The Life of a Showgirl

Ihr habt doch nicht wirklich gedacht, dass ich als designierte Swiftie dieses Blogs nichts zum neuen Taylor Swift Album schreibe, oder? The Life of a Showgirl ist am 3. Oktober erschienen, wird begleitet von sehr viel Marketingaktivität und bricht seitdem sämtliche Rekorde. Und es ist wahrscheinlich nicht überraschend, dass das halbe Internet eine Meinung dazu hat. Hier die Kurzform von meiner: Ich finde das Album gut. Ich finde das Album aber nicht überragend. Und das ist auch okay so.

I heard you calling on the megaphone…

Kommen wir zur Langversion und dem eigentlichen Thema, über das ich sprechen möchte. Ich will hier nämlich gar keine explizite Albumreview machen. Ich finde viel spannender, was alles rund um dieses Album passiert ist und passiert. Dabei ist es einerseits interessant zu sehen, was Taylor Swift und ihr Team selbst alles in der Öffentlichkeit aktuell tun, andererseits was die Reaktionen auf das Album und die ganze Aktivität drumherum sind.

Seit Taylor Swift ihre Eras Tour Ende 2024 beendet hat, haben ihre Fans sehnsüchtig darauf gewartet, was sie wohl als nächstes tun wird. Ich hoffe vor allem, sie hat sich nach zwei Jahren Tour erstmal ausgeruht. Aber es gab große Hoffnungen auf eine Dokumentation der Tour oder die nächste Wiederaufnahme eines ihrer früheren Alben, insbesondere reputation (mit dem Thema Taylor’s Version habe ich mich schon mal ein bisschen in diesem Beitrag beschäftigt). Als großer Meilenstein ihrer Karriere kam jedoch im Mai erstmal die Bekanntgabe, dass Taylor Swift offiziell die Master all ihrer ersten Studioalben zurückgekauft hat und somit nun die volle Kontrolle über ihr komplettes Werk hat (siehe vorgenannter Blogbeitrag). Das gab viel positive Resonanz für sie, unter anderem auch, weil es sich um einen Meilenstein für die Musikgeschichte als solche handelt. Etwas gedämpftere Reaktionen erhielt danach ihre Verkündung, dass es wahrscheinlich somit keine Taylor’s Version von reputation geben wird. Die Fans hoffen natürlich weiterhin.

Die Euphorie war dafür umso größer, als quasi aus dem Nichts im August die Ankündigung für ein neues Album kam. Interessant ist hier, auf welche Weise diese kam. Die Bekanntgabe inklusive Enthüllung von Albumcover und Songliste machte Taylor Swift nämlich im Podcast ihres Freundes Travis Kelce, New Heights. Die einige Wochen später verkündete Verlobung der beiden, deren Instagram-Post zu denen mit den meisten Likes jemals gehört, geschah übrigens nach der Aufnahme. Sowohl die Einbeziehung ihres eigenen Freundes (und seines Bruders) als auch die Kontrolle über die Art der Ankündigung und welche Informationen die Öffentlichkeit erhält, sind schon bezeichnend für die Showgirl-Era. Denn angefangen mit dem oben genannten Kauf ihrer Alben-Master geht es bei Taylor Swift und der Persona dieser Era eindeutig darum, die Kontrolle und Deutungshoheit über ihr Leben und ihr Werk zu präsentieren.

Seit dieser Ankündigung lief also die Marketingmaschinerie und mit ihr die Spekulationen, welche Era es wohl diesmal werden würde. The Life of a Showgirl beschwört ja gewisse Erwartungen. Und die zugehörigen Promofotos sind im Style so sexy, freizügig und verrucht wie noch nie gewesen. Ständig gab es neue Countdowns für irgendwelche Sondereditionen des Albums, die immer nur für kurze Zeit verfügbar waren, mit unterschiedlichen Covern. Als die Version mit dem zugehörigen Cardigan in den Shop kam (seit dem Song cardigan vom Album folklore wurden nach und nach für alle Alben unterschiedlich farbige Cardigans herausgebracht), bin ich kurz ins Wanken geraten – ich mein, er hat Glitzer –, aber so viel Geld für Polyester wollte ich dann doch nicht ausgeben, mal abgesehen davon, dass ich weder einen Platten- noch einen CD-Spieler besitze. Über diese ganzen Album-Variationen kann man denken, was man will. Ich würde sagen, wenn man sie nicht kaufen will, können sie einem ja eigentlich ziemlich egal sein, und die Promofotos kann man sich trotzdem anschauen.

