Regisseur Dirk Rosenlöcher über Leidenschaft und Durchhaltevermögen im Interview mit Felix Kupferer
Manche Werdegänge zeichnen sich früh ab. Bei Dirk Rosenlöcher, Regisseur und Drehbuchautor aus Köln, war das zum Beispiel der Fall: Schon als Kind hat er seine ersten eigenen Filme gedreht – und seitdem nie damit aufgehört. Über einen kurzen Schwenk in die Werbung fand er später auch beruflich seinen Weg in die Filmbranche. Seither nutzt er für Spiel- und Werbefilme gleichermaßen das Handwerk des schnellen Erzählens und formt daraus seine eigene Sprache als Filmemacher. Mit seinem Debütfilm „Living Like Candice“, einem eindringlichen Coming-of-Age-Drama, hat Dirk bewiesen, wie viel sich mit Kreativität und Improvisation erreichen lässt.
Gedreht im Ruhrgebiet mitten in der Pandemie, schaffte es der Film bis auf das Filmfestival in Shanghai – und zeigt somit eindrücklich, dass große Geschichten nicht zwingend große Budgets, wohl aber vollen Einsatz brauchen. Im Interview mit unserem Gastautor Felix vom Podcast „Geschichten aus dem Leben“ spricht Dirk offen über die Herausforderungen der Branche, über den nicht immer ganz einfachen Spagat zwischen Kunst und Finanzierung und über die besonderen Momente, die für ihn alle Mühen wettmachen.

Was ist für dich das Besondere am Medium Film, was macht seinen Reiz aus?
Für mich steht beim Filmemachen vor allem eines im Mittelpunkt: das Geschichtenerzählen. Kein anderes Medium erlaubt es, Emotionen so unmittelbar zu transportieren und Menschen so tief zu berühren. Im Film kann ich eine Geschichte, die zunächst nur in meinem Kopf existiert, zum Leben erwecken – mit Bildern, Klängen und Stimmungen, die genau das vermitteln, was ich mir einmal vorgestellt habe. Das ist für mich das Faszinierende daran: eine Idee so greifbar zu machen, dass sie andere emotional mit auf die Reise nimmt.
Erzähl doch mal, wie hat das mit dem Filmemachen für dich angefangen?
Wenn ich zurückblicke, war Kreativität eigentlich schon immer Teil meines Lebens. Ich habe als Kind meine Kamera auf die Lego-Eisenbahn gesetzt und durch die Stadt fahren lassen, Comics gezeichnet und mir ständig neue Geschichten ausgedacht. Den ersten Kontakt mit der Filmbranche hatte ich dann nach dem Abitur – bei einem Praktikum in einer kleinen Filmfirma, die Imagefilme produziert hat. Das war kein Hollywood, klar, aber mein erster echter Berührungspunkt mit dieser faszinierenden Welt. Danach habe ich trotzdem erst einmal eine Ausbildung in einer Werbeagentur gemacht. Dort habe ich viel gestaltet und parallel auch an Computerspielen mitgearbeitet. Erst später habe ich mich entschieden, tatsächlich Film zu studieren.
Wie kam es zu dem Umweg über die Werbung, und wieso hast du dich am Ende dann doch für den Film entschieden?
Ich war schon immer neugierig und wollte verschiedene kreative Bereiche ausprobieren. Ich habe seit meiner Ausbildung auch immer wieder an Werbefilmen mitgewirkt. Werbung ist für mich in erster Linie ein Handwerk, und genau das brauche ich auch im Film. Man lernt in der Werbung unglaublich viel – den Umgang mit Kamera und Licht zum Beispiel, oder das schnelle, präzise Erzählen von Geschichten. Trotzdem möchte ich nicht nur Werbung machen, denn für mich ist sie zwar solides Handwerk, aber nichts für die Seele. Es ist ein bisschen wie mit Fast Food: Im ersten Moment bist du satt beziehungsweise hast ein bisschen Geld verdient. Aber es ist nicht unbedingt etwas, woran du dich später mit Stolz erinnerst. Die Filmprojekte, die mir wirklich etwas bedeuten, sind die, in die ich Herzblut stecken und bei denen ich mich emotional einbringen kann.
