Meine Serie, die Umweltsau

Ein Gastbeitrag von Valeska

Die letzten Wochen haben wir viel für unser Klima getan: Wir waren zu Hause, haben nur das Nötigste eingekauft und sind weder mit dem Auto noch mit dem Flugzeug auf Reisen gegangen. Unser ökologischer Fußabdruck scheint im Frühjahr 2020 relativ klein zu sein. Wobei: ist das wirklich so?

Meinen Tagesablauf prägen zur Zeit vor allem folgende Dinge: Chatten auf WhatsApp, Skypen mit Freund*innen, die entweder weit weg, aber auch zum Teil nur um die Ecke wohnen, ab und an mal eine Runde Yoga auf YouTube und natürlich das allabendliche Programm auf Netflix, AmazonPrime oder den Mediatheken der Fernsehsender. Egal ob Home Schooling, Home Office oder virtuelle Vorlesungen – die meisten von uns verbringen ihre Tage zu Hause vor den Bildschirmen und gestalten auch ihre Freizeit digital. Das lässt sich deutlich in den Zahlen der Anbieter wiedererkennen. In Deutschland verzeichneten Netflix (+128 Prozent), Amazon Prime (+144 Prozent) und Sky Go & Sky Ticket (+190 Prozent) im April 2020 eine große Steigerung ihrer Nutzer*innenzahlen.

So viel CO2 wie ganz Spanien

Was mir lange nicht wirklich bewusst war, ist der Einfluss unserer Internetnutzung auf das Klima. Streaming, Gaming und Videobesprechungen haben einen enorm hohen CO2-Auststoß. In der Badischen Zeitung vom 7. April 2020* entdeckte ich ein Interview mit Clemens Rhode. Er ist Leiter des Geschäftsfelds Energieeffizienz am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe und sagt, dass weltweit so viele Emissionen durch Video- und Serien-Streaming entstehen, wie Spanien jährlich erzeugt – in Zahlen ausgedrückt: Der durchschnittliche CO2-Verbrauch durch Online-Videos liegt bei mehr als 300 Millionen Tonnen pro Jahr (Messzeitraum 2018).

Das kommt vor allem daher, dass es, anders als beim klassischen Analogfernsehen, beim Streaming nicht mehr einen Sender und viele Empfänger*innen gibt, sondern für jede*n Empfänger*in ein eigener Sender zu Verfügung steht. „Das erhöht den Aufwand massiv, weil der Videostream genau zu dem Zeitpunkt verschickt und übertragen werden muss, zu dem der Nutzer ihn haben will. Anders als beim normalen Fernsehen, wo wir eine Senderstation haben, die gleichzeitig Millionen von Menschen bedienen kann, wird eine Streaming-Serie in einem Rechenzentrum irgendwo auf der Welt dauerhaft gespeichert. Dazu kommt, dass die Serie individuell für mich als Datenstrom ausgeliefert wird. Wenn ich und mein Nachbar das Video gucken, muss es auch zweimal übertragen werden,“ ergänzt Rhode.

Die französischen Studie The Shift Project, die 2019 veröffentlicht wurde, fand heraus, dass der Datenverkehr mittlerweile rund 55 Prozent des gesamten Energieverbrauchs im digitalen Bereich ausmache. Denn nicht nur mein Gerät zu Hause benötigt Strom, sondern auch der Server im Rechenzentrum auf dem die Videodatei liegt. Beim Abspielen wird die Datei über mehrere Knotenpunkte an meinen Internetanschluss zu mir nach Hause übertragen. Je größer die Dateien sind, desto mehr Strom benötigt diese Datenübertragung. Je höher die Auflösung, desto mehr Daten sind dafür nötig.

Energieverbrauch unserer IT

Die Deutsche Welle hat den Energieverbrauch dieser Verbindung sehr übersichtlich dargestellt:

„Die digitale Welt verursacht nach Expertenmeinung zwischen 1,7 und 3,7 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen – je nach Studie“, so Dr. Katja Maria Engel, Ingenieurin der Werkstoffwissenschaften, in einem Beitrag des Wissenschaftsmagazins Spektrum. Der steigende Energieverbrauch lässt sich unter anderem auf das veränderte Nutzer*innenverhalten zurückführen. Das immer günstiger werdende mobile Surfen verleitet nicht nur zu einer größeren Nutzung der Dienste, sondern auch zu hochwertigeren und datenreicheren Videos.