The Official Release Party of a Showgirl

Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um nochmal kurz einzuschieben, wie wahnsinnig die Schnitzeljagd nach irgendwelchen Zeichen und Easter Eggs zwischen Swift und ihren Fans ist. Alles, was sie tut und zeigt, kann ein Symbol, ein Verweis sein oder sich auf irgendwas beziehen. Ich finde manchmal gar zu gruselig, was mir alles so von besessenen Fans (es gibt hier wirklich kein anderes Wort) in die Social-Media-Timelines gespült wird. So kam es auch, dass schon gemunkelt wurde, dass irgendetwas Swift-bezogenes in die Kinos kommen würde, weil reservierte Slots für geheime Vorführungen in vielen Kinos zum Release-Wochenende gefunden wurden. Schließlich wurde wirklich dann angekündigt, dass ein filmischer Albumrelease in ausgewählte Kinos kommen würde. In den USA hatte Swift dafür offenbar einen Exklusivvertrag mit einer Kinokette (Stichwort: Kontrolle über das Werk), für andere Länder musste man ganz schön recherchieren, um herauszufinden, ob es Vorführungen gab. Und ja, ich saß mit den Websites von den drei nächstgelegenen Kinos offen da, als die Tickets hier freigegeben wurden und entsprechend alle Websites wegen des Ansturms erstmal abstürzten. Sie hätten es wirklich besser wissen müssen.

Für alle, die nicht so verrückt sind, 18€ für einen 90minütigen Begleitfilm zum Albumrelease auszugeben, hier die Zusammenfassung, was bei dem Event so passierte: Das Kino war wie immer ohne besondere Extras zur Sonderveranstaltung, aber die Swifties haben natürlich geliefert. Ob Outfits oder Freundschaftsarmbändertausch, es war wie ein kleines Revival der Eras Tour Konzerte. Der Film selbst bestand aus dem Musikvideo für die ausgekoppelte Single The Fate of Ophelia, dem Making-Of des Videos sowie kurzen Erklärungen von Taylor Swift zu allen Songs und dann den Lyric Videos. Also ja, viel mehr als das Album gemeinsam zu hören mit ein bisschen bisher unveröffentlichtem Begleitmaterial war es nicht. Das Besondere war also eher die Stimmung und wie im Kinosaal bereits zu dem morgens erst erschienenen Album mitgesungen wurde. Schön auch wie das ganze Kino – denn natürlich hatten fast alle das Album bereits vorher (mehrfach) gehört – lachen musste, als klar wurde, dass hier die clean versions gespielt wurden. Also die Versionen von Songs, in denen Wörter wie „dick“, „bitch“ oder gar die unerhörte Liedzeile “his love was the key that opened my thighs” entschärft wurden. Bei den ein paar Tage später auf YouTube veröffentlichten entsprechenden Videos sind zum Glück die unzensierten Songtexte drin.

