Namaste Himalaya – Filmreview

Auch wenn sie auf Youtube schon relativ etabliert waren, in den letzten Jahren sind eine ganze Reihe an selbstgefilmten Reisedokus bei den Streaming-Diensten aufgeplobbt. Ob mit dem Fahrrad nach Peking, mit dem Auto durch Amerika oder einmal quer durch Afrika: Für jeden Geschmack ist was da. Häufig im Alleingang gefilmt, gereist und geschnitten sind die Filme meist simpel und nicht sonderlich revolutionär – aber für mich ein sehr schöner Zeitvertreib. Klar also, dass ich mir auch „Namaste Himalaya“ anschauen wollte, reiht er sich doch, zumindest im ersten Augenblick, in die Reihe dieser Filme ein. Doch schaut erstmal selbst:

Michael und Anna machen sich 2019 auf den Weg, die Welt zu erkunden. Michael reist immer weiter, Anna stößt immer wieder dazu, um als erfahrene Kamerafrau Michaels Reise zu dokumentieren. Jetzt denkt man sich erstmal: Ja okay, ganz normale Reisedoku eben. Doch dann kommt Ende 2019 und Anfang 2020 und Michael ist in China und dann mit Anna in Nepal. Und dann werden auf einmal alle Grenzen zugemacht: Corona, Covid-19, hat die Welt am Schlafittchen gepackt und alles hält den Atem an. Auf einmal steht alles still und auch für die beiden Weltnomad:innen geht es nicht mehr weiter. Nach Deutschland wollen sie nicht zurück, denn da erwartet die beiden nichts. Weiter zu ihrem nächsten Ziel, Pakistan, können sie aber auch nicht. Und so mieten sie eine Hütte in einem Dorf in Nepal und harren aus.

So wie Corona das Leben aller verändert hat, hat es auch den Alltag der Weltreisenden verändert. Während wir in Deutschland uns an die bestehenden Umstände anpassen mussten, taten das natürlich auch die Nepales:innen, und die Weltreisenden selbst in dem kleinen Dorf hatten wiederum andere Umstände: Sie waren nicht Einheimische, aber doch mit einer festen Gemeinde an einem Ort fest verankert. In „Namaste Himalaya“ zeigen sie ihre einzigartige Ausgangslage, wie sie damit umgegangen sind und wie einige Anwohner:innen die Pandemie betrachten. So wird durch diesen Film die Pandemie im Kanon der Reisefilme eingeordnet. Was machen Reisende, wenn es nicht mehr weitergeht? Generell machen Reisefilme auf mich normalerweise einen sehr introspektivischen Eindruck. Sie wollen zeigen, was in Reisenden vorgeht. Klar, auch was er/sie erlebt, aber vor allem wie er/sie über die eigenen Grenzen hinauswächst. In „Namaste Himalaya“ ist auf einmal Stillstand und kaum eine Möglichkeit noch Grenzen auszutesten. Und so verlagert der Film den Fokus auf die Dorfbewohner:innen, die vor größeren Herausforderungen als die (vergleichsweise wohlhabenden) Reisenden stehen.

Diese Perspektive macht den Film sehr schön und abwechslungsreich. Die nepalesischen Protagonist:innen sind alle durchweg sympathisch und charismatisch und bieten trotz Pandemie einen sehr optimistischen Blick auf die Zukunft. Dadurch bekommt der Film trotz traurigen Themas einen schönen Anstrich. Auch sind sich die beiden Filmmacher:innen ihrer Privilegien bewusst, was noch mehr Tiefe in den Film bringt. Zudem sind die Shots einfach wunderschön und man merkt den starken Unterschied zu manch anderen, auf der GoPro gefilmten Reisedokus.

Manchmal hat man nur den Eindruck, dass zu wenig vom Innenleben der Filmemacher:innen preisgegeben wird. Es fehlt ein wenig die Perspektive, wie sie sich gefühlt haben und wie es sie vielleicht verändert hat. Auch das Ende wirkt etwas überstürzt.

Alles in allem ist es aber eine sehr gelungene Doku, die die Pandemie auch im Kontext von Reisefilmen einordnet. Gleichzeitig schafft es „Namaste Himalaya“ auch, die Messlatte für Reisedokus noch einmal anzuheben: Mit stärkerem Fokus auf ein Narrativ, schönen Shots und einem offeneren Blick für die Menschen der Länder, durch die man reist. Mit traumhaften Bildern regt die Doku trotz des Themas zum Fernweh an und öffnet uns „Daheimgebliebenen“ wieder ein bisschen das Tor zur Welt…

Wenn ihr den Film im Kino anschauen wollt, könnt ihr auf der Webseite von mindjazz erfahren, in welchem Kino er in eurer Nähe zu sehen ist: Namaste Himalaya

TItelbild: Anna Baranowski

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