Das allseits beliebte Rezept, etwas, das einmal funktioniert, einfach immer und immer wieder zu machen, ist wirklich nicht neu im Film- und Fernsehbereich. Ebenfalls nicht neu ist es, Live-Action-Remakes von populären Zeichentrickfilmen und -serien zu machen (looking at you, Disney!). Und auch Netflix hat neben vielen guten Netflix-Originals inzwischen einfach sehr viel nach Schema X im Angebot. Die Sache ist natürlich: es funktioniert. Wir gucken es ja offenbar. Ich finde, es muss auch nicht alles nie dagewesen und überraschend sein und Altbewährtes in neuen Gewändern hat auch seinen Reiz. Und ich bin auch absolut für Guilty Pleasures zu haben, also Filme oder Serien, bei denen man sich eigentlich ein bisschen dafür schämt, dass sie einem gefallen. Aber manchmal wünsche ich mir dann doch mehr Frische und ein bisschen weniger Klischee und Vorhersehbarkeit. Und vor allem wünsche ich mir dies für Adaptionen, die auf ein gutes Original zurückgreifen können.
Das neueste Beispiel der Remakes nach Rezept in meinem Leben war die Netflix-Serie Fate: The Winx Saga. Dabei handelt es sich um eine angebliche Realverfilmung des Cartoons Winx Club, den ich früher sehr gern angeschaut habe. Nach Fate hatte ich allerdings ungefähr Muskelkater vom Augenrollen und bin daher auf Spurensuche bei mir und im Internet gegangen, was mich an dieser doch sehr nach altbekanntem Muster verfahrenden Serie sowie auch ihren Netflix-Verwandten – Riverdale, Chilling Adventures of Sabrina, Charmed etc. – stört. Dieser Beitrag ist das kurzgefasste Ergebnis.
Darum sei gewarnt: Der folgende Beitrag wird die Serie durch den Kakao ziehen. Fans spreche ich absolut nicht ihre Daseinsberechtigung ab, aber ihr lest lieber mit Vorsicht weiter. Außerdem gilt natürlich eine leichte Spoiler-Warnung.
Bunte Feen in der Emo-Phase
Zunächst muss ich hier gestehen: Ja, ich habe die gesamte erste Staffel Fate: The Winx Saga an einem Abend durchgeschaut. Auch wenn ich erst kurz vor Start am 22. Januar überhaupt von der Serie erfahren hatte. Dass ich tatsächlich bis spät in die Nacht drangeblieben bin, lag weniger an der Spannung, wie es wohl weiter und ausgehen würde – denn das war doch sehr vorhersehbar –, sondern viel mehr daran, dass eine meiner Freundinnen parallel bei sich zuhause schaute und wir uns permanent per Chat über alles und jede:n lustig machten. So ließ sich der Feenzirkus ganz gut ertragen. Doch was ist überhaupt dieser Feenzirkus, um den es hier geht?
Winx Club ist eine italienische Zeichentrickserie von 2004, die bis heute in vielen verschiedenen Ländern zu sehen ist und natürlich schon so einiges an weiteren medialen Verarbeitungen erfahren hat. Im Zentrum stehen die sechs Feen Bloom, Stella, Musa, Flora, Tecna und Aisha (im Deutschen Layla), die an der Feenschule Alfea ausgebildet werden im Kampf gegen die bösen Mächte. Jede der Feen hat ihre ganz besondere Art magischer Kräfte, am stärksten sind sie natürlich gemeinsam. Dann gibt es noch die sogenannten Spezialisten, also die männlichen Protagonisten, die zwar keine magischen Kräfte haben, aber an einer anderen Schule dafür sowohl Schwertkampf als auch mit technisch hochentwickelten Geräten umgehen lernen. Und schließlich treten als beständige Gegnerinnen die Hexen einer weiteren Schule auf, die auch zaubern können, aber meistens böse sind. Das Ganze spielt in einer Welt mit verschiedenen Dimensionen und Planeten, von denen auch die Erde einer ist, und ist alles quietsche bunt. Soweit so gut.
