Where the f is Kate?

Wer in der Öffentlichkeit steht, muss leider damit rechnen, dass sein Privatleben bis aufs kleinste Detail ausgeschlachtet wird. Nicht umsonst haben Stars ganze PR-Teams und Medienmanager:innen, aber die Kontrolle über alles haben sie dadurch lange nicht. Dass man nach Klatsch und Tratsch aus dem Leben von Prominenten giert, ist natürlich keine neuzeitliche Entwicklung. Wo jedoch früher hauptsächlich Paparazzi und Boulevardjournalist:innen ihr Unwesen trieben, hat der Aufschwung von Smartphones und Social Media natürlich dazu geführt, dass noch viel mehr Fotos, Videos und Meinungen öffentlich zugänglich sind. Und umgekehrt wohl auch sehr viele Menschen das Gefühl haben, ein Recht auf die sofortige Verbreitung von Informationen über Personen öffentlichen Interesses zu haben.

Wer schon immer sehr im Fokus der Aufmerksamkeit stand, sind königliche Familien, was an sich ja schon ein Faszinosum ist. Warum interessieren sich Menschen so für die? Ich bin keine Royalistin oder Adelsexpertin, habe weder Livestreams von Hochzeiten, Beerdigungen oder Krönungen des britischen Königshauses verfolgt, noch finde ich diese Leute meist besonders spannend, und doch weiß ich mehr über sie als ich eigentlich möchte. Daher habe ich auch erst nur die Augen verdreht, als mir in meine Social Media Feeds (hauptsächlich auf Twitter, ja das habe ich immer noch und ja ich weigere mich weiterhin, es X zu nennen) sehr viel zu Kate Middleton in den letzten Wochen gespült wurde. Aber nach und nach kam doch auch Faszination meinerseits für die Entwicklungen hinzu, insbesondere eben auch aus einer medienkulturwissenschaftlichen Perspektive.

Was ist passiert?

Kate Middleton alias Catherine, the Princess of Wales, und höchstwahrscheinlich zukünftige Königin von Großbritannien war seit Weihnachten 2023 nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Was für jemanden, die so unter Beobachtung der Öffentlichkeit steht wie sie und deren Job hauptsächlich in Repräsentanz besteht, ja schon eine Leistung ist und dementsprechend zu Spekulationen führte. Die offizielle Info von Palastseite war wohl, dass sie sich einer geplanten Bauchoperation im Januar unterzogen hätte und zu Ostern wieder auftreten würde. Aber wie das Internet so ist, stürzten sich alle darauf. Warum war parallel zu einer geplanten Bauchoperation auch eine geplante Reise angekündigt gewesen? Warum hatte es Krankenwagen gegeben? Warum war fast niemand aus ihrer Familie dabei fotografiert worden, wie er oder sie Kate im Krankenhaus besuchte? Die Theorien schlugen hoch und ich war teilweise etwas schockiert von dem, was ich da so alles, ohne es aktiv zu suchen, zu lesen bekam. Dass sie einen BBL (einen Brazilian Butt Lift, der wohl genau die Zeit zum Verheilen braucht) hatte, kann man ja noch lustig finden. Aber es gab auch Spekulationen zu häuslicher Gewalt und, was ich am wildesten und schrecklichsten fand, die Theorie, dass eins ihrer Kinder sie aus Versehen nach Weihnachten getötet hätte und man noch keinen Weg gefunden hätte, wie man das öffentlich darstellen könnte. Parallel kam irgendwann auf, dass Prinz William eine Geliebte hätte, deren Foto dann auch rumging. An dem Punkt war mir das noch alles ziemlich egal.

Zum britischen Muttertag wurde dann nach ein paar Schnappschüssen, auf denen sie vielleicht zu sehen gewesen sein könnte, ein offizielles Foto von Kate mit ihren Kindern veröffentlicht. Doch anstatt die Gemüter zu beruhigen, hatte das genau den gegenteiligen Effekt. Grüne Bäume im März und Bildfehler, die es sehr offensichtlich machten, dass das Foto bearbeitet worden war. Schließlich ging es so weit, dass große Nachrichtenagenturen wie AP, AFP und Reuters sogenannte kill notifications herausgaben, die das Foto als manipuliert zurückzogen und die Glaubwürdigkeit der Quelle aka Kensington Palace diskreditierten. Es folgte eine interessante Reaktion, nämlich ein Social Media Post, in dem Kate höchstpersönlich die Schuld für das verunglückte Foto auf sich nimmt, sie sei Amateurfotografin und würde wie alle anderen daher auch mit Bildbearbeitung experimentieren.

