Ein Plädoyer für Sprachnachrichten

– Do you commit?

Die einen lieben sie, die anderen hassen sie. Stetig wird über Sprachnachrichten und sogenannte Audios diskutiert. Sie scheinen zu polarisieren. Ich finde, dass sie einen hohen Mehrwert haben. Warum? Das erkläre ich Euch im folgenden Artikel.

Der Nutzen von Sprachnachrichten ist offensichtlich situationsbezogen. Sie können im Alltag sehr hilfreich sein, wenn etwas erklärt werden muss und wenn unterwegs einfach keine Zeit und Ruhe für getipptes Festhalten ist. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen man grad nicht eine Audio abspielen kann.  Zum Beispiel, wenn man mit Menschen unterwegs ist oder gute Musik hört. Anhand der Länge von Sprachnachrichten kann oft schon festgestellt werden, ob es sich um eine dringende Angelegenheit handelt oder nicht. Es ist natürlich auch möglich eine Sprachnachricht dementsprechend zu kommentieren. Ich sehe den Vorteil von Sprachnachrichten allerdings ganz klar außerhalb des Alltags.

Ehrlich gesagt war ich noch nie ein Telefon-Mensch. Ok, ein Sprachnachrichten-Mensch war ich zunächst auch nicht, aber mittlerweile finde ich es doch ziemlich essenziell um mit, wie sagt man so schön, meinen Lieben in Kontakt zu bleiben. Hat man sich einmal von der Schule und Heimatstadt verabschiedet, findet man seine Freund:innen in allen möglichen Städten wieder. Was definitiv Vorteile hat, so ist ein Schlafplatz in einigen Städten gesichert. Dennoch trägt der Satz „Out of sight, out of mind“ ein wenig Wahrheit in sich. So sind die Menschen nicht aus den Gedanken verschwunden, aber Kontakt halten wird durchaus schwieriger.

Die Vorteile

Flexibilität. Eine Sprachnachricht kann abgehört und aufgenommen werden, wann immer es einer Person passt. So gibt es keine Terminkomplikationen und man kann sich Zeit für die Nachrichten nehmen. Früher habe ich diese oft in der Bahn oder auf dem Weg gehört. Seit Corona und Lockdown sind diese allerdings meine Motivation spazieren zu gehen. So gehe ich oft raus, auch nach harten Arbeitstagen, um mein Leid zu plagen. Späßchen. Ab und zu sind es auch fröhlich gestimmte Nachrichten. Generell motivieren sie mich jedoch rauszugehen und ich freue richtig gemütlich Spazieren zu gehen.

Alltag. Zu dem kriegt man einen kleinen Einblick in den Alltag des Gegenübers. Die Menschen sind auf dem Weg zu einem Termin, kochen oder trinken Tee. So erhält man andere Informationen als in einem normalen Gespräch. Zuvor konnten mir viele Menschen nicht glauben, wie schrecklich Bahnfahrten rundum Köln sind. Nach meinen ganzen Wutnachrichten ist das kein Problem mehr. Mit der Abnahme meiner Pendellei sind auch meine Nachrichten viel entspannter geworden. What a coincidence! Wobei auch meine Wutnachrichten die Menschen entertainend und ein Lächeln in die Gesichter gezaubert haben.

Zuhören. Die Menschen haben verlernt zuzuhören oder sie konnten es einfach noch nie. Ich schließe mich da nicht aus. Ich arbeite an einer Hotline. Die Anrufenden hören mir nicht wirklich zu und ich ihnen auch nicht. Läuft! Wobei ich da als Professional natürlich einen guten Filter habe und den Menschen trotzdem weiterhelfen kann, wenn sie mir denn zuhören!

Generell ist meine Aufmerksamkeitsspanne eher so mittelmäßig. Ob physisch, Videocall oder Telefonat, meine Gedanken schweifen sehr schnell ab, was nicht böse gemeint ist, aber es ist halt nicht immer so leicht sich auf eine Sache zu konzentrieren. Bei Sprachnachrichten passiert das auch, aber da kann man einfach zurückspulen und es sich nochmal anhören, wenn man etwas verpasst hat. Manchmal schreibt man sich sogar Notizen, damit man auch auf jedes Thema eingehen kann.

Unterbrechungen. Außerdem ist kein Reinquatschen möglich. In einem normalen Gespräch springt man von Thema zu Thema, ohne wieder auf das Eigentliche zurückzukommen. So werden Gespräche zwar lebendig, jedoch lässt das viele nicht zu Wort kommen, Menschen wie Themen. Es gibt nicht den richtigen Zeitpunkt bestimmte Dingen anzusprechen, weil man ständig abgelenkt wird.

Therapie. Frankie, eine sehr weise Person aus der Netflix-Serie Grace and Frankie lehrt uns: „You become your own personal therapist and when you really commit to the process, you find yourself saying what exactly you need to hear.“ Sie spricht zwar von Vloging, aber Sprachnachrichten sind dem doch sehr ähnlich. Hier sei gesagt, wir können noch viel von Frankie lernen. Jede:r braucht eine Frankie und auch eine Grace im Leben. Ich auch: Auditions are open!

Nicht nur ich habe mich selbst schon sagen gehört: „Oh, das ist mir so noch nie aufgefallen!“ Auch andere realisieren beim Sprechen bestimmte Tatsachen und Gefühle. Während der Nachricht gerät man oft in einen Redefluss, die Gedanken kommen richtig in Fahrt und werden wirklich mal ausgesprochen. Viele Dinge geraten so ans Tageslicht, die sonst versteckt geblieben wären. Natürlich ist dafür ein:e Gesprächspartner:in wichtig, welche:r gewollt ist sich den ganzen Redeschwall, der zugegeben etwas wirr sein kann, anzuhören. Wobei das auch nicht immer so wichtig ist, manchmal müssen die Dinge nur mal ausgesprochen werden und benötigen keine Reaktion.

Meine längste Sprachnachricht war übrigens 27 Minuten und 45 Sekunden lang. Und vielleicht war das auch schon die zweite Sprachnachricht und eine weitere folgte. Natürlich kann da nicht zu allem ein Kommentar abgeben werden und das ist auch gar nicht nötig. Das gilt generell fürs Leben, einfach mal Zuhören und Aufnehmen. Solange die Menschen wissen, dass Ihnen zugehört wird, braucht es keinen Kommentar. Und wenn man eine Antwort oder einen Kommentar haben will, kann man ja auch einfach fragen. Communication ist key und so.

Wusstet Ihr, dass die Sprachnachrichtendauer bei Whatsapp begrenzt ist? Ist mir auch erst kürzlich aufgefallen. Natürlich braucht man Menschen, die sich auf sowas einlassen. Viele bekommen schon Angst, wenn die Sprachnachricht länger als 3 Minuten geht. Das ist natürlich auch voll okay. Ich mag es aber meinen persönlichen, individuellen Podcast bzw. Hörbuch zu erhalten. Aber wie gesagt, eine einfache Aufnahme kann auch schon helfen.

Die einzige Frage, die bleibt ist: Do you commit?

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Wenn es um Zuhören geht, muss halt nochmal Demi kommen.

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