Fate: The Winx Saga folgt Bloom, die nach einem Zwischenfall in der Menschenwelt, bei dem sie aus Zorn fast ihre Eltern und sich abgefackelt hat (im Gegensatz zum Beginn der Zeichentrickserie, in der sie ihre magischen Kräfte durch einen Akt der Hilfbereitschaft entdeckt), auf die Schule Alfea in der geheimen magischen Welt geschickt wird. Dort trifft sie die anderen Feen Stella, Musa, Aisha und Terra, die mit ihr zaubern lernen, sowie die Spezialisten, die immer noch ohne magische Kräfte sind, aber jetzt ihren Schwertkampf an derselben Schule lernen dürfen. Der ganze Technikkram fällt weg und mit ihm gleich auch Tecna, die Technikfee. Hexen git es auch keine. Die Gefahr kommt von außen und in Form von Beatrix, einer weiteren Fee. Alles ist ziemlich düster.
Ich finde es nicht schlimm, dass das Remake eine dunklere Version sein sollte. Diese häufig als Dark Academia betitelte Ästhetik ist eben gerade Trend und hat durchaus etwas. Und es ist nicht so, dass Winx Club nicht auch düstere Themen gehabt hätte, allerdings eben auch viel Freude, Leichtigkeit und Humor. Was ich schlimm finde, ist, dass für Fate offenbar einmal in der Klischee-Kiste gegraben und dann daraus eine so uninspirierte Serie fabriziert wurde, dass sie mit ihrer farbenfrohen Vorlage außer einigen Namen nicht mehr viel gemein hat. Denn was ich und sehr viele andere damals so toll an Winx fanden sind folgende Sachen: Vermischung von Fantasy und Science-Fiction, eine bunte Welt mit coolen Outfits, verschiedene Verwandlungsstufen der Feen mit noch cooleren Outfits und vor allem auch die unterschiedlichen Hauptfiguren und ihre Freundschaft miteinander. Fate hat genau null dieser Aspekte wirklich aufgegriffen.
Muss es denn immer Zickenkrieg sein?
Wie ich erst durch meine Recherche gelernt habe, wurden die Original-Winx damals berühmten weiblichen Weltstars nachempfunden. Blooms Inspiration ist Britney Spears, Stellas Cameron Diaz, Floras Jennifer Lopez, Musas Lucy Liu, Tecnas P!nk und Aishas/Laylas Beyoncé. Allein schon an diesen Vorbildern lässt sich sehen, dass der Winx Club ein diverses Spektrum abgebildet hat. Daher war es wohl kaum verwunderlich, dass das Casting der Realverfilmung erstmal mit einem kleinen Aufschrei zu kämpfen hatte, als für Musa eine weiße Schauspielerin statt einer ost-asiatischen ausgewählt wurde. Auch die einer Latina nachempfundenen Flora wurde durch die Figur Terra ersetzt, die zwar nicht ganz so schlank ist wie die anderen, aber eben auch weiß ist. Hey Netflix, man muss sich bei Diversität übrigens nicht für ein Merkmal entscheiden!
Dieses Whitewashing, das nun wirklich auch echt nicht mehr zeitgemäß ist, ist ja schon schlimm genug. Was mich außerdem aber mit am meisten gestört hat, ist, dass auch sonst die Charaktere von Fate einfach in irgendwelche ausgelutschten Schablonen gepresst wurden. Die blonde Prinzessin ist die blöde Bitch, mit der sich um einen Typen gestritten werden muss. Die nicht der Schlankheitsnorm entsprechende Erdfee kleidet sich wie ein Kartoffelsack und ist unsicher wegen ihres Aussehens. Die einzige PoC verhält sich wie die Mutter der Gruppe. Der männliche Love-Interest hat Vaterkomplexe. Ehrlich, können wir vielleicht noch ein paar Klischees mehr abhaken? Hätten sie die asiatisch-inspirierte Protagonistin gelassen, wäre die wahrscheinlich sehr schlau und gut in der Schule gewesen.