Was ist also jetzt mit dem Album selbst? Nun, es hat das größte Debüt in den USA jemals hingelegt, Rekorde bei Spotify gebrochen und Taylor Swift noch höher in der Rangliste der erfolgreichsten Künstler:innen aller Zeiten gebracht. Für den Erfolg dieser Frau gehen also langsam die Superlative aus. Aber natürlich kommen auch aus allen Löchern die Hater gekrochen. Versteht mich nicht falsch, die gibt es gerade bei Taylor Swift dauerhaft – ganz ehrlich, man kann es fast schon als einen Charaktertest sehen, wie vehement jemand verkünden muss, sie scheiße und ihre Fans lächerlich zu finden. Aber je nach dem in welche Bubble der eigene Algorithmus einen so geschmissen hat, kann man aktuell den Eindruck bekommen, Showgirl wäre das schlechteste Album jemals. Und das ist es ganz sicher nicht. War ich ein bisschen enttäuscht nach dem ersten Hören? Ja, das gebe ich offen zu. Aber das heißt nicht, dass ich das Album nicht von Anfang an auch mochte. Es ist, meiner Meinung nach, ein Album, das man wunderbar einfach in einem durchhören kann, während man beispielsweise putzt oder durch die Wohnung tanzt. Mir fehlten einfach die herausragenden Banger ergo die Songs, die mir nach dem ersten Hören direkt im Kopf geblieben wären (looking at you, Down Bad). Die Songs sind alle ziemlich eingängig und poppig und hören sich eben nach Taylor Swift an. Und zwar nach einer Taylor Swift, die gerade offenbar das beste Jahr ihres Lebens hat. Nach einer, die in jeder Radio- und Talkshow ihren Verlobungsring stolz präsentiert und selbstgebackenes Brot mitbringt und von ihrem Verlobten schwärmt. Und wenn jemand etwas gegen erfolgreiche, glückliche Frauen hat, dann wohl das Internet (und das Patriarchat).

Nein, ich habe immer noch kein Tiktok. Ja, ich hänge trotz des grausigen Algorithmus immer noch auf Twitter. Da das aber inzwischen dazu verkommen ist, dass meine halbe Timeline nur noch aus TikTok-Clips besteht, würde ich mal behaupten, dass der Diskurs von dieser Plattform auch zu mir übergeschwappt ist. Und ganz ehrlich, was da so kommt, kann einem echt den Spaß verderben (abgesehen von den Tanzclips zu Ophelia). Zwar gibt es natürlich zu jedem Album sowohl Fans, die ihrer Enttäuschung lautstark Luft machen, als auch Hater, die einfach nur ihren Hass über eine Frau und ihre Musik überall loswerden wollen, aber die ganze Negativität, die gerade so durchs Internet schwappt, finde ich unglaublich anstrengend. Taylor Swift muss niemandem mehr etwas beweisen. Sie hat bis an ihr Lebensende ausgesorgt. Dass sie als nächstes eine große Hochzeit plant, statt tiefgründige deprimierende Songtexte zu schreiben, ist ihre Sache. Das Album muss nicht jedem gefallen und ihre ganze Marketingstrategie darum auch nicht (die Covervariationen sind jetzt von Songvariationen begleitet). Wer die alten Alben besser findet, kann ja diese problemlos statt des neuen hören, sie sind alle verfügbar und sie gehören nun alle komplett Taylor. Es gibt durchaus valide Kritikpunkte an der ganzen Marketingmaschinerie und wie gesagt, hat auch mich das Album nicht direkt komplett abgeholt. Vielleicht bin ich und sind viele andere auch einfach nicht in diesem happy-go-lucky Zustand, in dem sich Taylor Swift gerade befindet. Aber ich kann trotzdem sagen, ich gönne ihr den Erfolg und das Glück von Herzen (parasoziale Beziehung lässt grüßen). Die Erwartungen, die Menschen an sie und das Album hatten, hätte sie sowieso nicht erfüllen können. Aber die reinen Zahlen seit dem Release sprechen jedenfalls für sich. Und ich würde auch nicht ausschließen, dass, wenn ich das Album noch zwanzigmal höre, wenn ich die Texte endlich mitsingen kann, dass es mir dann doch deutlich besser nochmal gefällt als jetzt.

Zum Schluss noch die guten Nachrichten der Woche für Swifties: Am Montag wurde tatsächlich endlich die langersehnte Doku über die Eras Tour und ein neuer Konzertfilm, der diesmal die letzte neue Era The Tortured Poets Department enthält, angekündigt. Ihr wisst also, was ich am 12. Dezember mache. In diesem Sinne:

Thank you for the lovely bouquet
I’m married to the hustle
And now I know the life of a showgirl, babe
And I’ll never know another

Beitragsbild: Populärkollektiv

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