Katrin hat Indie-Musiker Themis gefragt, wie es ist, eine Band zu starten. Denn Themis hat 2019 die gleichnamige Band in Stuttgart gegründet. Mit Hilfe von Freund:innen und Förderungen hat er ein Album, eine EP und Videos produziert. Was dabei große Herausforderungen waren, erzählt er im Interview.
Populärkollektiv: Was würdest du Menschen sagen, die eine Band starten wollen?
Themis: Man startet eine Band, indem man, so simpel es klingt, einfach erst mal macht. Damit meine ich Songs schreiben, ein bis zwei Leute finden, die auch Bock drauf haben und proben. Der erste Song wird nicht gut, der Dritte auch nicht. Man braucht eine Anzahl an Songs. Das Wichtige ist, dass man schnell versucht das live zu präsentieren, weil nur da kriegt man ein direktes und schnelles Feedback. Was kommt live gut an? Wie funktioniert das live? Krieg ich das überhaupt mit meiner Stimme hin? Üben, proben, besser werden. Nachdem man das gemacht hat gucken, wie möchte ich das aufziehen. Habe ich eine Zielgruppe? Wie sieht die aus? Inspirationen sammeln von Bands, die man selbst sehr mag und gucken, wie die live performen, wie die schreiben und alles aufzusaugen, so gut es geht.
Im Endeffekt ist Live-Spielen zumindest für mich eines der schönsten und besten Dinge, die es so am Musiker:innen-Dasein gibt und auch eines der wichtigsten Dinge. Es ist ebenfalls auch die größte Einnahmequelle. Deswegen ist es unfassbar wichtig, sehr schnell eine Connection mit dem Publikum aufzubauen und sich lokal zu vernetzen, indem man sich auf Plattformen findet oder auf Konzerten Leute anspricht, wenn es geht. Es gibt diese Seite, die heißt Backstage PRO. Die ist ganz super. Da kann man seine Stadt eingeben und da werden alle Venues aufgezählt. Alle Bands sind aufgelistet. Viele Venues und Booker:innen wollen auch neue Bands in ihren Slots haben. Schreibt Bands an, tauscht euch aus, befreundet euch mit Bands. Sonst gibt’s auch noch Facebook-Gruppen. Langsam, aber sicher wird das schon.
P: Ist es nicht furchteinflößend auf die Bühne zu gehen und die eigenen Songs zu performen?
T: Ich finde furchteinflößend ist das falsche Wort. Ich finde es eher aufregend und je nach Show stressig. Also ich bin bei eigenen Headline-Shows mehr gestresst, als wenn ich jetzt zum Beispiel Support spiele für eine andere Band. Weil wenn man seine eigene Headline-Show hat, dann muss man dafür sorgen, dass Tickets gekauft werden und Leute zu der Show kommen. Anders funktioniert das nicht. Wenn man eine Vorband ist, ist das entspannter. Wenn man die Leute dann auf seine Seite ziehen kann, ist das toll und wenn nicht, dann hat man eine gute Erfahrung gemacht, was gelernt und eine Show gespielt, um eine Referenz zeigen zu können. Eine Vorband-Show ist eine Win-Win Situation.
P: Ist das nicht eine sehr persönliche Angelegenheit?
T: Konzerte zu spielen ist total persönlich, denn man geht ja nicht auf die Bühne ohne sich vorher Gedanken gemacht und geprobt zu haben. Das ist Arbeit. Das darf man nicht unterschätzen. Man spielt Instrumente oder hat Equipment, was über tausend Euro gekostet hat – man hat Outfits, man hat sich darüber Gedanken gemacht, wie die Performance ist. Ich blende das aber generell schnell aus. Ich bin dann in ‘nem Flow und lass es fließen. Ab dem Moment, wo ich auf der Bühne bin, mache ich mein Ding und meine Band macht auch ihr Ding. Wem es gefällt, ist gut und wem es nicht gefällt… Das fällt uns erstens meisten nicht auf und zweitens passiert das im Livekontext sowieso nicht. Das passiert dann eher auf Social Media. Wenn man zum Beispiel sieht, dass man keine Likes oder Aufrufe bekommt, kann das frustrierend sein und dann muss man gucken: Ok, was war der Grund dafür? Aber bei Konzerten ist das nie der Fall, dass das Leute doof finden und mich das irgendwie persönlich verletzt. Das passiert nie.
P: Du redest ja auch viel von Performance. Ist es eine Art Alter-Ego, wenn du auf die Bühne gehst?
T: Ich finde, wenn ich auf der Bühne bin, bin ich zu 100 Prozent ich selbst. Es ist eine Performance. Ich würde nicht so auf der Straße jeden Tag rumlaufen. Wobei es gibt Wochenenden, wo ich natürlich auch so rumlaufe, aber ich fühle mich extrem ich selbst und ich performe meine Lyrics und mache die Show wie ich mit meiner Band es möchte und wir sind da auch eine sehr gute Einheit. Ich würde nicht sagen, dass es ein Alter Ego ist. Das sind wir, nur halt auf einer Bühne. Wenn man auf einer Bühne ist, hat man ja automatisch eine andere Haltung, aber das bin immer noch ich.