Aber ich würde sagen, ab da war es dann ein PR-Desaster sondergleichen. Ich habe sicher nur einen Bruchteil der Analysen (immer noch unfreiwillig) gesehen, aber quer über alle Social Media Plattformen sowie natürlich auch inzwischen in der Presse ging es heiß her. Wahrscheinlich dürfte spätestens jetzt auch bei euch anderen das Thema aufgepoppt sein. Hier kann man in ein sehr tiefes Rabbit Hole fallen. Wer dazu also die Muße hat, viel Spaß!

Die „Auflösung“ kam dann schließlich in Form eines Videos: Kate ist an Krebs erkrankt. Wie auch der britische König selbst, was ebenfalls vor einigen Wochen bekanntgegeben wurde, aber das schien Leute sehr viel weniger zu interessieren als der Verbleib von Kate.

Natürlich sind mit dieser Verkündung jetzt nicht alle Spekulationen eingeschlafen und, dass der Wunsch der Prinzessin nach Ruhe zum Heilen und Umgang mit der Situation mit ihren Kindern erfüllt wird, scheint doch eher unwahrscheinlich.

Kensington Palace sucht PR-Berater:in (m/w/d)

Ich hätte ja gedacht, dass gerade die Royals eines der besten PR-Teams der Welt haben müssten, immerhin ist ihre Hauptarbeit doch das Wahrnehmen öffentlicher Aufgaben, ergo eine Darstellung der Personen und Familie immer enorm wichtig. Und die britische Yellow Press war nun auch noch nie für ihre Zurückhaltung bekannt, da würde ich dutzende Kommunikationsstrategien zu allen möglichen Szenarien erwarten. Daher ist es – neben der Funktion von Gossip, die ich nicht erst seit #MeToo für sehr gesellschaftsrelevant halte – dieser Aspekt, der mich an der ganzen Geschichte so fasziniert. Wie kann es sein, dass so schlecht editierte Bilder veröffentlicht werden? Als ob, selbst wenn Kate das selbst bearbeitet haben sollte (und sind wir ehrlich, diese Chance ist ja nun minimal), sowas nicht noch mindestens von einer professionellen Stelle abgenommen werden muss. Und wer hielt es für eine gute Idee, dass die krebskranke Frau persönlich dann jetzt den Kopf dafür hinhält? Man hätte ja beispielsweise dann das unbearbeitete Foto publizieren können. Natürlich kann auch das beste PR-Team keine Kontrolle erlangen über so einen Medienmonsun, wie er um Kates Verschwinden entfacht wurde. Aber ich bin doch sehr erstaunt, wie schlecht die Gegenmaßnahmen waren. Skandale und ihr Umgang damit sind dem britischen Königshaus nun doch wahrlich nicht fremd. Also vielleicht sind da gerade ein paar Jobs offen im Team rund um die königliche Familie.

Dass die Öffentlichkeit das Gefühl hat, sie hätte so ein Anrecht darauf zu wissen, was im Leben von diesen Personen passiert, und was für komplexe parasoziale Konstrukte dahinterstecken, steht natürlich nochmal auf einem anderen Blatt und lässt mich auch den Kopf schütteln. Es ist doch etwas schockierend, wie schnell sich alles von oberflächlichem Klatsch bis zu tiefgehenden Verschwörungstheorien aufbaut, von denen ich sicher nur einen Bruchteil gesehen habe und vermutlich ein größerer Teil, als uns allen lieb ist, zu ernst gemeint ist. Doch das Gefühl, dass hier Informationen vorenthalten werden, ist wohl so mächtig, dass die Leute ihren Kopf und ihren Anstand zum Teil verlieren, obwohl es sie in keiner Weise selbst betrifft und ihnen auch keine Aufklärung geschuldet wird. Aber das scheint wohl heutzutage der Preis des öffentlichen Lebens zu sein, the private is public und keine Kommunikationsstrategie der Welt kann offenbar die Neugier der Menschen abfangen.

So oder so, immerhin scheint das Thema nun zumindest das Interesse meiner Social Media Algorithmen etwas zu verlieren. Und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, wenn ich auch wieder zurück in mein Leben kann, in dem das Leben von britischen Royals keine große Rolle spielt. Trotzdem natürlich gute Genesung an Kate Middleton, sowohl vom Krebs als auch dem Chaos ihrer öffentlichen Wahrnehmung und Ansprüche!

Beitragsbild: Kensington Palace

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