In dieser Sammlung von Malerinnen darf Berthe Morisot natürlich nicht fehlen. Sie gilt neben Mary Cassatt als eine der bedeutendsten Malerinnen des 19. Jahrhunderts. Doch auch das kam nicht ohne Hindernisse. Und so schauen wir uns in der herbstlichen Stimmung dieses Bild ihrer Mutter und ihrer Schwester Edma an.

Das Bild wurde gemalt als Edma und Berthe um die dreißig Jahre alt waren, zum Zeitpunkt der Hochzeit von Edma mit den Leutnant Adolphe Pontillon. Edma hatte Berthe zusammen die Malerei erlernt und ihre Malerei wird als genauso gut wie die von Berthe eingeschätzt. Mit ihrer Hochzeit gab sie die Malerei aber auf und zog aufs Land, wo ihr Mann stationiert war, was auch Berthes Leben veränderte. Sie konnte ab da als unverheiratete Frau nicht mehr einfach so allein unterwegs sein und musste sich entsprechend arrangieren. Daher finde ich es sehr interessant, dass ihre Schwester in hochzeitlichem Weiß gekleidet ist (Sogar mit etwas Blauen im Haar), während ihre Mutter schwarz trägt, fast so, als würde sie trauern (Ich habe nachgeschaut, ihr Ehemann starb erst einige Jahre später). Äußerte damit Berthe eine gewisse Einstellung zur Hochzeit ihrer Schwester?
Gleichzeitig hatte sie mit Eduard Manet eine enge, platonische Freundschaft, stand häufig für ihn Modell und er half ihr bei ihrer Arbeit. So auch bei diesem Werk, das sie beim Pariser Salon einreichen wollte. Nachdem jemand ihre Arbeit an dem Bild kritisiert hatte, bat sie Manet, zu gucken, was man verbessern könne. Manet beließ es aber nicht bei mündlichem Feedback und legte direkt selbst Hand an, so sehr, dass es, in Berthes Worten die „beste Karikatur“ wurde, die sie je geschaffen hatten. So glücklich schien sie aber nicht damit gewesen zu sein, dass er eigenhändig ihr Bild überarbeitete hatte. Sie dachte, dass das Bild nicht mehr angenommen werden würde oder hoffte es vielleicht sogar. So korrigierte sie manche Änderung von Manet zurück. Sie warf ihm das aber nie vor und es änderte wohl nichts an ihrer Freundschaft. Manet neigte wohl dazu, Berthe Morisot „besitzen“ zu wollen, sowohl als Modell, als auch als Mentée in ihrer Arbeit.
Diesen Umstand sehen wir immer wieder in der Malerei, wo Maler besessen von ihren Modellen sind und sie für sich haben wollen. Gleichzeitig kommt es einer Infantilisierung gleich, wenn er in ihrem Bild herumfuhrwerkt, zu einem Zeitpunkt, an dem sie bereits erfolgreiche Malerin ist. Und wenn wir zurück auf dieses Bild besinnen, in dem eine Frau liest: Maler können es einfach nicht lassen, Frauen als Objekt zu behandeln, mit dem man machen kann, was man will und sind geradezu besessen, gerade von Frauen, die lesen, also die denken, also die nicht unbedingt tun, was man will.
Dieser Artikel erscheint in unserem Kunstkalender für das Jahr 2025 zum Thema „Lesende Frauen“. Hier alle (bisherigen) Artikel in der Reihe:

Ein Gedanke zu “Die lesende Frau und die Männer (Oktober)”