Regelmäßig passiert etwas Schreckliches in der Welt. Der Amazonas brennt. Es gibt Demonstrationen in Hongkong. In Sudan herrscht Bürgerkrieg. Und häufig berichten „die Medien“, also die Zeitungen, die man halt so liest gar nicht oder kaum darüber. Unter Einbezug dieser Tatsache posten viele dann in den Sozialen Medien Beiträge über diese Tatsache, regen sich darüber auf und wollen aufmerksam machen.
Einen Schritt zurück. Während des Bachelors war eine meiner Lieblingstheorien die von Axel Bruns. Axel Bruns hat in einem Text Gatekeeper und Gatewatcher definiert.1 Ich fasse mal grob zusammen: Die „alten Medien“, also speziell Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen, bezeichnet Bruns in der Phase vor dem Internet als Gatekeeper. Soll heißen: Sie stehen am Tor der Information und regulieren welche Informationen an die allgemeine Öffentlichkeit weitergegeben werden. Sie erfüllen dabei mehrere Funktionen: Sie sortieren die Informationen, sie organisieren sie und bereiten sie für die Öffentlichkeit auf. Da verschwinden auch mal Informationen, die die Gatekeeper für die Öffentlichkeit nicht für relevant hält. Dabei gehen Journalist*innen im Allgemeinen anhand der Nachrichtenwerte2 vor. Das Wichtige bei den Gatekeepern ist aber vor allem: Sie entscheiden, was die Öffentlichkeit erfährt, sie haben der Herrschaft über die Informationen.
Bruns geht dann weiter und definiert den Gatewatcher. Anders als die Gatekeeper, hat der Gatewatcher nun nicht mehr so viel zu melden. Er hat kaum noch „Macht“ über die Tore der Information. Seine Aufgabe ist es zwar immernoch, Informationen zu sortieren, organisieren und für die Öffentlichkeit aufzubereiten, der Gatewatcher ist aber nicht der einzige, der Informationen bekommt und weiter geben kann. So sieht Bruns das in den Zeiten des Internets, in denen jeder „rohe“ Informationen bekommen und selbst veröffentlichen kann. Was folgt also daraus?

Guess what. „Die Medien“ (also Zeitungen, Fernsehen und Radio) sind keine Gatekeeper mehr. Sie sortieren die Informationen nicht mehr für die Öffentlichkeit, sie kuratieren sie höchstens. In der Zeit von Social Media und der globale Vernetzung sind die „Medien“ genauso wie IHR Gatewatcher. Sie filtern, genauso wie Ihr, MENGEN an Informationen. Sie versuchen, diese aufzubereiten und das Relevante vom Irrelevanten zu unterscheiden. Genauso wie Ihr. Zeitungen bzw. Journalist*innen vorzuwerfen, noch nicht über ein Thema berichtet zu haben, finde ich daher mittlerweile immer eher albern. Normalerweise bedeutet es nämlich gar nicht, dass diese das Thema totschweigen wollen oder es für irrelevant halten. Es bedeutet in den meisten Fälle viel eher, dass sie
a. noch keine genauen, geprüften und nachvollziehbaren Fakten darüber haben
b. vielleicht den Nachrichtenwert noch nicht erfüllt sehen
c. einfach schlicht und einfach noch nicht davon gehört haben (Stichwort Informationsflut)
Und wenn das einen stört, gibt es dafür zwei mögliche Lösungen:
Macht die Journalist*innen darauf aufmerksam. Nur weil Informationen in euren Dunstkreisen angekommen sind, heißt das noch nicht, dass es auch bei den Journalist*innen angekommen ist. Wenn Ihr dann zeigt, dass das Thema für Euch relevant ist, sehen das in den meisten Fällen die Journalist*innen so (hierfür an dieser Stelle allerdings keine Garantie). Außerdem halten die Journalist*innen das Thema vielleicht erstmal nicht für interessant. Kann natürlich auch sein, dass das Thema etwas von Redaktionsleitern abgelehnt wurde, obwohl die Journalist*innen es interessant fanden. Eitherway, sagt es den Autor*innen.
Oder werdet einfach fucking selber Journalist*innen. Um Journalist*in zu werden, braucht man nämlich keine Ausbildung. Natürlich legen viele ein Voluntariat, eine Ausbildung oder ein Studium in dem Bereich nahe, Pflicht ist es aber nicht. Dann wird es einem auch auf der einen Seite bewusst, dass es gar nicht so einfach ist, an reliable Daten zu kommen und andererseits über ALLES zu berichten, gerade in Zeiten der Globalisierung.
Okay, damit das jetzt nicht komplett wie ein Crybaby Text einer (Möchtegern-)Journalistin klingt, zwei Lösungsansätze: Weist Journalist*innen auf ihre Fehler hin. Nicht nur durch passiv-aggressive Posts, dass ja keiner darüber berichtet, sondern auch mal direkt. Nur so können sie die verbessern und ihre Expertise in der Verifikation von Informationen (und daran sind Journalist*innen trotz aller negativer Presse in letzter Zeit größtenteils sehr gut) für euch bereit stellen. Und zweitens: Seid euch eurer Rolle als Gatewatcher bewusst und nutzt sie! Wenn ihr (am besten verifizierte und nachweisbare richtige) Geschichten seht, teilt sie! Nicht nur, wenn „die Medien“ darüber nichts sagen, sondern auch so. Wenn es euch eben auffällt. Wenn ihr es für relevant haltet. Fast jeder hat mittlerweile eine kleine Leserschaft auf Instagram, Facebook und Twitter und auch die Möglichkeit, Sinnvolles mit dieser Leserschaft zu teilen.
Concluding: Wir leben in einem faszinierenden Zeitalter, in dem wir auf einmal alle „Medien-Herausgeber zum kleinen Preis“3 geworden sind. Diese unerwartete Kraft sollten wir nicht unbenutzt lassen. Also nicht viel mucken, sondern drucken4 (seine eigene Online-Zeitschrift auf Instagram oder so)!
[1] Bruns, A. (2003). Gatewatching, Not Gatekeeping: Collaborative Online News. Media International Australia Incorporating Culture and Policy, 107(1), 31–44. https://doi.org/10.1177/1329878X0310700106
[2] Trusty Wikipedia für die Erklärung: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachrichtenwert
[3] Auch wenn das nicht immer was Gutes ist. Stichworte Informationsüberflutung und nicht vertrauensvolle Quellen… Ist trotzdem nunmal so.
[4] An dieser Stelle eine Entschuldigung aus tiefsten Herzen für diesen schrecklichen Spruch.