Natürlich haben auch die originalen Winx so ihre Fehler. Manche Körperformen und Outfits funktionieren nun auch wirklich nur im Cartoon und es ist absolut richtig, sie in einer Live-Action-Version realistischer dazustellen. Aber das heißt doch nun nicht, dass alle wandelnde Stereotype werden müssen, in deren Charaktertiefe nicht mal der große Zeh gedippt werden könnte. Übrigens gilt das auch für die männlichen Pendants. Deren Schauspieler mussten wohl nur nicht – wie etwa ihre Riverdale-Kollegen – eine Vertragsklausel unterschreiben, dass möglichst oft ihr Sixpack zu sehen sein muss.
Vermisst habe ich neben diversen Charakteren auch den Zusammenhalt und die Freundschaft, die Winx Club so besonders gemacht haben. Natürlich wird propagiert, dass die Protagonistinnen Freundinnen werden, aber sie schienen sich eigentlich nicht leiden zu können. Egoismus stand fast immer über Nettigkeit und Hilfsbereitschaft und ständig war sich irgendwer am Streiten. Statt einer eingeschweißten Gruppe, die gemeinsam Herausforderungen angeht, standen dauernd Konflikte und Beziehungsprobleme untereinander im Mittelpunkt. Da hat man schon so eine solidarische Vorlage und macht doch nur dieselben Dramen daraus. Und ehrlich, ich bin es so leid, dass weibliche Figuren immer in Konkurrenz zueinander stehen müssen!
Das Problem mit der Zielgruppe
Es lässt sich natürlich leicht sagen: Meine Güte, du bist halt nicht Zielpublikum der Serie! Du bist eben keine sechzehnjährige Schülerin, die sich mit den Figuren vielleicht identifizieren kann und in ihrem Leben nicht schon hunderte der gleichen Art Serien hat kommen und gehen sehen. Dazu muss ich dann allerdings antworten: Laut den Produzent:innen bin ich durchaus auch Zielgruppe dieser Serie. Der Erfinder der Winx-Serie, Iginio Straffi, sagte explizit, dass sie die neue Adaption für die ursprünglichen Zuschauer:innen machen würden, da diese der Cartoonserie doch eher entwachsen sind. Gerade darum sei alles etwas dunkler und edgier. Ja gut, da ist wohl irgendwo auf dem Weg etwas verloren gegangen…oder die Marktforschungsabteilung hat sich sehr vertan. Denn die originalen Rezipient:innen sind inzwischen in den Zwanzigern und auch wenn das natürlich nicht ausschließt, dass sie trotzdem gerne Teen-Drama-Serien schauen, so haben viele dann doch andere Ansprüche. Zu sagen, die Serie sei für ein älteres Publikum und deswegen auch düsterer mag ja hinkommen, aber wenn damit eben sechzehn statt zwölf gemeint ist, sollte man seine Marketingstrategie vielleicht doch auch nochmal überdenken. Ich kann nicht sagen, ob die Produzent:innen den Reiz der Original-Show für das Publikum einfach so falsch verstanden haben oder eben nur den Clickbait-Namen wollten.
Girly Glitz und Glam…und Gram
Schließlich noch eine Beschwerde, die ich so viel online gelesen habe: Die Mode. Wie gesagt finde ich es nicht so tragisch, dass Fate nicht ganz so farbenfroh wie Winx Club ist. Aber auch eine düstere Version hätte Lichtblicke vertragen. Und hier wäre zum Beispiel die Kostümausstattung eine gute Möglichkeit gewesen. So divers die Charaktere des Winx Club sind, so auffällig ist auch ihr Modestil. Die Outfits wurden wohl von echten Modedesignern für die Zeichentrickserie kreiert. Da wäre auch sehr viel Potenzial in einer düsteren Version gewesen, aber eine Feuerfee von Anfang an in Rottönen und eine Wasserfee in Blau zu kleiden, ist nun wirklich auch nicht sehr inspiriert. Und gerade die Figur der Stella, die sich auch im Cartoon sehr für Mode interessiert, hätte man nun wirklich nicht wie eine Vierzigjährige anziehen müssen. Da wäre die Chance gewesen für einen sehr femininen Charakter, der dadurch nicht weniger stark oder nett wäre. Überhaupt scheint man bei der Produktion von Fate mal wieder der Meinung gewesen zu sein, dass alles, was „girly“ ist, nicht ernst genommen werden kann und daher aussortiert werden muss. Und bloß weil mal die Wörter „Mansplaining“ und „Patriarchat“ fallen, ist das nicht feministisch. Ach… so viele verpasste Möglichkeiten, die zugunsten der immer selben Stereotype ungenutzt blieben.
