… weil mein Schatz ein*e Influencer*in ist?! Vielleicht könnt ihr euch noch an das Kinderlied mit den Farben erinnern. Eine Farbe taucht zurzeit gerade sehr oft in meinem Instagram-Feed auf: BEIGE – weder weiß noch braun noch grau. Was früher eher eine Großelternfarbe war, ist heute Trendfarbe Nummer 1. Scrolle ich durch meinen Instagram-Feed, sehe ich in letzter Zeit viele Influencer*innen, die umgezogen sind und ihre neuen Wohnungen und Häuser in sehr cleanem Stil einrichten – großes Sofa, Pampasgras und vor allem alles in Beige. Auch Ihre Kleidung passt sich farblich an die Einrichtung an: Sie kleiden sich in hellen Farben, haben meist blondgefärbte Haare, tragen goldenen Schmuck und natürlich auch den passenden Nagellack dazu. Auch ihre Kinder haben keine bunten Spielzeuge mehr, sondern dürfen sich mit Sand- und Ockertönen zufriedengeben. Egal ob Einrichtungsgegenstände, Mode oder Make-Up: Alles ist von bester Qualität und kostspieligen Marken.
Sie sind das perfekte Chamäleon: Die ganze Familie tarnt sich in ihrer eigenen Wohnung. Ihre beigen Gestalten gehen in den beigen Einrichtungsgegenständen unter. Die beige Farblosigkeit ist der Trend der Stunde: Die Vanilla Girls geben aus TikTok heraus Inspirationen vor und die Vanilla-Ästhetik erobert Kleiderschrank, Kinderzimmer und Lifestyle. Alles wirkt wie durch einen hellen Filter gezogen zu sein – und nach Vanille-Duftkerzen zu riechen – deshalb auch der Name. Auf Instagram sammeln sich unter dem Hashtag #vanillagirl mehr als elftausend Beiträge, bei TikTok hat dieser Hashtag knapp 670 Millionen Aufrufe.

Einige Beispiel bekannter Influencerinnen habe ich euch hier zusammengefasst:
Friede, Freude, Eierschalengelb?
Nein! Die Vanilla-Ästhetik ist aus meiner Sicht nicht bloß ein Trend, sondern geht mittlerweile in eine exklusive Bewegung über. Vanilla Girls sehen nahezu gleich aus: Weiß, jung, dünn, blond, wohlhabend, ohne Behinderungen – also nicht gerade inklusiv und divers. Sie inszenieren ein perfektes Leben – fleckenlos und sauber, duftend, unaufgeregt, skandalfrei, clean, unschuldig. In einem Beitrag der ZEIT wird von pastellfarbener Biederkeit gesprochen – Die jungen Influencerinnen präsentieren sich als moderne und perfekte Hausfrauen – ein patriarchaler Traum. Sie machen sich und das Heim hübsch für den Mann. Trinken Kaffee mit Hafermilch, machen Yoga und schminken sich aufwändig unauffällig.
Der Vanilla-Lifestyle scheint optisch ganz harmlos und harmonisch, doch er ist vor allem eins: Exklusiv. Nicht alle haben Zugang. Aus meiner Sicht geht der Vanilla-Trend eher in Richtung klassistisch und rassistische Strömung. Denn natürlich gibt es passend zur Kleidung oder Einrichtung der Vanilla-Girls kostspielige Produktempfehlungen und Rabatt-Codes für die jeweiligen Shops. Natürlich können alle das kaufen, was sie möchten und sich so einrichten, wie es ihnen am besten gefällt. Jedoch schließt die Vanilla-Ästhetik Personen aus – und zwar nicht nur über den Preis, sondern vor allem sind zahlreiche Produkte wie Kosmetik in der Vanilla-Ästhetik nicht für People of Color. Bei allen Trends sollten sich auch die Influencer*innen überlegen, für was sie stehen möchten. Ihnen sollte bewusst sein, dass nicht alle ihrer Follower*innen die angepriesenen Produkte und den vorgelebten Lifestyle nutzen können. Die Vanilla-Ästhetik sollte aus meiner Sicht deshalb sehr kritisch hinterfragt werden.
Doch warum schießen sich alle so auf beige ein? Steckt hinter dem Trend einfach nur der Wunsch nach einer „heilen Welt“? Beige und die gesamte helle Farbpalette strahlt Ruhe und Ordnung aus. Bei all den Krisen wie Corona, Krieg und Klimawandel ist es kein Wunder und verständlich, dass auf eher konservative Ideale zurückgegriffen werden. Gerade zu Lockdownzeiten haben viele in das eigene Heim investiert, um es sich so gemütlich wie möglich zu machen. Leider verliert sich aus meiner Sicht jedoch in der Vanilla-Ästhetik das Individuelle und auch ein bisschen das Lebendige. Pampasgras, Einheitsfarben und wenig Kontraste münden für mich doch schnell in Trostlosigkeit und deprimieren mich persönlich mehr.
Beitragsbild: Unsplash / Ellie Ellien