Darf es „Ein Stück Liebe“ sein?

Die Antwort auf die Frage hat das gleichnamige Theaterstück der Studiobühne Köln und sie lautet definitiv „JA“.  Es gibt verschiedene Arten der Liebe und unterschiedliche Liebesbeziehungen. Doch alle verbindet eins: Das Verlangen akzeptiert und geliebt zu werden. Es gibt Menschen, die können einfacher Worte für ihre Gefühle finden, anderen hingegen fällt es schwer. Doch worauf kommt es bei einer Partnerschaft an und woran erkenne ich eine glückliche Beziehung? Das sind Fragen, die die Aufführung aufnimmt. Bereits im Voraus kündigt das Team an: Wir stellen unsere Beziehungen infrage, damit ihr es nicht tun müsst und genau dieses Versprechen wird eingelöst. Obwohl es bei jeder Szene Potenzial gibt, die eigenen und privaten Beziehungs- und Liebesprobleme zu hinterfragen, fällt es bei „Ein Stück Liebe“ auch nicht schwer, die eigenen Liebessorgen zu verdrängen und über die Beziehungen anderer Menschen nachzudenken.

Die Liebe zu sich selbst

Eine Frau im  Pyjama betritt die Bühne und stellt sich selbst ein paar Blumen an das Krankenhausbett. Es ist ruhig und ihre Bewegungen sind langsam. Vor einem dreiteiligen großen Spiegel begutachtet sie sich selbst und fährt sich mit den Händen über ihren Körper. Sie erzählt, sie war nicht immer mit ihren kleinen Brüsten zufrieden, doch mittlerweile habe sie sich damit angefreundet, schließlich gäbe es auch Männer, denen dieser „jugendliche Stil“ gefalle und sie habe schließlich auch keine Rückenprobleme, wie andere Frauen mit großen Brüsten. Mit dieser Anfangsszene legt das Stück schon zu Beginn den Fokus auf die Selbstliebe. Unaufgeregte und langsame Szenen, die die Gedanken der Figur, gespielt von Annika Hynek, widerspiegeln, die sich selbst die Arme um den Körper legt und sich im Bett ganz klein zusammenrollt, während sie spricht, machen deutlich, wie persönlich und intim die Liebe zu sich selbst doch sein kann. Das muss jedoch nicht immer sein. Körperliche Selbstliebe kann auch ein Fest sein, wie die Schauspielerin beweist. Sie ist plötzlich voller Energie und Selbstsicherheit. Wenn sie beispielsweise ihre Menstruationstasse einsetzt und das Ploppen, wenn sie sich entfaltet in sich spürt, dann ist ihr nach einer Perioden-Party zumute. Amüsant und doch so treffend, ohne sich in stereotypischen Genderrollen zu verlieren, verdeutlicht die Szene: Liebe fängt bei der Liebe zu sich selbst und dem eigenen Körper an.

Liebe wie beim Online-Shopping?

Was darf es sein der Herr? Eine Brünette oder Blondine? Über oder unter 1.75 Meter groß? Soll sie Steinbock oder Löwe sein? Fremdgehen wird zwar in dem Stück als etwas dargestellt, das in der Gesellschaft auf Missachtung trifft, und trotzdem wird es parodiert, als würde es sich bei einem Bordellbesuch um eine Befriedigung der Bedürfnisse handeln, wie man sie auch durch Online-Shopping bekommt. Es gibt Filter und man hat eine Riesenauswahl. Die Empfangsdame, gespielt von Seher Kirec-Nestmann, spricht monoton über Sexualität und macht deutlich, dass Fremdgehen bereits beim Gedanken dazu anfängt. Wenn man sich dazu entschlossen hat, dann ist der Weg zurück nicht mehr möglich. Einmal den Schritt gewagt, die Entscheidung zum Betrügen getroffen – beziehungsweise ins Bordell eingetreten – muss man/Mann dafür zahlen. Doch welchen Preis trägt die Entscheidung? Kann man Betrügen lediglich mit Bargeld oder Kartenzahlung begleichen? Die Szene bringt das Publikum zum Schmunzeln und den Fremdgeher, gespielt von Phillip Marco Schilling, zum Nachdenken. Wie wählt man die Frau zum Fremdgehen? Während einzelne potenzielle Kandidatinnen vorgeschlagen werden, wird das Licht im Publikum angemacht, auf einzelne Zuschauer:innen gezeigt und Bewertungen von vergangenen Kunden vorgelesen. Es herrscht eine unangenehme Atmosphäre auf und vor der Bühne. Das Publikum wird direkt angesprochen und kann trotzdem nicht in das Geschehen eingreifen. So unterstützt das Unbehagen der Zuschauer:innen die Thematik der Szene, die sowohl das Fremdgehen in einer Partnerschaft, als auch die Objektivierung der Liebe zeigt.

Worauf kommt es in einer Liebesbeziehung an?

Wie oft brauchen wir Sex in einer Beziehung? Wo treffe ich meine wahre Liebe: auf Tinder, über eine Freundin oder doch vor dem Supermarkt? Ist der Partner schon bereit für eine gemeinsame Wohnung? Wie oft muss ich mit dem Hund rausgehen, bevor ich meinem Partner deutlich machen kann, dass er mal wieder an der Reihe ist? Letztere Frage kommt von Anna Voßkamp, ihre Figur steckt in einem Dilemma, denn ihr Partner geht, wenn er mal mit dem Hund rausgeht, auch nur wenige Meter. Doch wie spricht man Probleme wie diese an und ist es wirklich so wichtig, dass jeder gleichviel Mühe in eine Beziehung steckt? Eine Antwort gibt die Aufführung nicht, vielmehr macht sie durch die physische Distanz der Schauspieler:innen deutlich, dass Themen wie diese eine Beziehung belasten können.

Ähnliche Probleme herrschen auch in den anderen Partnerschaften, die von Daniel Wegner und Paul Radke gespielt werden und deren Figuren, wenn sie wütend, aufgelöst und verwirrt sind, schon mal losschreien, sich wie ein Monster humpelnd bewegen oder roboterhaft den Macarena-Tanz aufführen. Dabei machen sie deutlich, dass jede Beziehung anders ist, aus Streit und Kompromissen besteht und es nicht einfach ist, auf die Fragen rund um die Liebe Antworten zu finden.  Das kann einen schon mal dazu bringen, durcheinander zu sein und die Gefühle nicht mehr ordnen zu können. Doch womit die Zuschauer:innen herausgehen, ist der Gedanke, dass es jede Art von Liebe wert ist und man mit dem gedanklichen Chaos nicht allein ist, denn darin sind sich die meisten Partnerschaften ähnlich.

Bild und Produktion von zappwerk.

Beitragsbild: zappwerk

Kommende Termine
8. Oktober, 20h
9. Oktober, 20h
10. Oktober, 16h
10. Oktober, 20h
11. Oktober, 16h
11. Oktober, 20h

Tickets bekommt ihr hier.

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