Die lesende Frau nutzt den Tag (Dezember)

Marie Bashkirtseff wurde nur Mitte Zwanzig. Trotzdem lebte sie in dieser Zeit ein turbulentes Leben zwischen vielen Städten und vielen Endungen und Wendungen. Sie wird in der heutigen Ukraine als Tochter eines adeligen Grundbesitzers geborgen. Als sie 3 ist, trennen sich die Eltern und die Mutter reist mit einigen Familienmitgliedern durch Europa, bis sie sich in Nizza niederlassen. Marie will früh zu Ruhm und Ehre kommen, träumt von einer Karriere als Sängerin und Schauspielerin. Das wird ihr von einer Kehlkopferkrankung vereitelt und so wendet sie sich nach einigen Reisen der Malerei zu.

In Paris kann sie nur an einer privaten Akademie einschreiben, die staatliche Kunstakademie bleibt ihr als Frau verwehrt. So fängt sie auch an für eine feministische Zeitung unter einem Pseudonym Texte zu schreiben über die Ausschlüsse von Frauen in der Kunstwelt. Gleichzeitig macht ihr bereits Tuberkulose zu schaffen. Dieses Bild wird sie auch bereits sehr krank gemalt haben. Ihr Traum vom Ruhm lässt sich gar nicht so schnell umsetzen, wie erhofft. Sie malt mit Eifer und Ehrgeiz, doch erliegt 1884 der Tuberkulose. Doch da fängt Maries Geschichte erst an. Sie hat von früh an Tagebuch geführt und den expliziten Wunsch geäußert, bei einem frühen Tod diese veröffentlichen zu lassen. So wird die Malerin von Lesenden nach ihrem Tod schließlich selbst zur Autorin. Ihre Mutter lässt ihre Tagebücher veröffentlichen und die Bücher kommen durch ihre unkonventionelle und unvertuchte Art direkt zur Berühmtheit (obwohl die Texte vorher vom Herausgeber nochmal ordentlich geglättet werden).

Diese starke Verklärung wird bis heute weitergetragen und es gibt wohl immer noch keine unzensierte Fassung ihrer Tagebücher im Deutschen. Auf Englisch und Französisch schon. Franziska zu Reventlow schrieb 1901: „Ich lese Marie Bashkirtseff, das möchte die einzige Frau gewesen sein, mit der ich mich ganz verstanden hätte, vor allem auch in der Angst, etwas vom Leben zu verlieren und vor dem unerhörten Prügelbekommen vom Schicksal.“ Also, wie sagt man so schön: „Nutze den Tag.“

Dieser Artikel erscheint in unserem Kunstkalender für das Jahr 2025 zum Thema „Lesende Frauen“. Hier alle (bisherigen) Artikel in der Reihe:

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