlich ist es für eSports-Fans klar, dass CS-Profis Hunderttausende bei den Tournaments gewinnen. Genauso ist es für Kunsthändler:innen und -Liebhaber:innen klar, dass gewisse Kunstwerke für Millionen verkauft werden. CS-Championships und Kunstauktionen sind dabei die konkreten Events, wo einer Sache/einer Aktion ein konkreter Wert/Preis zugeschrieben wird.
Jetzt haben wir etabliert, dass beides Subkulturen sind, deren interner Wert auf spezifischen Events festgelegt wird. Aber das könnte man über viele Subkulturen sagen. Was macht diese beiden so besonders ähnlich?
Unterschiede zwischen CS und High-Brow-Kunst
Zunächst, was ist unterschiedlich? Die Kunstwelt wird gerade auf Seite der Sammler:innen häufig von älteren, reicheren, gebildeten Menschen belegt. Dagegen sind die Anhänger:innen von Videospielen breiter angesiedelt, tendenziell aber jünger, (im Vergleich) mit weniger Kapital, nicht unbedingt so gebildet. Zudem gibt es die Kunstwelt bereits wesentlich länger, als die der Videospiele. Bei der Kunstwelt könnte man von einer top-down-Struktur sprechen und bei Videospielen eher von bottom up. Das sind jetzt natürlich wahnsinnig vereinfachte Darstellungen, sie bilden aber sicherlich ein Bild ab, das viele von diesen beiden Subkulturen haben.
Wertschaffung in Videospielen und Kunstwelt
Doch mit dem Aufstieg des Internets haben es auch Videospiele, und gerade Online-Spiele wie CS, geschafft, das Business über den Verkauf von Spielen hinaus zu monetisieren. Dadurch, dass wir in einer kapitalisierten Welt leben, wird jetzt erst, durch den stetig steigenden Profit in dieser Branche, vielen klar, wie „wertvoll“ Videospiele sein können. In der Kunstwelt wird monetärer Wert häufig dadurch erschaffen, wie heiß ein Werk gehandelt wird. Klar, jedes Bild ist eine gewisse Menge wert durch die Materialien und die Zeit die ins das Bild geflossen sind. Dazu kommt vielleicht noch ein Aufpreis durch den Namen der:s Künstler:in. Doch dabei können wir doch noch nicht bei den Millionen sein, für die dieses Kunstwerk dann verkauft wird? Dieser Preis wird meistens eher davon bestimmt, dass es die Kunstwerke dieser:s einer:n Künstler:in nur begrenzt gibt und die Sammler:innen den Preis künstlich in die Höhe treiben, um die Werke im eigenen Bestand ebenfalls im Wert steigen zu lassen.
Bei Videospiel-Championships läuft das etwas anders ab. Im Wettbewerb treten die Profis gegeneinander an, um eine gewisse Geldmenge zu gewinnen, dessen Wert schon vorher festgelegt war. Auch kommt dieses Geld nicht von einzelnen Sammler:innen, sondern meistens von Sponsorships oder Eintrittsgeld. Da es dabei kein physisches Gegenstück gibt, dass der:die Sponsor:in mit nach Hause nehmen kann, entspricht die Championship wohl auch eher Performance-Kunst. Doch wenn Sponsor:innen dafür Geld ausgeben, ist der wirklich Mehrwert auch nicht das Spiel an sich, sondern die Zuschauerschaft und dadurch die Werbung. Das wollen Videospiel-Hersteller:innen jetzt aber ändern – indem sie NFTs in ihre Spiele einfügen. (Zu NFTs (kurz: „Non Fungible Tokens“ findet ihr mehr in unserer Podcast-Folge dazu) Das soll dann so aussehen, dass man in den Spielen Dinge erspielen kann, die man nicht nur „mietet“, sondern einem wirklich gehören. (In non-physischer Manier, auf eine ähnliche Art wie „Geistiges Eigentum“)
Den Wert nur am Geld zu messen, ist in beiden Subkulturen aber zu einseitig. Die Fokuspunkte beider Subkulturen bieten einen tieferen Wert, als nur etwas Rares, um das man handeln kann. Einer der am teuersten gehandelten Künstler ist etwa Rothko. Die meistens zwei- bis dreifarbigen Bilder des Amerikaners sind bestimmt vielen ein Begriff. Doch der Wert hängt bei ihm nicht nur am Preisschild. Viele, die Bilder schon in Echt gesehen haben, werden mir sicherlich zustimmen darin, dass die Bilder eine sehr beruhigende Wirkung haben. Auch wenn sie „simpel“ aussehen, könnte ich sie garantiert nicht rekreieren und empfinde sie sehr einnehmend und nachdenklich machend.
Genauso bei Videospielen. Unabhängig von dem Wert, der auf Championships festgelegt wird: Anderen in Streams und live beim Videospielen zu zuschauen, macht Spaß, reißt mit und kann einen dazu begeistern, im eigenen Leben über sich hinauszuwachsen. Kein Wunder, dass Streamer:innen täglich Millionen von Zuschauer haben und so viele Fans zu Championships kommen. Sicherlich kommt bei Live-Events auch noch das mitreißende Gefühl von geteilter Freude hinzu.
Abschließend lässt sich sagen…
CS-Fans und Kunstliebhaber:innen sind beides nischige Subkulturen, die anderen Dingen Wert zu messen und damit nicht unbedingt einen allgemeinen, objektiven Wert erschaffen. Wert ist immer subjektiv. Er hängt nicht nur vom Geld ab, das dafür gezahlt wird, sondern auch von den Gefühlen, die es im Publikum erzeugt. Und deswegen sind CS-Championships die Sotheby’s Auktionen der Videospiele.
*Mic Drop*
Titelbild: ESL / Altman für The New York Times