Es ist dunkel. Die Türe knarzt. Schatten sind zu erahnen. Und plötzlich ein schriller Schrei…. Solche – oder so ähnliche Szenen – erwarten wir in Horrorfilmen. Ich muss zugeben, dass ich keine große Heldin darin bin, entspannt einen Horrorfilm zu schauen. Ganz im Gegenteil: Ich fiebere mit, erschrecke mich gemeinsam mit den Protagonist*innen, verkrieche mich hinter Decken und Kissen und kann danach nicht wirklich gut schlafen. Und trotzdem schaue ich mir immer wieder gruslige Filme an. Geht es euch auch so, dass ihr dabei eine Art Kick verspürt und diesen immer wieder erleben wollt? Eine Art Verlangen nach Grusel und Schauder? Keine Sorge: Da seid ihr nicht allein und ihr solltet unbedingt weiterlesen, denn dieses Phänomen hat einen Namen: Angstlust.

Die Lust am Gruseln
Wenn wir einen Horrorfilm anschauen, dann stillen wir unsere sogenannte Angstlust. Wir können uns dabei unseren Ängsten stellen und sie überwinden. Wir gruseln uns freiwillig, um uns nach der Rezeption besser zu fühlen. Ein sogenannter katharsischer – also reinigender – Effekt. Je größer die Angsterregung war, desto positiver und lustvoller wird die Entlastung nach ihrer Auflösung empfunden. Laut Brigitte Frizzoni erleben wir dabei aber keine reale Angst, sondern eine ‚Als-ob-Angst‘. Diese Angstlust, so die Kulturwissenschaftlerin, sei es, die wir beim Eintauchen in spannende Geschichten immer wieder aufs Neue genießen.
Der Horrorfilm konkretisiert diffuse Bedrohungen wie Monster, den eigenen Tod oder das Gefühl von Machtlosigkeit. Eigentlich gelingt es nur in diesem Genre, uns mit dieser Furcht zu konfrontieren und sie dadurch zu überwinden. Durch das Gruseln bauen wir die Ängste ab, die wir so im Alltag nicht zulassen oder die von uns verdrängt werden.
Darüber hinaus ist das Genre des Horrorfilms neben dem Melodram und der Pornografie eines der wenigen, das instinktiv Körperempfindungen hervorruft. Wir können es nicht steuern, ob wir uns erschrecken oder gruseln. Diese Reaktionen löst der Körper selbst und unterbewusst aus. Wir geben somit bei der Rezeption auch ein Stück die Kontrolle unseres Körpers ab.
Ein weiterer Punkt, der das Genre Horrorfilm so faszinierend macht, ist die Tatsache, dass das offene Zeigen von Gewalt einen Einblick in etwas Sensationslüsternes gibt. Die Filmwissenschaftlerin Linda Williams beschreibt in ihrem Aufsatz zu Filmkörpern, dass Horrorfilme aus diesem Grund besonders beliebt bei Jugendlichen – vorrangig männlichen Jugendlichen – seien. Sie seien aufgrund ihrer sich erst im Entstehen befindenden sexuellen Identität besonders von der Auslebung von Gewalt fasziniert, und wollen deshalb etwas Sadomasochistische in der Rezeption erleben.
Ästhetik des Horrorfilms
Doch warum lösen Horrorfilme eigentlich solche starken Gefühle in uns aus? Aus filmästhetischer Sicht sind alle Horrorfilme ähnlich aufgebaut. Das Geschehen wird meist in Nah-, Halbnah- und Großaufnahmen gezeigt. Dadurch wird den Zuschauer*innen der Blick auf das Gesamtgeschehen verwehrt und es ist nur zu erahnen, was außerhalb der Aufnahmen passiert. Die Sichtweise wird also stark eingeschränkt. Die Kamera nimmt oft den subjektiven Blick der bedrohten Protagonist*innen ein. Dies führt zum einen zu einer starken Identifikation mit den Figuren – vorrangig der jungen weiblichen Protagonistin – und wir Rezipient*innen werden durch die Blickübernahme noch tiefer in die Geschichte hineingezogen. Zum anderen wird dadurch die Sichtweise noch weiter eingeschränkt. Als Zuschauer*innen bekommen wir nur noch das mit, was auch die Figur im Film selbst mitbekommt. Ein Spannungsverhältnis aus Sehen und Nicht-Sehen wird aufgebaut.
Hinzu kommt, dass die Szenen meist sehr dunkel gestaltet sind und Vieles nur schemenhaft zu erahnen ist. Die Dunkelheit schränkt den Blick auf die Situation zusätzlich ein und auditive Sinnesreize rücken stärker in den Vordergrund. Musikalische Unterstützung, knarzende Gegenstände oder laute Atemgeräusche der bedrohten Person untermauern die bedrohliche Szenerie und machen sie für uns noch erlebbarer.

Ein weiteres Stilelement des Gruselns ist das Ungewisse. Wir Rezipient*innen wissen nie, was passieren wird und rechnen immer damit, dass in der nächsten Szene etwas Unheimliches lauert. Auch wenn wir noch so versuchen, uns nicht zu erschrecken und eigentlich wissen, dass gleich etwas passieren wird, schreien wir trotzdem auf oder zucken zusammen.
Weitere Stilelemente, die häufig vorkommen, sind Monster, Geister, Verlust der Augen beziehungsweise der Sehkraft oder, dass etwas Lebloses lebendig wird wie beispielsweise Puppen. Hier verschwimmt die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit beziehungsweise zwischen dem kindlichen Wunsch, sein Spielzeug wäre lebendig und der Erkenntnis als Erwachsener, dass dies nicht so ist. Denn oft setzt der Horrorfilm genau da an: Erinnerungen aus der Kindheit, die wir im Erwachsenenalter meist verdrängt haben, werden in den Filmen angesprochen und wieder erlebt.
Fazit: Lebt die Angstlust aus
Angstlust empfinden wir also alle und die Filme setzen an unseren Urängsten von Tod und Lebendigkeit, von Macht und Machtlosigkeit an. Lebt diese Angstlust aus! Erschreckt euch! Schreit die Furcht raus und reinigt damit unterbewusste Gedanken. Viel Spaß beim nächsten Horrorfilm.
Wusstet ihr schon,…
- … dass Horrorfilme gar keine Randerscheinung sind? Die ersten beiden Plätze der meist gestreamten Filme im Jahr 2019 in Deutschland belegen die Horrorfilme Bird Box (2018) mit 3,2 Millionen Zuschauer und Es (2017) mit 13,6 Millionen Zuschauer. Erst auf Platz drei findet sich die Komödie Isn’t it Romantic (2019) mit 9,5 Millionen Zuschauern.
- … dass der Film Es (2017) der erfolgreichste Horrorfilm weltweit ist und gut 700 Millionen US-Doller eingespielt hat? Danach folgen Der weiße Hai (1975) mit 470,7 Millionen USD und Es Kapitel 2 (2019) mit 452,5 Millionen USD.
Horror ist schon was Feines, wenn er auch gut gemacht ist. In letzter Zeit gibt es ja auch vermehrt diese sogenannten Horror – Anthologien. Allen voran natürlich „American Horror Stories“. Diese Sachen mag ich mehr als die Filme.
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