Dass sich die Welt gerade rasend schnell um uns herum verändert, heißer wird, extremer wird, beschäftigt uns alle aktuell vermutlich auf die ein oder andere Weise. Während sich manche in die Diskussionen schmeißen, versuchen sich andere vor dem Klimanotstand zu verschließen. Wie bei vielem Schweren ist es manchmal leichter, sich gar nicht mit dem Thema zu befassen, als sich Lösungen mühsam zu überlegen. Trotzdem mahlen die Gedanken weiter. Wer vielleicht keine schweren Nachrichten dazu lesen, aber sich auf eine künstlerische, emotionale Art damit befassen möchte, für den ist vielleicht ark [creature freedom as utopia] etwas.
Bei ark setzen sich Künstler.in christi knak tschaikowskaja und das Ensemble Unfeed mit dem Klimanotstand auseinander. Libretto-Autorin evdokia michailidou fasst die Performance Opera so zusammen:
Wir haben hier ein mixed-able Ensemble. Es besteht aus Menschen mit (Be-)Hinderung und Menschen, die die binäre Genderaufteilung in Frage stellen und die eine auf der Arche eingeschlossene Diversität repräsentieren. Dieses Ensemble baut sich tänzerisch und singend eine Arche, die symbolhaft versteht, dass als Gemeinschaft die Menschheit nur vorankommen kann und die Konflikte lösen kann, wenn wir das in einem fluiden Fluss, einer gegenseitigen Wahrnehmung und Zusammenarbeit und gemeinsamen Arbeit an den Problemen bewerkstelligen können.
Zentraler Teil des Stückes ist auch ein Libretto, verfasst von evdokia michailidou und Christopher Pieck. Vor gut einem Jahr war christi knak tschaikowskaja an evdokia michailidou herangetreten und hatte sie gebeten für die opera performance „creature freedom as utopia – Salome and Minotaur`“ einen Text zu schreiben. „creature freedom as utopia – Salome and Minotaur`“ ist der Vorläufer von ark [creature freedom as utopia]. Daraus war dann das Libretto, auch in Zusammenarbeit mit Christopher Pieck entstanden. evdokia hatte vorher bereits Texte verfasst, aber die lyrische Form des Librettos war eine neue Herausforderung. Thema des Librettos sind neben des Klimanotstands auch die Menschenrechte. Um das Libretto nochmal intensiver vorzustellen, gab es am vergangenen Freitag eine Libretto-Lesung von evdokia.

Wir benutzen in diesem Libretto eine genderfreie Sprache. Es geht darum, dem Genüge zu tun, dass alle Menschen so angeredet werden, wie sie es für sich in Anspruch nehmen. Wir verwenden diese Sprache ganz zentral im Stück, um hervorzuheben, dass es ein Menschenrecht ist, dass die Menschen so angesprochen werden, wie sie es wollen.
Das Libretto war ursprünglich länger, als es dann in ark vorgetragen wird. evdokia beginnt diese längere Version vorzulesen. Die Bilder, die sie dabei erzeugt, fließen ineinander über. Images werden erschaffen und zerstört. Man* sieht Sterne, reitet mit Pferden in den Sonnenuntergang und hinterfragt die eigene Existenz. Was ist der Mensch? Bisweilen hat die Lesung etwas meditatives, lässt einen erahnen, wie das Stück aufgebaut ist und untermalt die Videoaufnahme des Stücks, die neben evdokia an der Wand läuft. Über das Libretto erzählt evdokia:
Die Sprache im Libretto ist sehr symbolhaft. Die Lyrik ist sehr viel mit Images konfrontiert. Es geht darum, dass man in den Bildern und Images, die sprachlich kreiert werden, atmosphärische Vorstellungswelten und Landschaften erschafft, in denen die Menschheit agiert, sich selbst feststellt, sich selbst entwickelt und Gemeinschaften aufbaut, gemeinsam arbeitet. Die Genderfreiheit ist immanent als Teil dieser Bilder zu begreifen, was eine Offenheit als Metaebene darstellen soll, damit sich alle Menschen auch so einfinden können, ohne Diskriminierungserfahrung erleben zu müssen. Die sprachlichen und lyrischen Bilder gibt es schon sehr lange. Die stehen in einer langen Tradition. Wir haben ganz große Schriftstellerinnen, wie Friederike Mayröcker, die viele Landschaftsbilder und lyrische Bilder erschaffen haben. Es ist schwer, aus diesen Bildern auszubrechen und ganz frei davon zu sein. Aber was ich versucht habe, ist eine Konfrontation herzustellen. In dieser Konfrontation versuche ich, eigene Bilder nochmal zu entwickeln. Das mache ich durch bestimmte sprachliche Stile, aber das mache ich auch durchaus sehr klassisch, indem ich selbst direkte Landschaftsbilder erstelle, die ich dann aber breche, indem ich darüberschreibe, dass vielleicht noch etwas quer schießt.
Das Libretto und die Unterhaltung mit evdokia regen zum Nachdenken an. Wie sind Klimanotstand und genderfreie Sprache noch verbunden?
Eine ganz konkrete Verbindung herzustellen, wäre womöglich ein bisschen schwierig, aber es gibt eine übergreifende Verbindung. Aber die Welt befindet sich nicht nur in einem Klimanotstand, sondern auch die Menschenrechtslage ist in einem Krisenzustand. Wir haben ein weltweites Erstarken von Autokratien. Wir haben gewaltvolle Konflikte, die darauf zurückzuführen sind, dass autokratische Systeme Gewalt provozieren und ausüben. Diese autokratischen Systeme sind nicht nur klimaleugnend, sie unterdrücken auch diktatorisch die Menschenrechte von nicht-binären und anderen Gruppen und allen Menschen, bis hin zur Todesstrafe. In diesem Zusammenhang wollen wir hier eine Arche aus uns in der Performance bauen, um voran zu kommen.
Abschließend meint evdokia:
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Kreatur, das Wesen, die Menschheit und alle Tiere und Pflanzen auf dieser Welt im Angesicht der Klimakatastrophe und der aufkommenden autokratischen Systeme den einzigen Ausweg nur darin sehen können, zusammen so frei wie möglich, so gemeinschaftlich und friedvoll wie möglich etwas aufzubauen, um dem entgegen zu stehen.
Danke an evdokia für das Interview. Wer sich die Performance Opera anschauen möchte, kann das an den folgenden Tagen noch tun:
20.06.2023 – Aufführung im „Malkasten, Kunstverein“, Düsseldorf
28.06.2023 20 Uhr – Theater-Premiere im „Bauturm“, Köln
30.06.2023 20 Uhr – weitere Vorstellung im „Bauturm“, Köln
Weitere Infos zu den Aufführungen im Bauturm hier.
Titelbild: Yonca Sicimoglu

Ein Gedanke zu “ark [creature freedom as utopia] – Performance Opera und Libretto-Lesung”