Stichwort „Geld verdienen“: Wie ist denn gerade generell die Lage in der Filmbranche?
Die ganze Branche steht im Moment enorm unter Druck. Seit Mitte der 2010er-Jahre, mit dem Aufstieg der Streamingplattformen, hat sich das Geschäft stark verändert. Netflix und Co. haben zunächst einen Boom ausgelöst – vor allem während der Corona-Zeit, als so viel gestreamt wurde wie nie zuvor. Inzwischen hat sich der Markt aber konsolidiert: Große Firmen wurden zusammengelegt, Budgets gekürzt, der Kostendruck ist gestiegen. Gleichzeitig gibt es heute eine riesige Menge an Inhalten auf den verschiedensten Plattformen.
Zwar schauen auch mehr Menschen als früher Filme und Serien, aber das Verhältnis zwischen verfügbarem Content und Publikum ist völlig verschoben. Besonders der fiktionale Bereich leidet darunter, weil er teuer in der Produktion ist. Ein Spielfilm kostet um ein Vielfaches mehr als ein YouTube- oder Reality-Format – und genau deshalb setzen viele Streaming-Anbieter inzwischen verstärkt auf günstigere, aber massenwirksame Formate. Für aufwendige fiktionale Produktionen bleibt da immer weniger Raum.
Dein Schwerpunkt liegt auf Konzeption und Regie. Man kann sich grob vorstellen, was das heißt: Du entwickelst Ideen, begleitest den Dreh und gibst dabei Anweisungen, wie Szenen umgesetzt werden sollen. Wenn man wie du in die Filmwelt einsteigen will: Wie findet man heraus, welcher Bereich wirklich zu einem passt und wo die eigenen Stärken liegen?
Egal, für welchen Bereich man sich entscheidet – man sollte immer auch ein Grundverständnis für die anderen Gewerke mitbringen: also für Kamera, Ton, Setbau und all die vielen Funktionen, die ein Filmteam ausmachen. Besonders als Regisseur ist das wichtig, weil man im Grunde wie ein Dirigent arbeitet. Man muss nicht jedes technische Detail beherrschen, aber wissen, wer wofür verantwortlich ist, welche Abläufe es gibt und wo mögliche Herausforderungen liegen. Es bringt nichts, großartige, aber völlig unrealistische Ideen zu haben, die am Ende nicht machbar sind. Kreativität heißt auch, ein Gespür dafür zu entwickeln, wie sich Visionen praktisch umsetzen lassen.

Mit deinem Debüt „Living Like Candice“ hast du schon selbst einen Spielfilm entwickelt, produziert und dabei auch Regie geführt. Wie lief das alles ab?
Der Film ist ein Young-Adult-Drama, das sich mit Themen wie Sterbehilfe und dem Willen zum Leben auseinandersetzt. Die Idee dazu hat mich über viele Jahre begleitet. Während der Corona-Zeit habe ich die Gelegenheit genutzt, das Drehbuch gründlich zu überarbeiten, als Abschlussprojekt an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Mit der Idee und dem fertigen Drehbuch habe ich dann eine Low-Budget-Förderung der Film- und Medienstiftung NRW bekommen. Möglich wurde das Projekt trotzdem nur, weil viele Menschen freiwillig mitgearbeitet oder auf Gagen verzichtet haben.
Gedreht haben wir im Sommer 2021, mitten in der Pandemie – mit Maskenpflicht, Tests und all den organisatorischen Hürden, die das mit sich brachte. Das war eine intensive Zeit. Fertig geworden ist der Film schließlich im Herbst 2023. Seine Premiere hat er auf den Hofer Filmtagen gefeiert, einem Nachwuchsfestival. Später haben wir ihn auch auf dem Shanghai International Film Festival gezeigt, was für mich ein ganz besonderes Erlebnis war. Zu sehen, dass ein Projekt, das mit so viel Herzblut entstanden ist, den Weg auf internationale Leinwände findet, war ein unglaublich bewegender Moment.
