Das Romandebut BILLIE von Stefan Cordes macht in meinen Augen etwas Großartiges und Wichtiges. Es nimmt sich einer weiblichen, historischen Figur an und erzählt ihre eher unbekannte Geschichte. Vor allem Frauen wurden in der Geschichtsschreibung wenig beachtet. Nicht, weil sie nicht erzählenswürdige Dinge vollbracht hätten, sondern weil die Welt schon immer von Männern regiert und Geschichte von Männern geschrieben wurde. Und unter genau diesen patriarchalen Strukturen litt auch die deutsche Dichterin Sybilla Schwarz, kurz Billie, zu ihrer Zeit.
Aber erstmal ein paar Worte zum Inhalt
In Pommern herrscht Krieg. Und im Krieg sind auch Frauen und Mädchen nicht sicher vor Gewalt. Als jüngste von drei Schwestern rebelliert Billie in Zeiten des dreißigjährigen Krieges immer wieder gegen die Unterdrückung von Frauen. Sie kämpft mit ihren Schwestern im Auge des schrecklichen Kriegs ums Überleben. Vor allem fordert sie Bildung ein, die für sie als Mädchen nicht vorgesehen ist. Sie liest und sie schreibt Gedichte gegen die Verzweiflung, die Gewalt und die Unterdrückung. Und über ihre Freundin Judith, für die sie Gefühle hegt, die sie selbst nicht ganz einordnen kann.
Meine Meinung
Der Roman erzählt die Geschichte der deutschen Dichterin Sybilla Schwarz, die zur Zeit des dreißigjährigen Kriegs aufwächst. Als der Roman einsetzt, ist Billie dreizehn, am Ende der Geschichte ist sie 17. Es handelt sich also durchaus um eine Coming-of-Age Geschichte, auch wenn das Buch definitiv kein Jugendbuch ist. Stefan Cordes bedient sich einer bildhaften, blumigen und etwas kindlichen Sprache, die in meinen Augen sehr gut zu der jungen Protagonistin passt, die sich der Poesie verschreibt. Ich hätte mich sogar gefreut, wenn der Schreibstil noch ein wenig poetischer, wenn die Dichtkunst zwischen den Zeilen eine noch größere Rolle gespielt hätte. Der etwas kindliche Schreibstil passt zwar sehr gut zu der jungen Protagonistin, baut aber für mein Empfinden etwas zu viel Distanz zu mir als erwachsener Leserin auf. Ich konnte mich durch die kindliche Naivität, die in der Erzählung mitschwingt, hin und wieder nicht so richtig in die Protagonistin hineinversetzen und es ist immer eine gewisse Distanz geblieben.
Der kindliche Schreibstil führt außerdem dazu, dass die teilweise sehr schlimmen Dinge, die im Buch passieren, seltsam abgemildert werden. Um nicht zu spoilern, werde ich hier keine Beispiele nennen. Aber an einigen Stellen hatte ich das Gefühl, dass bestimmte Situationen mehr Emotionen bei mir hätten auslösen können, wenn sie weniger kindlich und mit mehr Tiefe erzählt worden wären. Dieses Gefühl wird noch durch den Umstand verstärkt, dass der Roman eine Zeitspanne von etwa vier Jahren abdeckt. So wurden einige Situationen doch nur oberflächlich erzählt und dem Roman fehlte es in meinen Augen ein wenig an Spannung und Tiefe.
Obwohl ich eine gewisse Distanz zur Protagonistin Billie nicht überwinden konnte, fand ich sie als Figur jedoch wundervoll. Das Buch ist in der ersten Person geschrieben und die Leser:innen nehmen alles durch ihre kindlichen, naiven Augen wahr. Billie ist unerschrocken, mutig, witzig, klug, vorlaut und hin und wieder auch etwas besserwisserisch und nervig, was jedoch nur dazu beiträgt, sie zu einem interessanten und plastischen Charakter zu machen. Sie kann sich nicht mit den starren Rollenanforderungen, die an sie als Mädchen gestellt werden zufriedengeben. Sie möchte nicht heiraten, sondern lernen und Dichterin werden. Diese Überzeugung führt natürlich zu vielen Konflikten und bringt ihr eine Menge Schwierigkeiten. In solchen Momenten habe ich tatsächlich immer sehr mitgefiebert. Dass der Charakter auf einer echten historischen Persönlichkeit basiert, von der ich bisher noch nie gehört habe, finde ich spannend. Es braucht viel mehr Menschen, die die Geschichten eher unbekannter und vergessener Frauen erzählen. Ich wünschte, dass die Beziehung zwischen ihr und Judith noch ein wenig mehr Raum bekommen hätte. Auch hier hat es mir ein wenig an Eindrücklichkeit und Tiefe gefehlt.
Fazit
BILLIE konnte mich mit einer mutigen, toll erzählten Heldin mit Ecken und Kanten begeistern, wie es sie öfter geben sollte. Der blumige, kindliche Schreibstil passt sehr zur Heldin und zur Geschichte selbst. Zum Teil ging mir der Roman allerdings nicht genug in die Tiefe und hat durch den Erzählstil nicht genug emotionale Nähe aufgebaut.
Vielen Dank an Penguin Random House für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Beitragsbild: Jennifer Wilken-Wetzstein
