Wir von Populärkollektiv freuen uns immer, wenn wir auch außerhalb unserer Redaktion auf Popkultur-Begeisterte (und Geschädigte) treffen. So geschehen ist das vor Kurzem mit Léo und Kenan vom Podcast „Bleibende Schäden“. Jenni und Alike sind als kleinere Populärkollektiv-Delegation in deren Wohnzimmer-Studio zu Gast gewesen. Die vier haben sich über’s Fan-Sein allgemein, über Jugendheld*innen und über kritisches Fan-Sein unterhalten.

Guilty Pleasure
In der Diskussion zeichnet sich ab: Peinliche Jugendsünden gibt’s bei uns nicht wirklich. Auch wenn eine LaFee, eine Avril Lavigne oder die Wilden Kerle einem heute vielleicht ein bisschen naiv vorkommen, manche Held*innen aus der Kindheit und Jugend waren einfach super wichtig für uns in dem jeweiligen Lebensabschnitt. Dass man sich heute mit Mitte Zwanzig nicht mehr uneingeschränkt mit den Idolen von früher identifizieren kann, ist normal. Es wäre ja auch ein bisschen seltsam, wenn man noch derselbe Mensch wäre wie mit Dreizehn. Manchmal kann es auch sehr befreiend sein, sich kompromisslos zu etwas zu bekennen. Vielleicht ist „I Want It That Way“ von den Backstreet Boys nicht der tiefgründigste Song aller Zeiten. Aber wenn es Spaß macht, mitzusingen, dann sollte das nicht automatisch mit „Guilt“ bzw. Schuld belegt sein.

Ab wann ist man ein Fan?
Wir stellen uns im Podcast-Gespräch die Frage: Ab wann ist man eigentlich Fan? Wenn man sich selbst als einer fühlt? Wenn man es laut ausspricht? Oder wenn jemand anderes einen so nennt? Natürlich gibt es nicht die eine magische Grenze, die Fans und Nicht-Fans trennt. Es ist wohl eher eine flexible Skala zwischen einer komplett desinteressierten und einer emotional und intellektuell extrem involvierten Person. Ob man sich selbst als Fan sieht und bezeichnet, macht auch sozial einen Unterschied. Das hängt damit zusammen, dass Fan-Sein nicht nur positiv konnotiert ist. „Fan“ kommt schließlich von dem Wort „fanatic“ bzw. „fanatisch“ – also einer irgendwie unnormalen Begeisterung für etwas. Und „unnormal“ zu sein bedeutet eben auch, dass es ein „normal“ gibt. Normen sind nicht nur das Mittelmaß der Gesellschaft, sondern soziale Richtwerte, an denen sich die Meisten von uns automatisch orientieren. Normen sind aber nicht auf alle Zeiten festgelegt. Ein Spezialinteresse wie „Fantasy“ kann lange als Nischenthema gelten und dann von einer Serie wie Game of Thrones im Mainstream normalisiert werden. Dazu sind einzelne Fangruppen mit unterschiedlich hohem sozialen Kapital verbunden. Fußball-Fan, Wein-Liebhaber*in, Brettspiele-Enthusiast*in: Für den sozialen Status macht es einen Unterschied, zu welcher Fangruppe man sich bekennt. Wer als CEO im Meeting seine Begeisterung für Ariana Grande anstatt für kubanische Zigarren zu erkennen gibt, der verhält sich nicht entsprechend dem erwarteten Habitus.

Kritisches Fan-Sein
Während man als Fan meistens nur wenig Einfluss darauf hat, wie das eigene Fan-Sein sozial bewertet wird, kann man sich durchaus kritisch mit dem eigenen Fan-Sein auseinandersetzen. In den seltensten Fällen kann man heute noch etwas uneingeschränkt gut finden. Kein*e Künstler*in ist frei von gesellschaftlichen Einflüssen und problematischen Verhaltensweisen. Als Fan ist es dann wichtig, sich selbst und den eigenen Fan-Konsum kritisch zu hinterfragen. Wen unterstütze ich mit meinem Geld und meiner Aufmerksamkeit? Wer profitiert letzten Endes davon? Mit welchen Werten meines Idols kann ich mich absolut nicht mehr identifizieren? DAS aktuelle Beispiel, das natürlich auch bei uns im Gespräch aufgekommen ist, ist J.K. Rowling. Das Harry-Potter-Fandom durchlebt eine kollektive Fan-Krise, da die Autorin sich wiederholt transfeindlich positioniert. Manche würden es dann gerne wie Barthes oder Foucault halten und die Autorin frühzeitig unter die Erde schicken.

Wenig überraschend ist das keine gute Lösung für das Problem. Warum genau, das beschreibt zum Beispiel Lindsay Ellis sehr präzise in ihren Videos zu Tod des Autors und J.K. Rowling. Ganz auflösen lassen sich solche Widersprüchlichkeiten nicht. Jede*r Fan muss für sich selbst aushandeln, wie man mit problematischen Künstler*innen umgehen will. Ein guter Weg ist im Zweifel immer, die Sachen anzusprechen. Denn wer schweigt, kann auch im Stillen fragwürdige Machtstrukturen unterstützen.
Man könnte noch über viele andere Aspekte von Fan-Sein sprechen und schreiben. Vorerst freuen wir uns aber, dass wir uns zumindest schon mal eine knappe Stunde mit Bleibende Schäden austauschen konnten. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja bald noch mehr zu bequatschen. Wir hoffen, ihr habt auch viel Spaß beim Hören der Folge und könnt etwas daraus mitnehmen. Schreibt uns gerne, was eure Gedanken zum Fan-Sein und kritischen Medienkonsum sind!
Titelbild: Anthony Delanoix/Unsplash