Was beim Anschauen des Films auffällt, sind unter anderem die vielen verschiedenen Schauplätze: Szenen auf einem Jahrmarkt, am Wasser, in Wohnungen und urbanen Kulissen. Da steckt sicher enorm viel Organisationsaufwand dahinter – wie bist du dabei vorgegangen?
Einen Jahrmarkt mitten in der Corona-Zeit zu drehen, war wirklich der absolute Wahnsinn. In den ersten beiden Drehwochen habe ich dreieinhalb Kilo abgenommen – einfach, weil ich permanent unter Strom stand. Filmemachen ist ohnehin immer ein Stück Selbstausbeutung, aber in diesem Fall war es wirklich extrem. Kurz vor Drehbeginn kam dann auch noch die Flut im Ahrtal, die unsere gesamte Leih-Jahrmarktausrüstung unter Wasser gesetzt hat. Nichts funktionierte mehr, aber wenigstens die Lichter der Fahrgeschäfte haben noch geblinkt. Das hat für unsere Zwecke gereicht.
Eine Riesenradszene, in der die beiden Hauptfiguren oben in der Gondel sitzen, haben wir nicht einmal wirklich im Riesenrad gedreht. Wir haben die Schauspieler auf Bierkästen gesetzt, auf einem Hügel bei Dortmund, mit der Skyline im Hintergrund. Unsere Set-Designerin hat dafür mit Plexiglasscheiben und Besenstielen eine Art Gondelhintergrund gebaut. Niemand hat das im fertigen Film gemerkt.

Du hast also deinen ersten Spielfilm produziert, auf Festivals gezeigt – und damit dein Abschlussprojekt zum Leben erweckt. Inzwischen ist einige Zeit vergangen. Was steht als Nächstes an, wie setzt du dein Filmschaffen fort?
Ich arbeite gerade an meinem zweiten Spielfilm. Momentan befinde ich mich in der Entwicklungsphase und schreibe am Drehbuch. Dafür bin ich im Gespräch mit einem Produzenten aus Köln, mit dem ich das Projekt gern umsetzen möchte. Anders als bei „Living Like Candice“, den ich weitgehend auf eigene Faust realisiert habe, soll dieser Film klassischer produziert werden – mit Förderanträgen, Partnern und all den Prozessen, die dazugehören. Das bedeutet aber auch, es wird deutlich länger dauern.
Die größte Herausforderung ist, dabei die Freude am Schaffen nicht zu verlieren. Kreative Arbeit ist ein ständiges Auf und Ab – zwischen Euphorie und Zweifel, zwischen dem Drang, etwas zu erzählen, und der Frage, ob es überhaupt jemand hören will. Man arbeitet oft jahrelang an einem Projekt, deshalb muss es einem wirklich etwas bedeuten. Auch Absagen oder lange Durststrecken sind Teil des Prozesses – aber am Ende bleibt der Wunsch, weiterzumachen und Geschichten zu erzählen, die etwas bewegen.
Wenn du auf deinen bisherigen Weg zurückblickst – im Filmgeschäft, aber auch darüber hinaus – worauf bist besonders stolz?
Was mich besonders glücklich macht, sind die Momente, in denen ich merke, dass meine Arbeit etwas bei anderen auslöst – wenn Menschen mir sagen, mein Film hat sie berührt oder zum Nachdenken gebracht. Solche Begegnungen zeigen mir, dass sich meine Bemühungen lohnen. Ich bin deshalb vor allem stolz darauf, dass ich so vieles aus eigener Kraft geschafft habe. Ich habe mir meinen Weg selbst erarbeitet, mich reingehängt und nie aufgegeben. Und das auch, wenn die Dinge einmal nicht so gelaufen sind wie geplant. Genau das möchte ich auch in Zukunft weiter machen – um mit meinen Filmen Menschen zu bewegen und ihnen neue Perspektiven zu eröffnen.
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Mehr über Dirks bisherige Filmprojekte erfahrt ihr auf seiner Website und seinem Instagram-Kanal.
Das komplette Gespräch zum Nachhören gibt es in Folge #44 des Podcasts „Geschichten aus dem Leben“, zum Beispiel bei Spotify.
Beitragsbild: Jakob Owens/Unsplash
