Much wow: Bachelorarbeit über Internet-Memes

Memes sind integraler Teil der Internetkultur. Sie sind so sehr Teil davon, dass ich nicht sehr oft „über“ Memes nachdenke. Aber kürzlich stieß ich auf einem typischen, ungeleiteten Internet-Spaziergang über das folgende Bild:

Memes? | Quelle: @ayshaufarah auf Twitter

Und während ich auf meinen Handybildschirm starrte, nach vermutlich Stunden von semi-interessierten Rumgescrolle, ging auf einmal mein Herz auf. Genau das ist, was ich an Memes liebe! Let me explain.

Memes sind einfach unglaublich komplexer, non-hierarchischer, wilder und freier Content. Sie entstehen (meistens) ohne monetären Einfluss und verbinden Millionen von Menschen. Vielleicht schaut die Highbrow-Kunstgesellschaft auf Internetkultur herunter, aber diese Memes sind riesige Massenkunstwerke. Erstmal kurz eine Definition von Wikipedia:

„Unter dem Begriff Meme (ausgesprochen [miːm], Mehrzahl Memes, direkt aus dem Englischen) werden verschiedene Manifestierungen eines Kulturphänomens zusammengefasst, das sich durch das Verbreiten kleiner Medieninhalte mit einer meist humoristischen, aufheiternden oder manchmal auch satirischen und entsprechend gesellschaftskritischen Aussage kennzeichnet.“

Quelle: Wikipedia, Artikel zu Meme (Kulturphänomen)

So drückt man das in Fachsprache aus. Ich hab seit Jahren keine Definition zu Memes mehr gelesen, das letzte Mal wohl, als ich meine Bachelorarbeit über Image Macros (Meme-Bildchen) geschrieben habe. Davon möchte ich nun ein wenig erzählen. So wie der Tweet von oben ein wenig erklärt, welche Prozesse und welches Vorwissen vorhanden sein müssen, damit man den Witz versteht, so habe ich das auch zum Teil in meiner Bachelorarbeit gemacht. (Der Tweet referiert auf ein Vine von Anthony Padilla, HIER könnt ihr es euch anschauen, wenn es euch nicht bekannt ist.)

One does not simply write a thesis about memes

Memes werden häufig gerade durch die Wiederholung lustig(er). Es entstehen ganze Narrative mit einer Art Meme, manche Leute kombinieren Memes, kommentieren Memes mit den Memes, die sie kommentieren. Die Kombinationsmöglichkeiten sind unendlich. Die Legostücke des Internets quasi. In meiner BA habe ich zunächst untersucht, ob gewisse Memes eine gewisse Strenge haben, in Bezug auf welche Wörter oder Sätze man darin verwendet und eine gewisse Strenge in Bezug auf die Bedeutung/Verbindung zur*m Urheberin haben. Das hat also Wortvorgaben zur Folge, die normalerweise bei der Weiterverbreitung eines Memes eingehalten werden müssen. Manche Memes haben aber auch immer die gleiche Bedeutung (Also ist es was gutes, was schlechtes, o.ä.) oder sind als Appell, Meinung, Vergleich, o.ä. formuliert, also etwas, das etwas über die Beziehung des*r Urheber*in zum Meme aussagt. Was für „klassische“ Künstler die Farbenlehre und der goldene Schnitt ist, das sind bei Memes eben diese Regeln, die für verschiedene Memes befolgt werden müssen. Ich erkläre das mal am Beispiel „One does not simply…“

One does not simply walk into Mordor | Quelle: knowyourmeme

Das Meme stammt aus dem Film Herr der Ringe und im allgemeinen steht oben immer „One does not simply“ und lediglich der untere Teil wird immer abgeändert. Hier sieht man ein Beispiel davon:

Beispiel für „One does not simply“ | Quelle: Mememaker

Dieses Meme hatte ich bei der Bachelorarbeit auf der Skala der „wörtlichen“ (syntaktischen) Strenge sehr hoch eingeordnet und auch relativ hoch auf der Bedeutungsstrenge (semantisch/pragmatisch), da der untere Teil eine Sache ist, die man nicht einfach so macht, ob das nun ironisch oder buchstäblich gemeint ist. Also das ist eine immer wiederkehrender Ausdruck von „Das macht man doch nicht einfach so“. Nur die spezifische Sache wird ausgetauscht. Das Gefühl bleibt das gleiche. Und das meine ich mit wahlweise Bedeutung oder Beziehung zur*m Urheber*in. Nach diesem Verfahren habe ich mehrere Memes eingeordnet. Danach habe ich eine Umfrage durchgeführt, um zu untersuchen, wie diese Memes verstanden und angenommen werden.