P: Wie ist das denn, wenn ich eine EP aufnehmen möchte?
T: Eine EP oder ein Album ist ein riesen Ding für eine Band. Es setzt super viel Planung voraus. Man muss sich im Klaren sein, was man damit erreichen will. Und ganz wichtig ist natürlich, damit sich das nicht so verläuft, danach live zu spielen. Also ich rate allen, die so ein Gesamtpaket kreieren möchten, sich ein Jahr im Voraus hinzusetzen und zu überlegen: Wo will ich spielen? Was will ich machen? Wie sieht ein Musikvideo aus? Welcher Song wird eine Single sein? Und das dann mit seiner Band oder einer weiteren Person zu planen, damit man nicht so „auf ‘nem Egotrip“ das durchzieht. Denn alleine ist es sehr schwierig. Man hat immer irgendwie Unterstützung im Kreativ-Team. Mit einem Jahr im Voraus meine ich, dass man die Songs schon geschrieben, geprobt und aufgenommen hat. Das ist auch nochmal ein riesen Aufwand, vor allem wenn man Drums live aufnehmen möchte. Das Mixing, das auch nochmal paar Monate dauert und das Mastering, das auch nochmal zeitaufwendig sein kann. Also wenn Bands eine EP veröffentlichen, dann ist es ganz normal, dass die Songs schon vor zwei Jahren geschrieben wurden. Dann ist es ganz wichtig, dass man seine Kontakte nutzt und wenn man neu in der Szene ist, rumfragt und recherchiert, wo gibt Venues und Locations, wo man spielen könnte. Am Anfang ist auch ganz normal, dass die Konditionen, dass heißt die Gage, die man bekommt und die Spielzeit und so weiter, dass das sehr gering ist und man sich das langsam erarbeiten muss.
P: Was sind die größten Herausforderungen?
T: Die größte Herausforderung ist genau eben das, was ich vorhin meinte: überhaupt Leute zu finden, die Bock drauf haben, das zu machen, worauf man Bock hat. Vor allem, wenn man jetzt nicht in Großstädten wohnt, geht man so ein bisschen unter, weil es einfach nicht die Möglichkeiten oder Ressourcen gibt wie coole Venues, Fördermöglichkeiten oder Vernetzungen unter Bands. Eine weitere große Herausforderung ist Geld. Das ist ganz ehrlich eine Herausforderung nicht nur für Newcomer Acts, sondern auch für Semiprofessionelle – für jeden. Es ist extrem hart, irgendwas aufzubauen und weiterzuführen, wenn man das finanziell einfach nicht stemmen kann.
P: Gibt es da keine Hilfen oder Förderungen?
T: Es gibt Förderungen von Land, Stadt und der Kommune. Es gibt vereinzeln auch Förderungen für bestimmte Genres im Bereich der Popmusik und damit meine ich Popular, also für Indie-Bands, Metal-Bands, Hip-Hop-Bands. Es gibt es viele Förderungen, man muss es nur recherchieren. Förderungen sind das Einzige, was kein Spaß macht. Aber tatsächlich muss es sein. Denn auch wenn man Freunde hat, die Grafik Designer sind oder Freundinnen hat, die ein Album mischen können, das ist alles schön und gut. Aber um weiterzumachen und noch mehr Leute zu erreichen, braucht man eine Förderung, weil man sich irgendwann die Fahrtkosten und andere Kosten wie Studiokosten nicht leisten kann. Es ist alles zu teuer, es ist alles so unnötig krass teuer, und wenn man dann irgendwie auf einmal 800 € bekommt, damit man von A nach B kommt und sich eine Woche lang touren finanzieren kann, dann ist es das Beste. Es gibt schon Förderkriterien, aber im besten Fall hat jede Stadt und jede Kommune, auch kleinere Städte tatsächlich so ein kleines Netzwerk, wo man sich ein bisschen austauschen kann, und Fördergelder von mindestens 100 oder 200€ bekommt. Wenn man damit startet, dann muss man einfach weiter recherchieren und googlen, was es noch so gibt.
P: Du hast speziell von Popmusik geredet. Gibt es bei Förderungen einen Unterschied zwischen Pop und Klassik?
T: Klassische Musik oder Theater, Orte, Institutionen, wo Klassik passiert und stattfindet, da wird mehr Geld investiert als in Newcomer Bands oder Förderungen für einen Bandvan. Einfach weil es halt immer noch diesen Unterschied gibt, zwischen „Unterhaltung“ und der „ernsten“ Musik. Dabei ist Popmusik in allen ihren Facetten extrem ernst und bedeutet für Millionen von Menschen einen Job. Also Musiker:in sein, egal ob man Klassik macht oder Indie, es ist genau dasselbe an Arbeitsaufwand, aber man bekommt bei Klassik einfach mehr Fördermittel von der Stadt gestellt. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber es ist einfach so.
Was nehme wir also mit? Sich trauen, vernetzen und vor allem lokale Bands unterstützen – bei Spotify, YouTube oder aber am besten natürlich live mit der entsprechenden Lautstärke.
Bild: Linda Kohle
