Filmreview: Das Gullspång Geheimnis

Glaubt ihr an Schicksal? Gibt es unsichtbare Verbindungen zwischen Familien, ob biologisch oder gewählt? Sind manche Begegnungen unausweichlich? Bei Das Gullspång Geheimnis von Maria Fredriksson fängt alles mit einem Bild an und führt zu einer unerwarteten familiären Verbindung. May sucht mit der Unterstützung ihrer Schwester Kari nach einer Wohnung im beschaulichen Gullspång, eine Kleinstadt in Südschweden. Doch zuerst soll ein Bild für die Küche gefunden werden. Als die Suche zunächst erfolglos ist, finden die beiden Bild und Wohnung auf einmal – und eine unerwartete Schwester noch dazu! Mit Bild, Wohnung und Schwester scheint das Familienglück doch perfekt zu sein – oder?

Wenn ihr jetzt denkt, ich habe euch schon die ganze Geschichte erzählt, weit verfehlt! Da fängt die Geschichte erst an. Es geht munter weiter mit Endungen und Wendungen, Intrigen, Rätseln und Mysterien…

Keine Lemminge…

Dokus haben immer den Ruf, objektiv zu sein. Es wird doch nur gezeigt, was doch auch wirklich passiert, oder? Auch wenn dieser Ruf mittlerweile gründlich widerlegt wurde, wünscht man sich trotzdem noch einen möglichst authentischen Blick in der Doku. Das Gullspång Geheimnis schafft das, indem gestellte oder nachgespielte Szenen länger stehen gelassen. Wir hören die Regisseurin Anweisungen geben. Es wird also klar, dass das hier manche Szenen nur nachgespielt sind und damit nicht mehr ganz objektiv. Das wirkt authentisch und macht das Ganze auch noch sehr unterhaltsam.

Man merkt, dass der Film diese Personen durch den Lauf der Zeit begleitet hat. Eine sehr authentische Entwicklung zwischen verschiedenen Menschen, mit Höhen und Tiefen, Einigkeiten und Unterschieden. So ist die Geschichte nicht nur als Mystery, sondern auch als soziales Familiendrama spannend zu beobachten. Es entsteht das Gefühl, man hat die Leute selbst im entfernten Familienkreis und kann sich mit der ein oder anderen Person sogar selbst identifizieren.

Unzuverlässige Erzähler:innen

Jetzt mal mit dem Versuch, nicht zu spoilern: Neben der Kamera, die versucht, offen und ehrlich zu sein, findet man die unzuverlässigen Erzähler:innen vielmehr vor der Kamera. Es werden immer wieder Aussagen verschiedener Protagonist:innen über die gleichen Sachverhalte hintereinander geschnitten, um so anzudeuten, wann Sachen gleich, wann etwas unterschiedlich erzählt oder erinnert werden. Das baut natürlich ein gewisses Vertrauen zu den Personen und ihren Aussagen auf. Doch in der zweiten Hälfte des Films werden diese Aussagen auf einmal etwas unglaubwürdiger. Man stellt plötzlich alles in Frage, was ist da wirklich wahr? Welche Perspektive „stimmt“? Welche Sichtweise will man glauben? Das gibt dem Film eine weitere Ebene, die es noch spannender macht und auch über die ein oder andere Länge in der zweiten Hälfte hinweghilft.

Yes, No, Maybe so?

Die Doku hat einen großen Nachteil: Es kommen viele Stimmen nicht zur Sprache, die meiner Meinung nach gehört hätten sollen. Mehrere Rätsel werden groß aufgefahren, aber nicht wirklich gelöst. Das ist bei wahren Geschichten nunmal so, trotzdem wirft die Doku Fragen auf, die sie dann nicht beantworten kann. Das lässt einen am Ende des Films mehr wollen. Der Eindruck bleibt hängen, dass es Regisseurin Fredriksson doch nicht ins Innerste dieser Familie(n) geschafft hat.

Zwischendurch fragt man sich, wohin die Doku jetzt noch will. Dann zieht sich der Film etwas. Dieses Gefühl wird dann aber immer von einer noch verrückteren Offenbarung wettgemacht. Ein schönes Spiel von narrativischem Suspense und Surprise, durch das man sich aber schon manchmal kämpfen muss.

Fazit

Was für ein Ritt! Eine Doku, die auf jeden Fall zu empfehlen ist. Nicht so sensationalistisch, wie manch aufgebauschte Netflix-Doku und gleichzeitig von organischen Wendungen und irren Plot-Twisten durchzogen. Ein Glücksgriff für die Regisseurin und auch für jede Person, die sich die Doku anschaut. Schaut sie euch an!

Bilder: mindjazz

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