Memes haben Regeln

Ich wollte für die Umfrage vier Memes nehmen, die alle eine unterschiedliche Ausprägung der zwei Strengen hatten. Dabei kann zum Beispiel die Wortvorgabe sehr streng sein und die Bedeutung oder Beziehung zu dem*der Urheberin (also in Form eines Appells, einer Meinung, oder ähnlichem) oder sie kann sehr flexibel sein bzw. überhaupt nicht streng. Dazu kamen noch zwei Memes, die je nur eine der Strengen erfüllten. Letztenendes wurden die Memes „Success Kid“ (keine Wortvorgabe, aber eindeutige Bedeutung/Beziehung zum Creator), „Be like Bill“ (Wort- und Strukturvorgabe, eindeutige Bedeutung/Beziehung zum Creator), „Inception“ (Keine Wortvorgabe, keine feste Bedeutung) und „Not sure if“ (Wortvorgabe, aber freie Bedeutung/Beziehung zum Creator) genommen.

Diese Memes folgen auf die eine oder andere Art Regeln. Manche sind dabei etwas fester und andere sind nicht so fest in ihrer Struktur. Über diese meist unausgesprochenen Regeln (außer man schaut sich gerade die knowyourmeme Seite dazu an) wird mehr produziert, als im Text oder im Bild eindeutig gemacht wird.

Wir alle lieben Ordnung

Ich kürze jetzt ziemlich viel ab, aber im Grunde genommen habe ich ermittelt, dass Memes mit wenig Strenge (also „Inception„) nicht so leicht verstanden werden und nicht so beliebt sind, wie die anderen. Gleichzeitig war Success Kid das beliebteste von allen Memes, direkt gefolgt von Not sure if. Success Kid wurde zudem auch besser verstanden als Not sure if.

Gleichzeitig kam ich zu dem Schluss, dass die Memes gar nicht so unterschiedlich wahrgenommen werden, wie ich angenommen hatte. Natürlich sind willkürliche Systeme, die auf komplexeren Strukturen basieren, wie etwa „Inception“ schwerer zu verstehen, als einfache, ein-Panel-Memes. Gleichzeitig fallen einem bei streng formulierten Memes, wie „Be like Bill“ am einfachsten Fehler auf. Außerdem steigt die Zufriedenheit der Menschen, wenn sie schnell den Eindruck bekommen, das System eines Memes verstanden zu haben. Natürlich ist schwer, die Memes einfach so miteinander zu vergleichen, trotzdem gab es zwischen allen signifikante Unterschiede. Wenn das ein Beauty-Contest gewesen wäre, hätte „Success Kid“ definitiv in Beliebtheit und Verständlichkeit gewonnen, was auch immer mein Eindruck im Internet war. Aber es ist zum Glück ja kein Wettbewerb und daher: Wenn ihr ein beliebtes Meme erschaffen wollt, achtet vor allem darauf, dass es im Bedeutungsgrad und der Beziehung zur*m Urheber*in, in etwa dem „Success Kid“ entspricht. Also eine positive Nachricht, die aus dem persönlichen Leben des Creators spricht, aber auch „relatable“ für alle ist.

„Profi-Memers“ und „Beginner-Memers“

Zudem ermittelte ich in meiner BA, dass die Profis, welche die Memes bereits vorher kannten, auch leichter Memes feststellen konnten, bei denen sich nicht an diese Regeln gehalten wurde. Je länger man sich mit Memes auseinandersetzt, desto mehr versteht man also die Regeln, das Vorwissen und den Kontext der verschiedenen Memes. Also je mehr Memes wir konsumieren, desto mehr verstehen wir sie. Das ist wahrscheinlich gar nicht überraschend.

Es ist mittlerweile mehrere Jahre her, dass ich diese BA geschrieben habe und wenn ich sie mir so anschaue, hätte ich sicherlich vieles anders gemacht. Aber ich finde es immer noch interessant, wie viel hinter diesen einfachen, „lustigen“ Bildchen im Internet versteckt ist. Memes sind komplexe Kunstwerke, Gesellschaftskritiken und ein Teil des allgemeinen Diskurses, den man nicht einfach außen vor halten kann. Wenn man Memes kategorisch ausschließt, verliert man auch einen großen Teil des gesellschaftlichen Wissens und Spaßes, den man vielleicht verspüren könnte, wenn jemand anderes die Melodie von „Two bros, chilling in a hot tub…“ summt…

Was denkt ihr dazu? Stimmt eure persönliche Erfahrung mit dem, was ich geschrieben hab, überein? Welches ist euer Lieblingsmeme? Schreibts in die Kommentare!

Quelle: Imgflip

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