Weitere digitale Umweltsünder

Neben dem Streaming von Filmen und Serien, zählen Pornos – Achtung Wortwitz – zu den schmutzigen Angeboten des Internets. Pornografische Videos sind mit rund 27 Prozent aller online angeschauten Bewegtbilder fast genau so vertreten wie Video-on-Demand-Inhalte von Netflix, AmazonPrime und Co (34 Prozent).

Als größter digitaler Umweltsünder kann das Online-Gaming gesehen werden, welches aufgrund der hohen Videoqualität eine noch größere Datenmenge benötigt. Da auf die Eingaben der Spieler*innen sofort reagiert wird, werden hier große Mengen an Strom benötigt. „Dabei bekomme ich mein Spiel als Videostream auf den Rechner, meine Eingaben werden wieder ins Rechenzentrum geschickt. Die Konsole steht also woanders, nicht jeder braucht eine eigene“, so Rhode im BZ-Interview. In Zukunft soll Online-Gaming sogar ganz cloudbasiert wie bei Google Stadia stattfinden.

Schmutzige Hardware

Hinzu kommt, dass allein unsere Endgeräte, die wir fürs Streaming oder Gaming nutzen, nicht wirklich umweltfreundlich sind. Bei ihrer Herstellung entsteht ein hoher Energieverbrauch und es werden viele kritische Rohstoffe wie Edelmetalle und seltene Erden benötigt. Dieser aufwendige Produktionsprozess steht in keiner Relation zu der meist doch sehr kurzen Nutzungszeit. Die steigenden Treibhausgasemissionen der digitalen Angebote lassen sich auch auf den Anstieg der Geräte zurückführen. Dr. Katja Maria Engel zufolge gab es 2017 4 Milliarden Endgeräte, in diesem Jahr werden es 5,5 Milliarden sein. Und es werden immer mehr werden: Unsere künftige Hardware werden wir wohl noch öfter austauschen, weil jede*r von uns die neueste Technologie nutzen will – in höchster Auflösung, mit höchster Datenrate.

Und was kommt sonst noch?

Wenn wir schon dabei sind in die Zukunft zu schauen: Digitalisierung soll in erster Linie in den nächsten Jahren eine gute Möglichkeit sein, Strom zu sparen. Doch die Zahl der Internetnutzer*innen wird genau so wachsen wie die technologischen Erfindungen und die Angebote der Streaming-Plattformen. Wir werden also noch zeitintensiver digitale Angebote nutzen, die durch immer bessere Technik mehr Daten verbrauchen werden.

Wächst dabei der grüne Strom nicht mit, werden die Emissionen durch unsere Internetnutzung weiter ansteigen. Ob Versprechungen der digitalen Anbieter wie die von Amazon, bis 2040 CO2-neutral zu sein, eingelöst werden, wissen wir heute noch nicht. Doch jede*r von uns kann bereits jetzt schon umweltbewusster im Internet unterwegs sein.

Eigene Internetnutzung grüner gestalten

In Relation gesetzt ist es natürlich immer noch besser, den Tatort online zu schauen als von Berlin nach München zu fliegen oder wie Lorenz Hilty, Professor an der Uni Zürich es treffend formuliert: „Ich kann 1000 Arbeitstage lang mit Kollegen in New York über Video konferieren, bis sich ein Flug lohnen würde.“

Doch jeder kleine Schritt kann bereits etwas bewirken und folgende Tipps möchte ich euch nicht vorenthalten:

  • Nutzt wenn möglich WLAN statt mobiler Daten
  • Lokal statt online: Sichert eure Daten auf einer externen Festplatte und nicht in einer Cloud
  • Standard-Video-Qualität senken, wenn ihr sowieso nicht richtig hinschaut oder nur zuhört
  • Autoplay-Funktion deaktivieren, damit nicht automatisch ein neues Video startet
  • Digital ausmisten: Unzählige Fotos und zahlreiche Werbemails – regelmäßiges Löschen solcher virtuellen Karteileichen spart Speicherplatz und damit Strom und CO2
  • Weniger Googeln: Adresse der Website direkt in den Browser eingeben – das spart Serverleistung. Falls ihr doch nach etwas suchen müsst, nutzt alternative Suchmaschinen wie Ecosia. Nach etwa 45 Suchanfragen dort habt ihr die Pflanzung eines Baumes finanziert
  • Fernsehen statt Stream: Auch wenn es keine Straßenfeger wie Wetten, dass…? mehr gibt, lohnt sich vielleicht ab und an ein Blick in das Fernsehprogramm

Wer nun doch noch Lust auf ein Video hat, schaut gerne mal hier rein:

*Der Artikel ist leider nur mit BZ Plus-Abo lesbar

Titelbild: Mollie Sivaram/Unsplash

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