Übrigens gibt es in diesem Magic Kingdom äh ich meine Otherworld zum Glück trotzdem Handyempfang, sodass die Charaktere Instagram benutzen können. Kein Witz! Es wird explizit Instagram benannt. Herzlichen Glückwunsch also an Facebook, die vermutlich sehr viele Daten über diese geheime andere Welt haben. Storyline von Staffel 4 ist dann hoffentlich, wie die Winx versuchen Mark Zuckerberg davon abzuhalten, die Herrschaft über diese Welt zu erlangen. Dabei ist es nicht mal störend, dass die Figuren Smartphones besitzen. Im Gegenteil! Der originale Winx-Cartoon ist eben eine Mischung zwischen Fantasy und Futurismus inklusive verschiedener Flugzeuge und technischer Gadgets. Stattdessen bleibt Fate aber beim generischen Fantasy-Land mit ein paar zeitgenössischen Einsprengseln.
Wie ihr feststellt, habe ich nicht viel zur Magie oder der wirklichen Story gesagt. Nunja, stellt euch einfach eine x-beliebige Fantasy-Welt vor, in der eine Auserwählte ihre Kräfte entdeckt und zeitgleich eine Gefahr von außen wieder erwacht… und da habt ihr euren Inhalt. Und ja, ihr dürft darüber gähnen.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Was ich gerade hier alles am Beispiel Winx Club und Fate: The Winx Saga beschrieben habe, lässt sich auch auf viele andere Serien übertragen. Man hat ein gut funktionierendes Original und ein aktuell beliebtes Serienkonzept und versucht beides zusammenzubringen. Ich will nicht sagen, dass es nicht erfolgreich ist, sondern dass einfach dadurch oft auch so viel kaputt gemacht werden kann. Im Fall von Winx hat die Realverfilmung wirklich aber mit der Vorlage so wenig gemeinsam, dass man einfach nur noch die Namen komplett ändern müsste, und niemand wüsste, dass es da eine Verbindung gibt. Es wäre einfach eine Teen-Fantasy-Serie wie jede andere. Aber man will ja die Zielgruppe erreichen…
Da Fate: The Winx Saga – wahrscheinlich unter anderem durch Leute wie mich – erfolgreich war, wird es wohl mindestens eine weitere Staffel geben, dafür ist auch das Ende der ersten bereits angelegt und die zweite auch schon bestätigt. Ich weiß noch nicht, ob ich sie schauen werde. Ob gemeinsames Spotten ausreicht, die uninspirierte Klischee-Show, die sie aus einer beliebten Kindheitsserie fabriziert haben, erträglich genug zu machen, ist doch eher fraglich. Aber vielleicht werden ja ein paar Stereotype wieder zurück in die Kiste gestopft und stattdessen mal tatsächlich realistische diverse Figuren und starke Frauenfreundschaft und bunte Magie gezeigt. Und ansonsten bleibt mir ja immer noch die Original-Serie, die ich im Gegensatz zum Live-Action-Remake nicht durchgeschaut habe. Sie gefällt mir, auch wenn ich längst überhaupt nicht mehr Zielgruppe bin, viel besser als diese neue „erwachsene“ Version.
Für eine noch etwas ausführlichere Analyse und vor allem sehr passende Modeempfehlungen schaut euch dieses Video sowie seine Kommentare an:
Beitragsbild: Jonathan Hession, Netflix