Theater-Rezension: Das Musical „Rent“ in der Oper Dortmund

Das Programm der Oper Dortmund beinhaltet jedes Jahr ein Musical. Vor der Pandemie war es Jekyl & Hyde, vergangenes Jahr war es Cabaret und dieses Jahr ist es Rent. Offensichtlich halten sich die Programmgestalter:innen an die Klassiker des Broadways. Das Übermusical Rent konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Das dachten sich vermutlich auch viele andere Menschen, die mit mir am Sonntagabend in der Vorstellung saßen und mit gemuht haben. People who know, know.

Das Video erklärt das „Muhen“.

Bevor wir zur Rezension kommen, möchte ich erst einmal festhalten, wie toll ich das Angebot der Oper Dortmund finde. Musicals in Deutschland sind oft sehr teuer und somit haben viele Menschen keinen Zutritt. Grund dafür sind fehlende staatliche Förderungen und natürlich Kapitalistenschweine wie Stage Entertainment, die die Preise einfach nur in die Höhe treiben. Die Konsequenz: viele Menschen kommen nicht in den Genuss von Musicals und haben von Rent zum Beispiel nie gehört. Dabei hat der Autor und Komponist des Stücks Jonathan Larson die Musicalszene nachhaltig geprägt. Statt einem Orchester, sitzt hier eine Band im Graben. Das Stück wurde nicht nur mit mehreren Tonys ausgezeichnet, sondern auch mit dem Pulitzer Preis.

“Jonathan Larson’s captivating storytelling in ‘Rent’ first taught me that musicals could be contemporary, true to life, and depict your own experiences.”

Lin-Manuel Miranda

Lin-Manuel Miranda ist ebenfalls eine Person, die zeigt, was vielen Musicals in Deutschland fehlt. Nämlich, dass man sich auf der Bühne wiederfindet und nicht nur das Happily Ever After gezeigt wird.

Der Hintergrund

Die Oper Dortmund geht für mich mit ihrem Programm einen Schritt auf die Menschen zu. Sie beharren nicht auf der veralteten „Hochkultur“, sondern öffnen ihre Pforten. Das sollte bei staatlich geförderten Theaterhäusern Gang und gäbe sein, wie ich finde. Denn viele Menschen trauen sich nicht wirklich in die Oper oder ins Schauspiel. Das liegt nicht an den Eintrittspreisen, sondern an anderen Barrieren: Kleidung, Verhaltenscodex, etc. Hat man das Gebäude jedoch schon einmal betreten oder bietet das Haus Veranstaltungen an, von denen ich schon mal gehört habe, verkleinern sich diese Barrieren.

Die Oper Dortmund bietet außerdem in ihrem Programm La Bohéme an. Rent basiert auf dieser Oper und man kann beide Inszenierungen in einer Doppelvorstellung sehen. Das finde ich super spannend und dieses Angebot ist wirklich einzigartig. Klar, sitzt man dann sehr lange im Theater. Trotzdem ist das eine tolle Idee. Dadurch werden Menschen in Stücke eingeführt, die sie sonst nicht sehen würden.

Der Inhalt

Es ist Weihnachten in New York. Mark und Roger wohnen zusammen in einer WG. Mark will Filme drehen und Roger will Musik schreiben. Bei beiden klappt das nicht ganz so gut. Deswegen können sie ihre Miete nicht bezahlen. Daher stammt der Name des Stücks Rent. Benjamin ist ein ehemaliger Mitbewohner der beiden, hat aber die Tochter des Vermieters geheiratet. Er besitzt nun das Gebäude, in dem die WG lebt und der Strom abgestellt wurde.

Im New York der 90er Jahre scheint es nur um eins zu gehen: Geld! Ihr Kumpel Tom wird auf dem Weg zur WG ausgeraubt und lernt dadurch Angel kennen. Die beiden verlieben sich. Musiker Roger lernt die Tänzerin Mimi kennen und sie verlieben sich ebenfalls. Mark verliebt sich nicht. Seine Freundin und Performancekünstlerin Maureen hat sich von ihm getrennt und ist nun mit Anwältin Joanne zusammen. Die Freundesgruppe stellt sich zusammen den Krisen der 90er entgegen. Mimi ist drogensüchtig und HIV-Positiv. Roger, Angel und Tom sind ebenfalls infiziert.

Der Broadway-Cast von Rent bei den Tonys 1996

Die Rezension

Erster Bummer: das Musical wird auf Deutsch aufgeführt. Nein, nicht nur die Dialoge, auch der Gesang! Vermutlich liegt das an der Lizenz. Denn ein Opernhaus das jahrhundertalte Stücke auf verschiedenen Sprachen darbietet wird verstehen, warum die Originalsprache immer besser ist. Ich muss auch sagen, dass ich den Text die Hälfte der Zeit nicht verstanden habe oder vielleicht auch einfach gekonnt weggehört habe. Die Übersetzung war nicht absolut schlecht, aber „Kerze“ ist halt einfach kein schön klingendes Wort.

Fantastisch geklungen hat jedoch der ganze Cast. Vor allem Patricia Meeden begeisterte mit ihrer Stimme und ihrem Tanz als Mimi.

Auch Lukas Mayer spielt, tanzt und singt nach ein paar Wacklern die Rolle von Angel stark. Ich hätte mir jedoch gewünscht, dass der Charakter von Angel ein wenig mehr Definition bekommt. Sie reden zwar von einer Drag, aber ist sie das wirklich? Der Charakter ist schon im Original etwas schwammig, weil man erst den Eindruck hat, dass sie trans ist. Da ist natürlich auch die Frage, welche Freiräume die Lizenz dem Regisseur Gil Mehmert gibt.

Generell hätte ich mir mehr Mut bei der Inszenierung gewünscht. Die Kostüme waren sehr nah am Film und auch die Charaktere selbst. Das ist einerseits gut, weil wir nun mal mögen, was wir kennen. Aber über so einen kleinen Input, freut man sich doch. Auch die Schauspieler:innen selbst hätten ein wenig kreativer mit ihrer Rolle umgehen können.

Das Bühnenbild hingegen fand ich sehr stimmig. Die mit Müll geschmückten Tannenbäume haben den Vibe des Stücks sehr gut eingefangen. Lustig waren die Eltern, die bei ihren Anrufen auf einer Bank über die Bühne geschwebt sind.

Das junge Ensemble singt ebenfalls eindrucksvoll. Manchmal war ich mir jedoch unsicher, ob es ernst oder satirisch gespielt war.

Trotz der Anmerkungen war es ein toller Abend mit einigen Gänsehautmomenten und einer verdienten Standing Ovation. Außerdem, ich wiederhole mich gerne nochmal, ist es wirklich wichtig, dass Musical-Klassiker in dieser hervorragenden Qualität angeboten werden. Ich wünsche mir, dass mehr Theaterhäuser auf die Menschen, die nicht zum Stammpublikum gehören, zugehen. Kultur sollte für alle Menschen erlebbar sein und dementsprechend gefördert werden.

Bilder: Thomas M. Jauk / Theater Dortmund

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